Heft 
(1906) 10
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den Phosphor in Form eines in Wasser unlöslichen phosphor­sauren Kalkes. In diesem kommen auf 1 Teil Phosphorsäure 3 Teile Kalk. Nimmt man hiervon 2 Teile fort, so entsteht ein anderer phosphorsaurer Kalk, der im Gegensatz zum erstgenannten in Wasser löslich ist. Ein solcher phosphorsaurer Kalk ist es auch, der durch Verwitterung im Boden entsteht, ihn nehmen die Pflanzen auf. Wollte man aber etwa feingemahlene Knochen dem Acker zuführen, so würde ihr phosphorsaurer Kalk erst im Laufe vieler Jahre zur Geltung kommen, da die Verwitterung im Boden sehr langsam vor sich geht, und der Landmann würde das Geld, das er dafür ausgegeben hat, so allmählich und in so kleinen Dosen Wiedersehen, daß es wenig Wert für ihn hätte. Ganz anders gestaltet sich aber die Sachlage, wenn man den unlöslichen phosphorsauren Kalk, bevor man ihn dem Boden übergibt, in den wasserlöslichen Zustand überführt; dann wird sich sein den Pflanzenwuchs be­fördernder Einfluß bereits in der nächsten Ernte geltend machen, dann wird der Landmann Freude am Erfolg seiner künstlichen Düngung haben. So ist es denn Aufgabe der Industrie, das Phosphat löslich zu machen. Dieses wird dadurch erreicht, daß man das unlösliche Material mit Schwefelsäure übergießt. Die Schwefelsäure ist eine stärkere Säure als die Phosphor­säure, und in der Chemie gilt unbedingt das Recht des Stärkeren. Berechnet man als Chemiker, wie viel Schwefel­säure dazu gehört, um der Phosphorsäure, wenn sie 3 Teile Kalk festhält, 2 Teile davon fortzunehmen, und setzt die be­rechnete Menge zu, so bekommt man ein Gemisch von wasserlös­lichem phosphorsauren Kalk und schwefelsaurem Kalk. Dieses Gemisch nennt man Superphosphat. Es ist dem Roh­materialüber", es steht höher als das Rohmaterial, ist wert­voller als dieses.

Dem ununterbrochen wachsenden Bedarf an Super­phosphat kann jedoch die alljährlich Zu beschaffende Menge von Knochen nicht genügen. Glücklicherweise findet sich nun mancherwärts auf der Erde auch phosphorsaurer Kalk als Ge­stein. Die Mineralogen nennen es Apatit. Auch dieses liefert durch Aufschließen, so nennt man die Behandlung mit Schwefel­säure, Superphosphat. Ehemals wertlos, ist der Apatit daher heute recht wertvoll. So fand man im Jahre 1886, daß eine Sandgrube des Dorfes Beauval an der Somme, die sicher seit 50 Jahren im Betriebe war, aus sehr phosphat­reichem Sande bestehe. Kurz darnach ist diese Grube für zwei Millionen Franken verkauft worden. Wie man sieht, vermag nicht nur in Südafrika dürrer Fels Gold zu liefern, auch in Europa können durch besondere Glückszufälle Sandgruben zu Goldgruben werden. Gegenwärtig sind die Hauptlieferanten für Rohphosphat Florida in Nordamerika und seit dem Jahre 1898 Tebessa in Algier. Da im letzten Jahre aus Algier 600 000 Tons Rohphosphat ausgeführt wurden, sieht man, von welchem Einfluß dieses Vorkommen zum Beispiel auf den Schiffsverkehr jenes Landes ist.

Auf folgende merkwürdige Weise ist den Landwirten eine weitere billige Quelle für Phosphorsäure erschlossen worden. Viele Eisenerze geben, wenn man aus ihnen das Eisen aus­schmilzt, ein Roheisen von so schlechter Beschaffenheit, daß man aus ihm nur Gußwaren gröbster Art, von denen eine erwähnenswerte Haltbarkeit nicht verlangt wird, Herstellen kann. An eine Über­führung in Stahl oder Schmiedeeisen war gar nicht zu denken, denn diese erwiesen sich infolge ihrer Brüchigkeit erst recht als un­brauchbar. Zwischen den Jahren 1830 und 1840 erkannte man aus den Analysen derartiger Roheisensorten, daß ihr Phos­phorgehalt die Ursache der schlechten Qualität ist. Dadurch kam die Eisenhüttenkunde zur Aufgabe, das Eisen zu ent- phosphorn. Gelöst wurde diese Aufgabe aber erst im Jahre 1879, so viel auch schon darüber vorher gearbeitet war, und zwar fanden die beiden englischen Chemiker Thomas und Gilchrist diese Lösung. Das meiste Roheisen wird heutzutage nach dem von Bessemer im Jahre 1856 angegebenen und nicht mehr zu übertreffenden Verfahren so in Stahl verwandelt, daß man es flüssig in ein birnenförmiges Gefäß gießt und nun

