Heft 
(1906) 03
Seite
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Ringlein und die gebrochene Treu, da blitzt aber auch hell­äugig der Humor durch Abschieds- und Trennungsweh:

Kannst grasen am Neckar,

Kannst grasen am Rhein,

Wirf du mir nur immer Dein Ringlein hinein."

Und klingender Jubel endlich bricht aus den Liedzeilen:

Ich Hab' einen Ring an meiner Hand,

Den gab' ich nicht um das deutsche Land

Er kommt von ihren Händen!"

Mehr aber als aus aller Dichtung scheint mir rechte deutsche Art und Ehe aus einer Ringinschrift zu sprechen, die ich des halb getrennt von allen anderen erwähne, weil fast alle bläß­lich sentimental daneben klingen, und weil überdies dieses schlichte Wort mir alles zu umfassen scheint, was der Ehering künden sollte.

Ich meine die Inschrift des Frangipaniringes, dessen Ge­schichte uns Henry Thode so liebenswürdig erzählt hat, daß sie fast wie Dichtung klingt. Was immer auch Menschen ein­ander sagen können, die ein Ewigkeitsgefühl zueinander führt, diese Worte sind das stolzeste und demütigste zugleich, das sie einander entgegenzubringen vermögen. Sie lauten:Mit Willen Dein Eigen".

Die Freunde.

(2. Fortsetzung.) Novelle von Georg

er Professor hatte im Eßsaale einen Tisch in einer Fensterecke bereitstellen lassen, und durch die Aufmerksam­keit des Wirtes war dieser sogar mit einigen bunten Alpen­blumen geschmückt worden. Unweit dieses Platzes war ein kleiner Raum mit zwei spanischen Wänden abgetrennt, hinter denen die für mehrere Tage gemietete Zigeunerkapelle Platz gefunden hatte. Mit Ausnahme einiger alter Damen speisten die meisten Gäste an zwei langen Tafeln, welche die Mitte des großen, hellerleuchteten Saales einnahmen.

Der Raum füllte sich allmählich auf das laute und schrille Zeichen der Hotelglocke mit mehr oder weniger geputzten Menschen; auch Professor Petersen erschien mit seiner Tochter, bald darauf setzten sich die beiden Freunde zu ihnen. Ellen Petersen trug ein weißes, ihren Körper in schlichten Linien umzeichnendes Kleid, das, die jugendliche und elastische Gestalt aufs vorteil­hafteste zur Geltung brachte. Ihr weiches in einfachem Knoten aufgewundenes Haar gab eine anmutige, im Lichtschein fast goldige Umrahmung zu dem frischen Antlitz. Den lebendigen Zügen hätte niemand die Ermüdung nach einer Bergfahrt an- sehen können. Zwei Edelweißsterne hatte sie mit einer kleinen Goldnadel auf der Brust befestigt.

Da sind meine beiden Freunde," sagte sie lächelnd zu den begrüßenden Herren, auf die seltenen Blumen zeigend.

Kellner brachten eilig hin und her laufend die Speisen, und die Musik setzte ein, nachdem noch einmal leise die Geigen ge­stimmt worden waren. Sie spielte gut und mit Feuer, meist Tänze, auch einige ungarische Rhapsodien. Da die Gesellschaft des Professors ganz in der Nähe der Musiker saß, kamen die Töne zu ihr, ohne Zuviel durch den Lärm der Tafel an Stärke und Reinheit eingebüßt zu haben.

Ganz natürlich brachte es der Klang der Instrumente mit sich, daß die Unterhaltung häufig ins Stocken geriet. Keiner bedauerte dies, ein jeder ließ sich vielmehr gern nach seiner Art von den Tönen in den Bann der erregten Phantasie nehmen und im Fluge davonheben.

