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Nur auf die Breite des Eherings hat die Mode noch einigen Einfluß. Vor einigen Jahren trug man sehr breite, stark gewölbte Ringe, jetzt wieder zierlich schmale.
Diesem modernsten, schlichtesten Typus gehören auch die Trauringe des jungen Kronprinzenpaares an, die Hosjuwelier Werner verfertigt hat. „Cecilie" steht in dem einen, „Wilhelm" in dem anderen Ring und in beiden das Datum. Diese beiden Reifen sind aus Gold hergestellt, das gänzlich auf deutschem Boden gewonnen und bereitet ist. Sonst ist das begehrteste Gold für Ehe- ringe sog. österreichisches Dukatengold; ein großer Teil österreichischer Dukaten wird gar nicht erst den: Verkehr übergeben, sondern wandert direkt aus der Präge zum Goldschmied.
An welcher Hand und an welchem Finger wird und wurde der Ehering getragen?
Schon ein alter, lateinischer Merkvers wies jedem einzelnen Finger den Ring an:
NL168, Nereator, 8tu1tu8,
Naritu8, ^mator, d. h. in der Reihenfolge auf die Finger einer Hand bezogen, daß der Soldat seinen Ring am Daumen, der Kaufmann am Zeigefinger, der Dummkopf am Mittelfinger, der Gatte am Ringfinger und der Liebhaber am kleinen Finger trägt.
Der vierte Finger, den wir ja auch als eigentlichen Ringfinger bezeichnen, besaß aber von altersher die Ehrenstellung als Träger des Eheringes, und daß es der Finger der linken Hand war, geht aus zahlreichen Stellen bei antiken und mittelalterlichen Schriftstellern hervor, die das sogar ausdrücklich damit begründen: zum vierten Finger der linken Hand führe eine Vene oder ein Nerv, der ihn direkt mit dem Herzen, dem edelsten Körperteil, verbinde und ihn so der besonderen Ehrung würdig mache! Aber wenn auch ein Schriftsteller des Mittelalters meint, es sei nur das Vorrecht der Jungfrau Maria gewesen, den Ehering an die rechte Hand gesteckt zu bekommen, und sie nur dürfte so dar- gestellt werden, so müssen wir doch gerade nach vielen Bildern, abgesehen von schriftlichen Bemerkungen, annehmen, daß der Trauring nicht nur bald an der rechten, bald an der linken Hand getragen wurde, sondern dort so ziemlich jeder Finger zu verschiedenen Zeiten dem Ringfinger sein angestammtes Vorrecht streitig machte.
Im England der jungfräulichen Elisabeth steckten die Damen — der Herr trägt in England von jeher keinen Trauring — den Ehering nach der Trauung an den Daumen. Für den Zeigefinger, der überdies schon den Juden als besonders geweihter Finger galt, gibt es eine große Zahl von Beispielen aus dem 14. bis 17. Jahrhundert. Auch auf Murillos lieblicher „Verlobung der Hl. Katharina" steckt das Christkind den Ring an den Zeigefinger der Heiligen (Abb. 9), an den Mittelfinger bekommt Maria z. B. auf Raffaels „ 8 p 08 a 1 i/io" den Ring gesteckt, der Ringfinger wird auf Correggios „Vermählung der Heiligen Katharina" (Abb. 10) geschmückt, und
für den letzten, den kleinen Finger möchte ich unter vielen Beispielen das der Königin Luise auswählen. Das Hohenzollernmuseum bewahrt neben dem schmalen glatten Ehering der Königin eine Aufzeichnung, die der König an ihrem Todestage machte. Sie enthält das Verzeichnis der fünf schlichten Ringe, die die Königin gewöhnlich trug, und
darunter bei Nr. 1 die Bemerkung : „ Unser Trauring. An dem kleinen Finger der rechten Hand." Das Datum des vergilbten Blättchens lautet: „Am unglücklichsten
Tage meines Lebens, Hohen- zieritz, den 19. Julp 1810".
Es scheint mir, daß man am ehesten den Mittelfinger vermied. Er ist gewöhnlich selbst dann ringfrei, wenn alle anderen Finger Ringe tragen. Man sehe z. B. Abbildung 11, die zugleich zeigt, wie der Handschuh der vornehmen Dame besondere Schlitzchen hatte, damit die vielen Ringe auch richtig Platz hatten und gesehen werden konnten. Jetzt trägt man den Ehering wohl meist am Ringfinger. Die Hand wechselt in verschiedenen Gegenden.
Wie tief der Glaube an die bindende Kraft des Ringes im Volksbewußtsein steckte, beweisen vielleicht die nicht seltenen Porträte, auf denen die Dargestellten den Ring gleich wie ein Symbol aller Lebenswerte ausdrucksvoll und eindringlich dem Beschauer zeigen (Abb. 8). Dafür sprechen auch die katholischen Legenden, die Geschichten von Nonneneinkleidungen und Priesterweihen, in denen der Ring auch bei der mystischen Ehe mit Christus oder Maria nicht entbehrt wird, und schließlich der Bischofsring, der an die sinnbildliche Ehe des Bischofs mit der Kirche gemahnen soll. Eine andere symbolische Ehe schloß und erneuerte Jahr um Jahr die stolze Venezia durch ihren Dogen. Am Himmelsahrtstage fuhr er hinaus in die See, warf von prunkvoll geschmückter Barke aus einen Ring hinein und vermählte so die Stadt dem Meere, dem schönsten und — treulosesten Gatten.
Sogar das Ringschenken allein, ohne jede begleitende weltliche oder kirchliche Förmlichkeit, sollte schon diese bindende Kraft besitzen. So meint ein Gewährsmann von 1742:
„Und sind einige der Gedancken, daß wenn eine Manns-Person einem Frauenzimmer einen Ring zumahl vom Werte, überschickt und verehret, die Frauens-Person aber solchen nicht allein ohne Widerrede annimmt, sondern auch an den Finger steckt und trägt, solches schon genug sey, hieraus die unter ihnen geschlossene Verlobung oder ein Ehebündniß zu beweisen. Nach dem bekannten Sprich-Worte: Ist die Jungfer beringet, so ist sie genung bedinget."
Aber nicht nur das Sprichwort, auch das deutsche Volkslied, aus dem ja so wundersam wiederklingt, was je traumhaft durch die Volkesseele glitt, weiß mancherlei vom Ringe zu erzählen. Da zieht der Jüngling der toten Braut den Treuring vom Finger, da ist der Jammer um das zerbrochene
Abb. 11. Sibylle, Gemahlin des Kurfürsten von Sachsen.
Von Lu ras Cranach d. Ä.
1906. Nr. 3.
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