von unten her durch die geschmolzene Masse Luft bläst. Mehrere tausend Kilo Roheisen sind auf diesem Wege in wenigen Mi­nuten in Stahl verwandelt. Der im geschmolzenen Roheisen vorhandene Phosphor verbrennt hierbei zu Phosphorsäure, und nun setzten die genannten Erfinder dem glühenden Bade Kalk zu. Dieser verband sich mit der Säure Zu phosphorsaurem Kalk, und so war der Phosphor aus dem entstehenden Stahl entfernt. Ganz so einfach, wie es hiernach scheinen könnte, ist die Erfindung allerdings nicht gewesen, aber ihr Prinzip ist das hier wiedergegebene. Jedenfalls wurden hierdurch die Werke, die Stahl aus phosphorhaltigem Roheisen herstellten, zugleich Fabrikanten von phosphorsaurem Kalk. Weil nun in Europa fast nur phosphorhaltiges Roheisen gebessemert wird, ist die Menge des hierbei als Nebenprodukt erzeugten phosphor­sauren Kalks sehr groß. Dazu kommt, daß dieser in hoher Glut hergestellte phosphorsaure Kalk die angenehme Eigenschaft zeigt, von den Pflanzen assimiliert zu werden, ohne daß es nötig wäre, ihn vorher mit Schwefelsäure aufzuschließen. Es genügt vielmehr, ihn möglichst fein zu mahlen. In diesem Zustande wird er denn auch zu sehr billigen Preisen an die Landwirte unter dem NamenThomasphosphatmehl" verkauft und von ihnen in erstaunlich großen Mengen verbraucht.

Außer Phosphorsäure brauchen also die Pflanzen vor­nehmlich Kali; auch an diesem pflegt in den Ackerböden gerade kein Überschuß vorhanden zu sein. Das gesanrte Kali nun,

das die Landwirtschaft als künstliches Düngemittel ver­

braucht, liefert Deutschland, denn allein in Deutschland gibt es Kalibergwerke, jedoch bisher nur bei Staßfurt in der Nähe Magdeburgs. In Staßfurt wurde schon im Mittelalter aus salzhaltigen Quellen Kochsalz hergestellt. Die umliegen­den Kleinstaaten vernichteten aber schließlich diese Industrie durch übermäßig hohe Zölle. Schließlich boten die Besitzer, da sie den Betrieb kaum mehr aufrecht erhalten konnten, ihre Gerechtsame dem Könige von Preußen als ihrem Landes­herrn an, und der Fiskus kaufte auch im Jahre 1796 das Salzwerk. Aber erst nach den Befreiungskriegen kam es wieder Zu einem regelmäßigen Betriebe. Allmählich ent­schloß man sich jedoch, statt die zutage tretende Salzsole

zu versieden, lieber nach dem im Boden liegenden Steinsalz

zu suchen, um es bergmännisch direkt in fester Form zu gewinnen. Dabei zeigte sich nun, daß in jener Gegend über dem eigentlichen Steinsalz bittere Salze lagern, eine Er­scheinung, die sonst nirgends beobachtet wird. Die Unter­suchung der letzteren ergab, daß es sich um Kalisalze handelt. Da diese recht unrein 'sind, müssen sie erst gereinigt werden, was durch Ümkristallisieren erreicht wird. Daraus hat sich die gewaltige Kaliindustrie in jener Gegend entwickelt, die, weil die Vorräte an rohen Kalisalzen geradezu unerschöpflich sind, jedes beliebige Quantum von ihnen der Welt zur Ver­fügung stellen kann. Diese Industrie stellt auch viele der Verunreinigungen" der rohen Kalisalze in reinem Zustande dar, weil andere Industrien sie brauchen können. Dahin gehört z. B. das Brom, das in Form von Bromsilbergelatine­emulsionsplatten den Liebhaberphotographen zu so schönen Erfolgen verhilft.

Jetzt haben wir noch kennenzulernen, in welcher Form man den Pflanzen wasserlösliche Stickstoffverbindungen zuführt. Dieses geschieht auf zweierlei Art, nämlich entweder in Form von Chilisalpeter oder von schwefelsaurem Ammoniak. Schon der Name kündigt uns den Ursprung des Chilisalpeters an. In jenem Lande gibt es weite Strecken, in denen es niemals regnet, und der ganz unfruchtbare Boden ist dort reich an Salpeter. Kocht man ihn mit Wasser aus, so geht der Salpeter in Lösung, und zieht man die heiße Lösung von den ungelöst gebliebenen Bodenbestandteilen ab, so kristallisiert aus der erkaltenden Lösung der Salpeter aus, der nach dem Trocknen das künstliche Düngemittel darstellt.

Das schwefelsaure Ammoniak liefern die Gasanstalten und die Kokereien, die die Koks zum Ausschmelzen des Roheisens liefern. Wir sehen, die Eisenindustrie alsobefruchtet" durch Zwei