Unter dem Einflüsse des perlenden Schaumweines und in der stolzen Erinnerung an die gelungene Besteigung, auch im heimlichen Gedanken an die ersehnte Reise nach dem Süden, blitzten die blauen Augen Ellens fröhlich auf, und ein glück­licher Zug verschönerte noch deren natürlichen Glanz. Sie gab sich freudig, den Kopf leise im Takte wiegend, ihren Gedanken hin. Beim Klange der sinnlichen und weichen Melodien, die ihr das Blut schneller und heißer durch die Adern trieben, war es ihr, als schwebte sie leicht über die Schönheiten südlicher Landschaft dahin. Über blaue, wie ein wunderbares Metall schimmernde Wogen ward sie getragen, an gelben, sonnen­heißen Inseln vorüber, vorüber an nickenden Palmen und dunkelen, duftenden Hainen, immer geleitet von heimlicher, halb­lauter Musik. Wie Schwalben flogen die Töne neben ihr her. Hans Steinhof schien ähnlichen Phantasien nachzuhängen,

von der Gabelentz.

während seine Augen oft mit zärtlichen Blicken auf der lieb­lichen neben ihm sitzenden Mädchengestalt ruhten. Die natür­liche Anmut ihrer Bewegungen mit dem erfahrenen, entzückten Blicke des Malers genießend, mit dem Blicke des Malers jede reizvolle Linie ihres Antlitzes, die feingezeichneten Schatten der Augenbrauen, die weiche Rundung ihrer Schultern, ihres Nackens und ihres Halses bewundernd, formte er allerlei selige Zukunftspläne, Pläne, die von Erfolgen und Freuden sprachen, alles aber wollte er mit Ellen teilen. Beim Klange eines von der Kapelle angestimmten Walzers zuckten ihm Hand und Fuß. Wie schön mußte es sein, dies junge Mädchen zu umfassen, sie an sich zu ziehen und mit ihr nach den. Klängen der Zi­geuner über das spiegelnde Parkett eines von tausend Kerzen erleuchteten Saales zu gleiten, den Duft ihres Haares zu atmen, das Klopfen ihres Herzens zu fühlen!

Anders zwang das gedehnte, zitternde Singen der Geigen Unterbauer in seinen Bann.

Ihm war's, als spielten die Bogen auf den gespannten Saiten seiner gereizten Nerven, als peitschten sie sie mit jeden: Schwung, als schnitten sie mit jedem langgezogenen Strich unbarmherzig in die empfindlichste Stelle seines Herzens. Alle Zweifel und alle Schwermut des Verliebten erwachten in ihm, standen auf, quälten sein Herz, ließen sein grübelndes Hirn schmerzhaft unter ihren Griffen zusammenzucken und würgten ihn, daß es ihm fast unmöglich war, von den Speisen zu genießen. Es bedurfte aller seiner Energie, um in den Pausen auch nur zerstreut ein Gespräch mit dem Professor fort­zuspinnen. Er, der sonst das Grübeln und Forschen liebte, fand heute nicht die Kraft und Lust, von der nichts­sagenden Oberfläche der Dinge in deren Kern hineinzudringen. Deutlich und ärgerlich empfand er diese seine Ohnmacht, dies Versagen seines Geistes, eine zweite Empfindung erstand so gleichsam neben der stärkeren, alles durchwühlenden eines inneren Schmerzgefühls über das Hoffnungsarme seiner Liebe. Von Minute zu Minute wurde er einsilbiger. Endlich hielt er es in dieser fröhlichen Umgebung nicht mehr aus. Als der Kellner die Früchte brachte, erhob er sich rasch und verab­schiedete sich, heftige Kopfschmerzen vorgebend.

Er reichte allen die Hand, zuletzt Ellen. Diese aus ihren Träumen auffahrend, behielt seine Finger eine Weile in den ihren und sah teilnehmend und besorgt in sein schmerzlich zusammengezogenes Antlitz.

Kann ich nicht etwas für Sie tun?" fragte sie einfach. Ihr warmherziger Blick aber verlieh diesen schlichten Worten eine Wärme und einen Wohlklang, die dem jungen Manne jetzt unendlich Wohltaten. Auch im weichen Drucke ihrer Hand lag etwas so Mitfühlendes, eine schüchterne Liebkosung, wie sie nur der Druck einer Frauenhand mitteilen kann.

Unterbauers Züge erhellten sich. Er dankte mit gezwun genem Lächeln, er brauche nichts, es werde schon vergehen.