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Im Nachbarsgarten. Gemälde von Carl Hartmann.
erreichbar, die eingeweiht waren in die Geheimnisse des Walzers, oder des Konters, oder der Zierlichen Figuren der Quadrille — nur für ihn verloren.
Da saß er, und die Ernüchterung kroch langsam über ihn her. Das junge Ehepaar, das noch leidenschaftlich mitgetanzt hatte, war nicht mehr zu sehen, und Arnold Schmidt dachte endlich, daß es nun wohl auch für ihn Zeit wäre, sein Martyrium zu beenden.
Der allerletzte Schimmer war nun auch verloschen: die schmerzliche Wonne, die leichte, weiße Gestalt dahinschweben Zu sehen. Eine Weile wartete er noch. Vielleicht daß sie wieder auftauchte unter den Tanzenden. Als das aber nicht geschah, ergriff ihn ein wahrer moralischer Ekel vor diesem zwecklosen Herumhüpfen von Männlein und Weiblein, dieser blödsinnigen Fiedelei und Dudelei, vor diesen aufgeputzten Modepuppen, diesen albernen, befrackten und uniformierten Menschen. Und — jeder Zoll ein Weltverächter, dem das ganze Leben auch nicht einen Pfifferling galt, stürzte er blindlings aus dem Saale, der Garderobe zu, und — rannle an einen Menschen an, der, im Überzieher, den blanken Zylinder auf dem Kopf, wie wartend dort in der Tür stand.
„Donnerwetter, Nolte!" sagte eine Stimme, die ihn augenblicklich zur Besinnung brachte. Er sah auf, erkannte Fritz Siebmacher, stammelte ein dumpfes „Entschuldige!" und wollte weiter, um Überzieher und Hut vom Nagel zu nehmen.
„Mensch!" rief ihm der Amtsrichter entgeistert nach, „wo willst du hin?" Und er packte ihn beim Ärmel und hielt ihn fest.
„Fort!" knurrte Arnold Schmidt verbissen, „nach Hause! Ausschlafen! Vergessen, daß ich Esel eselhaft genug war, in eine Gesellschaft zu gehen, wo Leute meines Schlages nicht hingehören, wo . . ."
„Arnold!" sagte da der Amtsrichter mit einer milden, mit leidigen Stimme, die dein Tiefverstimmten guttat, wie sanftes Streicheln einem aufgeregten Pferde, „lieber Junge, das ist ja alles Blech, was du da redest. Komm, setz dich mal. Die kleine Herta nimmt Abschied von ihrer Mutter. Es kann noch 'ne Weile dauern. Sie schluchzten beide, daß ich's nicht länger mit anhören konute. Und nun sage mir um Himmels willen, Mensch, alter Junge — Spielgenoß von damals — was ist dir denn bloß in die Krone gefahren?"
Arnold hatte sich von Fritz Siebmachers Hand zu befreien gesucht. Aber der ließ nicht locker und zog den Wider- strebenden auf eine Holzbank nieder, die in einem Winkel neben der Tür stand. Kopfschüttelnd betrachtete er den stattlichen Freund, der mit bärbeißiger Miene vor sich hinstarrte, an seinem Schnurrbart zerrte und in trotzigem Schweigen verharrte.
Eigentlich hätte Fritz Siebmacher sich ja nun schauderhaft über Arnold Schmidt ärgern müssen: ja, er hätte sich — als Korpsstudent und Reserveoffizier - beleidigt fühlen und Rechenschaft fordern können für dies ganz unqualifizierbare Benehmen. Aber in seiner Seele war heut kein Raum für niedrige und alltägliche Gefühle.
„Nolte," sagte er weich, „was soll ich nun bloß von dir denken?"
„Denke, was du willst/' knurrte ihr: Arnold Schmidt grimmig an. „Hab ich dir's nicht vornusgesagt? Warum konntest du mich nicht lassen wo ich war? Bei meiner Arbeit, die mir alles ist! In meiner Klause, wo kein Mensch von mir verlangt, daß ich die Beine schwingen und wie ein Ver rückter Herumwalzen soll! Wo ich, wie sich's für einen ge setzten, ernsthaften Menschen gehört, zeichnen oder'n Buch lesen oder mir ein Lieblingsstück vorklimpern kann — dazu hat ja die ,Erziehung^ glücklicherweise noch gereicht. .
„Arnold - Mensch . .
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