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nach trüben Zeiten voll schwerer Schicksalsprüfungen sich zu erringen suchten?
Welch tiefes, verletzendes Mißtrauen prägte sich in der Haltung der Angehörigen des jungen Seeoffiziers aus!
Der ehemalige Korpsstudent regte sich in ihm. Es war doch noch so viel turor tentonieim in ihm, daß er sich trotzig sagte: nun wollte und mußte er Asta erst recht durchsetzen. Ihre Sache war jetzt die seine.
Aber gleichzeitig dannt empfand er doch den ersten leisen inneren Zweifel an ihr - den er indes kaum vor sich selber wahrhaben wollte.
Das Glück, das ihm winkte, hatte für ihn an Reiz und Glanz verloren, ja, ganz insgeheim bedrückte ihn sogar ein Schuldbewußtsein seiner Tochter gegenüber.
Und schweren Herzens setzte er sich auf die Bahn, um nach Schwarzburg zu fahren. (Fortsetzung folgt.)
Joseph Kmnr.
Cin (Zharakterbück von Uuckolk Pres der.
<Xer größte dramatische Dichter war ein Schauspieler. Und als er seine herrlichste Tragödie schrieb, die Tragödie des Gedankens, die Tragödie des Genies, da stellte er auf den Höhepunkt des Dramas eine Komödie. Eine Komödie in der Komödie. Dem verbuhlten Kronen- THk. räuber von Dänemark und der
^ verführten Königin soll das
k Spiel der Schauspieler der:
listig geschliffenen Spiegel Vorhalten, soll die Verbrecher entlarven, das Zeugnis der rätselvollen Erscheinung auf der Schloßterrasse betätigen und der zögernden Rache die Gewißheit geben: du opferst keine Unschuldigen. Und diesem Schauspiel im Schauspiel, das üb erden Helden und seine Opfer entscheidet, läßt Shakespeare jene weltberühmten Belehrungen an die Darsteller vorangehen. Ein Laie, so scheint's, spricht zu den Berufskünstlern, ein fürstlicher Mäcen zu erfahrenen Komödianten. In Wahrheit spricht Shakespeare, der Schauspieler, der ein Dichter, der Dichter, der ein Schauspieler war, zu seinen Kollegen, seinem Publikum, seinen Feinden. Der mit aller Bildung seiner Zeit gesättigte Prinz findet mitten im heiligen Sühnewerk für den schnöd gemeuchelten herrlichen Vater die Ruhe, ästhetische Regeln für die Kunst festzulegen. Das er scheint unnatürlich. Wer den Mord des Oheims und Königs, die Züchtigung der Mutter sinnt, sollte, so will's uns auf der: ersten Blick bedrucken, nicht Zeit noch Laune haben, über Gang und Gebaren auf der Bühne, über Betonung und Mimik kluge Worte zu sprechen. Es sollte ihm gleichgültig sein, ob die Darsteller des Morddramas den Mund zu voll nehmen und zu viel mit den Händen durch die Luft fahren, da er doch nur das Gewissen des arglistigen Königs in der Schlinge des Schauspiels fangen will. Aber da er nun doch schon mit den Schauspielern verhandelt, schweigt plötzlich der Rachegedanke des beleidigten Sohnes und Kronerben ganz in ihm; er ist nur noch Künstler, Ästhet, der sich, wie oft, guter Masken gefreut, über öde bramarbasierende Kerle geärgert hat. Zm Gedanken an die Kunst, die er mit jugendlichem Feuer liebt, vergißt er das blutige Unternehmen, den: sie diesmal dienen soll. An seines Geistes Auge zieht Gutes und Schlechtes vorüber, was er gesehen, und — als ob den Beifall feingebildeter edelgesinnter Hörer Zu erzwingen und nicht ein Verbrecherpaar durch plumpen dramatischen Überfall rücksichtslos zu entlarven gespielt werde — gibt er, freudig im Lehren und hingerissen von den eigenen oft gedachten Gedanken, die goldenen Regeln der Schauspielkunst. Und wie in keinem anderen Shakespeare- schen Drama der Dichter so sehr den rein objektiven Standpunkt verläßt und mit den Interessen des eigenen Herzens
hinter seinen Helden tritt, wie just im „Hamlet", so hat er an keiner anderen Stelle seiner Werke so persönlich sein Glaubensbekenntnis abgelegt, die Necker und Neider des Globe- theaters mit Wörter: gebeutelt und dem Ungeschmack eines rohen und dreisten Publikums ins Gewissen geredet.
In dieser Szene aber, die leicht und gefällig das Maß gibt, an den: alle schauspielerische Leistung heute noch gemessen werden kann und soll, scheint mir ein wundervoller Prüfstein zu liegen für Kunst, Einsicht und Charakter eines Hamletdarstellers. Der Nuancenhascher wird aus dieser Szene eine große, von vorbildlichen und abschreckenden Gesten begleitete Lektion machen; er wird die Vornehmheit, die er empfiehlt, und die Lächerlichkeit, die er zurückweist, in der Ge bärdensprache charakterisieren. Der Eitle, dem die Eitelkeit über den Dichter geht, wird mit unterstreichender Eindringlich keit das Ganze als eine Rede pro äomo nehmen, wird die Schauspieler, die ihn: Rosenkranz und Güldenstern zugeführt haben, schier vergessen und dem Publikum von heute die Pointen an den Kopf schnellen: „Merkt's, so, wie's hier ver langt wird, spiel' ich!" Der große Künstler aber, der nicht nach Sonderapplüuschen noch nach dem Ruhm „ganz neuer" Auffassung hascht, sondern dem Dichter und der Rolle gibt, was des Dichters und der Rolle ist, wird ganz beiläufig auf diese Dinge zu reden kommen. Er sieht Schauspieler — so füllt ihm das Schauspiel ein. Und da er daheim und auf fremden hohen Schulen über die Kunst viel nachgedacht hat, so steigen ihm, da er, wohl zuni ersten Male,
Schauspieler zu instruieren hat, ganz von selbst alle diese Erwägungen auf, die sich oft seiner Bewunderung, seinem Ärger aufgedrängt und seinem Gedächtnis ein- geprägt haben. Und über dem Wert des Gegenstandes, über
der Freude, sich vor Berufenen darüber aussprechen zu dürfen, vergißt er immer inehr den gräßlichen Zweck dieses festlichen Spiels, das bereitet wird; vergißt immer mehr das Publikum, das er finden, die Bluttat, die es dem säumigen Entschluß
I. F. Langhaus. Marienbad, Phot.
Joseph Kainz.
F, O. Lundt, Berlin, Phot.
König Alfons in der „Jüdin von Toledo".