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zog er dann mit den Meiningern herum, spielte anfangs den Kosinsky, spä- ter den Karl Moor, schuf seinen be- rühmtenPrin- zen von Homburg und wurde rasch bekannt. Es folgten die drei Münchener Jahre, in denen Kainz die fördernde, doch nicht immer bequeme Freundschaft Ludwigs II. erwarb. Dann riefen ihn auf Possarts Vorschlag die So- zietäre an das eben gegründete Deutsche Theater nach Berlin. Da ist es nun interessant, Barnay zu Horen, der als einer der Sozietäre damals Kainzens Ankunft mit großer Freude begrüßte, später allerdings nach der Kontraktbruchaffäre an Barnays Berliner Theater mit dem Künstler zerfiel, aber dennoch als gerechter Beurteiler gelten darf. Er schreibt in seinen Erinnerungen: „Kainz, von dessen Erscheinen auf der Bühne des -Deutschen Theaters' wir uns das Außerordentlichste versprachen, trat zuerst als Ferdinand in -Kabale und Liebe' vor das Berliner Publikum. Der Erfolg war ein ganz guter, blieb aber hinter unseren hochgespannten Erwartungen weit zurück, während er am folgenden Tage als Pylades in Goethes -Iphigenie auf
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Torquato Taffo.
Tauris' geradezu mißfiel. Was in diesen beiden Vorstellungen dem Publikum an Kainz einzig gefallen hatte, war die knabenhafte, überraschend jugendliche Erscheinung und eine Klarheit und Durchsichtigkeit der Diktion, welche wahrhaft erstaunlich war. Da kam die von mir intendierte und geleitete Aufführung von Schillers -Don Carlos' ..."
Dieser Carlos aber entschied. Kainz hatte als liebender und leidender Jnfant — das Stück wurde damals ungestrichen auf zwei Abende verteilt gegeben — das Publikum erobert, das ihn bald zum erklärten Liebling erhob und ihn später häufig in Übertreibungen seiner Gunstbeweise alles Peinliche und Un
gesunde, das mit dem Personenkultus verbunden sein kann, erdulden ließ . . . Ein Jahr später hat der bedeutendste Darsteller der Könige und Herrennaturen auf der Menschheit Höhen das Elend des Verfemten kennen gelernt. Ein vielleicht in nervöser Überreiztheit begangener Kontraktbruch verschloß ihm die großen Bühnen. Auf Wanderfahrten, auf Vorstadttheatern, in den Sälen Amerikas litt er körperlich, seelisch, künstlerisch. Als ihm aber L'Arronge, um seinetwillen aus dem Vühnen- verein airstretend, wieder eine große deutsche Bühne erschloß, gewann seine elastische Natur rasch die Höhe zurück; und bis er 1899, von Schlenther berufen, in seine österreichische Heimat an die Wiener Burg kam, ist er, von den Urteilsfähigen hoch geehrt, von der Menge wild beklatscht, von den Backfischen wahnsinnig umschwärmt, einer der wichtigsten Faktoren im Berliner, ja im deutschen Theaterleben gewesen. Die ersten lebenden Autoren, Hauptmann, Sudermann, Fulda, dankten ihm ihre reichen Erfolge, und den Verehrern der Klassiker war es ein Fest, wenn Joseph Kainz eine seiner klassischen Rollen spielte . . .
Über die Jugend ist Kainz heute hinaus. Er hat von Romeo und Ferdinand Abschied genommen, spielt nicht mehr den Karl Moor an der Burg, sondern den Franz. Aber von: Rollenfach dieses in all' seinem Ruhm stets ehrlichen und bescheidenen Künstlers gilt, was Goethe von seiner Weimarer Direktionszeit gesagt hat: „Von der Tragödie bis zur Posse, mir war jedes Genre recht; aber ein Stück mußte etwas sein, um Gnade zu finden. Es mußte groß und tüchtig, heiter und graziös, auf alle Fälle aber gesund sein und einen gewissen Kern haben." Kainz hat — denn er ist nicht sein eigener Direktor -- nicht nur in guten Stücken gespielt. Aber er hat niemals besser ge- ,
spielt, als wenn er den Großen Großes geben durfte. Und wenn uns kleine Züge seiner Helden von heute im Gedächtnis verblassen, unvergeßlich steht er vor unserem geistigen Auge als Romeo und Hamlet, als Carlos und Karl Moor, als Orest und Prinz von Homburg. Shakespeare, Goethe, Schiller und Kleist haben ihm kaum weniger zu danken als er ihnen. Ich wüßte nicht, welchen größeren Ruhm ein darstellender Künstler erwarten könnte.
W. Hoffert
Richard III.
Das Deutsche Museum.
FF
von Max Haushofer.
/glänzend und ruhmreich hat sich seit länger als einem halben Jahrhundert das „Germanische Museum" zu Nürnberg entwickelt. Ihm zur Seite soll nun eine ähnliche, aber in ihren Hauptzielen verschiedene Gründung treten: das „Deutsche Museum" zu München. Es sollte ursprünglich den Namen führen: Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik. Erst in jüngster Zeit haben seine Gründer den Beschluß gefaßt, ihm die kürzere Bezeichnung als Deutsches Museum zu geben.
Während das „Germanische Museum" in erster Linie eine kunst- uud kulturgeschichtliche Sammlung sein will, soll das neue „Deutsche Museum" eine naturwissenschaftlich-techllische Sammlung werden. Führt
uns das „Germanische Museum" mit seinen reichen Schätzen in das künstlerische Schaffen und in die Gesittung aller vergangener Jahrhunderte unseres Volkes Zurück, bis in die graue vorgeschichtliche Zeit, so soll das „Deutsche Museum" zur Erscheinung bringen, wie die naturwissenschaftliche Forschung, die Technik und die Industrie Zusammenwirken und in ihren hervorragenden Meisterwerken ihren steten und rastlosen Fortschritt erkennen lassen.
Vorbilder für dieses Institut finden sich in Frankreich und England. In Frankreich ist es das Oonservatoire äes arts s.t wetisrs zu Paris, in England die Sammlungen des South-Kensington- Museums zu London. In Deutschland hatten zwar einzelne Landes-