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stände Zu einem langsamen Hungertode verdammen. Und das geschieht in vielen Gegenden, am meisten wohl in der Mark Brandenburg mit den Kiefernwäldern in Privat- oder Gemeindebesitz. Eigentlich kann man die Ansammlung von Bäumen, die wie eine Herde verkrüppelter, verhungerter Bettler aussieht, nicht Wald nennen. Bäuerlicher Eigennutz hat sie auf dem Gewissen. Um ein wenig Streu zu gewinnen, wird jahraus, jahrein jede Nadel weggekratzt, die auf den Boden fällt. Sie sollte jedoch vermodern und im Kreislauf der Entwicklung dem Baum, an dem sie gewachsen, neue Nahrung zuführen. Und die Bäume sind ja so genügsam in den Anforderungen an den Boden. Sie ziehen die Hauptmasse ihrer Nahrung aus der Luft. Aber etwas wollen sie doch von Mutter Erde empfangen. Hier erhalten sie nichts. Der kahle Boden saugt keine Feuchtigkeit ein, der Sand, dem die Humusschicht abgekratzt wird, ist tot. Es wäre dringend zu wünschen, daß diesen Feinden des Waldes das Handwerk gelegt würde!
Eine ganze Reihe von Waldverderbern stellt das niedere Tierreich. Da finden sich Käfer und Schmetterlinge, die in allen Stadien der Entwicklung den Baum als ihren Nährvater betrachten. So lange der Mensch sich um den Wald nicht kümmerte, sondern frei wachsen ließ, was wachsen wollte, hatte jeder Baum die Kraft, ein Heer von Schmarotzern zu ernähren. Was diese Kraft nicht besaß, ging eben zugrunde. Doch waren es immer nur einzelne Bäume. Seitdem aber der Mensch seine Hand auf den Wald gelegt hat, um ihn zu „pflegen", will er die natürliche Auslese nicht mehr dulden; nach seinem Willen soll der Wald wachsen. So hat er denn an vielen Stellen die gemischten Bestände, in denen Eiche, Buche, Birke neben Fichte, Kiefer und Lärche stand, ausgerodet und durch reine Bestände ersetzt.
Und was war die Folge? Mit der Anhäufung einer Baumart auf engem Raum wurde eine abnorme Vermehrung der Schädlinge begünstigt. Aus dem Nährvater, der stolz von seinem Überfluß abgeben konnte, wurde ein Hungerleider, den seine . Gäste zu Tode fraßen. Die Forstwirtschaft war sehr einseitig geworden. Sie wurde vom Staat als melkende Kuh betrachtet, sie sollte in kürzester Frist den größten Ertrag erzielen. Unter diesem Druck kam die unheilvolle Entwicklung, die den Laubwald zurückdrängte, um die Kiefer an seine Stelle Zu setzen. Erst einige gewaltige Katastrophen haben die Forstwirtschaft darüber belehrt, daß die Natur sich nicht immer nach dem Willen des Menschen modeln läßt. Seitdem erzieht man wieder gemischte Bestände.
Die gefährlichsten Waldverderber sind der große Kiefernspinner (On8tropaolm pini U.) und die Nonne (Uiparis inoua- olla U.). Es sind Schmetterlinge aus der Familie der Spinner, die im Juli und August je 150 bis 200 Eier an dem Stamm und den Ästen der Kiefer und Fichte ablegen. Nach wenigen Wochen erscheinen bereits die jungen Raupen und fallen sofort über die Nadeln her, die sie ganz oder, wie die Nonne, nur teilweise verzehren. Kurz vor Eintritt des Frostes beziehen sie ihr Winterlager unter dem Moos. Doch schon im April des nächsten Jahres erscheinen sie wieder, um ihr Zerstörungswerk fortzusetzen. In wenigen Minuten ist eine Nadel verzehrt. Man hat berechnet, daß die einzelne Raupe in ihrem kurzen Leben etwa 1000 Nadeln auffrißt!
Wenn man nun bedenkt, daß beide Arten plötzlich in Massen erscheinen, die jeder Schätzung spotten, dann wird man es erklärlich finden, daß sie ganze große Bestände in kurzer Zeit völlig kahl fressen und damit vernichten. In Hellem Sonnenschein hat man den Eindruck eines Regenfalles. Das Geräusch beim Zerbeißen der Nadeln klingt genau so wie das Fallen der Tropfen, und um den Eindruck zu vervollständigen, sieht man überall Stückchen der Zerbissenen Nadeln herabfallen. So sind in den fünfziger Jahren Tausende von Hektaren in der Rominter Heide, in den neunziger Jahren in Bayern vernichtet worden.
Noch steht nur aus der Jugendzeit lebhaft der Eindruck in der Erinnerung, den die von der Nonne zerstörte Rominter
Heide machte. Obwohl Hunderte von Sägen an der Arbeit waren, um die eingegangenen Bäume zu verarbeiten, reichten die vorhandenen Kräfte nicht aus, auch nur einen Teil zu beseitigen. Ganze Jagen alter Bäume standen tot da, bis Fäule und andere zerstörende Einflüsse sie soweit schwächten, daß ein Windstoß die Stämme entwurzelte oder zerbrach. An den Stumpfen aber wucherten eigenartige, große Schwämme.
Die Bekämpfung der Raupengefahr erfordert viel Mühe und große Kosten. Die fressenden Raupen versucht man mit Kalkstaub zu töten. Die umherschwärmenden Schmetterlinge lockt man durch elektrisches Licht oder Zinkfackeln und fängt sie mit Hilfe eines Luftgebläses. Doch das sind in Wirklichkeit nur Notbehelfe. Etwas wirksamer sind die Leimringe, die um die Stämme in Mannshöhe nach Entfernung der äußeren, rissigen Rinde angebracht werden. Welcher Aufwand von Arbeit dazu gehört, die vielen tausend Stämme eines Reviers mit solchen Ringen zu versehen, kann man sich leicht vorstellen. Doch der Erfolg lohnt die Mühe. Die am Stamm aufkriechenden Raupen bleiben am Leim kleben und sind unschädlich gemacht.
Das Einsammeln der trüg am Stamm sitzenden weiblichen Schmetterlinge soll auch gute Wirkung haben, dagegen ist das Einsammeln der Eier und jungen Räupchen zu verwerfen, weil man damit die heftigsten Feinde der Spinner, die Schlupfwespen, vermindert, die ihre Eier in die Spiegel — Nester — der Nonne ablegen. In gewöhnlichen Zeitläufen sind der übermäßigen Vermehrung dieser Waldverderber durch die Natur selbst Schranken gesetzt. Sie hat ihnen mächtige Feinde geschaffen; außer der Schlupfwespe noch einen Pilz, der im Innern der Raupe wuchert, den Raubkäfer und den Kuckuck. Andauernd trockene Sommer hemmen jedoch das Entstehen des Pilzes, sie bedeuten also eine Erhöhung der Raupengefahr.
Die jungen Bäume werden am meisten von den Rüsselkäfern und den Engerlingen bedroht. Von den Rüsselkäfern gibt es zahllose größere und kleinere Arten, die sowohl Laub- wie Nadelholz angreifen. Die erwachsenen Küfer bringen den jungen Bäumen durch Zerstechen der Rinde und Triebe zahllose Wunden bei, die Larven fressen sich bis zum Splint durch und ziehen lange Gänge durch Holz und Borke. Befallene Bäume müssen rücksichtslos entfernt und durch Verbrennen vernichtet werden. Die wandernden Käfer fängt man in fußtiefen schmalen Gräben mit steilen Wänden, mit denen man die Kulturflächen umzieht. In kurzen Abständen sind in die Sohle der Gräben Löcher gegraben, die sich mit den gefangenen Rüsselkäfern anfüllen. Frühmorgens werden sie durch die Frauen der Waldarbeiter nachgesehen; die Schädlinge, die manchmal scheffelweise eingesammelt werden, vernichtet man durch Bebrühen.
Viel schwerer ist dem Engerling beizukommen, der in den letzten Jahrzehnten überall da massenhaft auftritt, wo durch Kahlschlag große Flächen vom Walde entblößt werden. In dem künstlich gelockerten Boden wandert er die reihenweise stehenden Pflanzen entlang und tötet sie durch Abbeißen der Wurzel. Bis jetzt ist es den Forstwirten nicht gelungen, dieser Schädlinge Herr zu werden. Das Ablesen der Maikäfer ist nur ein Notbehelf. Vielleicht wird die Rückkehr zu den gemischten Bestünden die Gefahr verringern.
Auch ein Pilz gehört zu den Waldverderbern. Das ist der Halimasch (^rmillaria mellea), ein hellbräunlicher eßbarer Pilz mit handtellergroßem Hut. Er findet sich sehr häufig an alten Stämmen und auf absterbenden Wurzeln. Sein Mpcel dringt nicht nur in totes Holz, sondern auch in lebende Bäume, wo eine durch Windbruch oder sonstwie entstandene Wunde ihm Einlaß gewährt, und bringt sie zum Eingehen. In neuerer Zeit will man eine starke Zunahme dieser Schädlinge beobachtet haben. Sie sind nur durch Entfernung der befallenen Stubben und Bäume zu bekämpfen.
Manche Forstwirte rechnen auch das Wild unter die Mald- verderber. Und nicht ganz mit Unrecht, denn nicht nur Hirsch und Reh, sondern auch Hase und Kaninchen richten durch