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„Nein!" Das war ihr Nein. Ihr festes, eisernes Nein. In diesem einen kleinen Wort lag der ganze Mensch: die entschlossene Abwehr gegen alles Verschwommene, Zweideutige, Häßliche, aber auch ihre glühende Bejahung des Guten und Schönen, das sie überall zu finden wußte, und läg's halb verscharrt im Schmutz der Straße.
„Nein!" wiederholte sie mit etwas spöttischem Lächeln über sein erstauntes Entzücken. „Und es wundert mich — offen gestanden —- nach allem, was wir zusammen gesprochen haben, daß Sie das wundert. Aber" — sie warf einen schnellen Blick auf die kleine brillantenbesetzte Uhr, die sie im Armband trug — „es ist die höchste Zeit, daß ich nach Hause fahre. Mama wird sich schon ängstigen."
„Gnädiges Fräulein, welch ein Glück! Mein Wagen wartet!"
„O, es sind immer Wagen vor der Tür."
„Aber ich bitte Sie inständigst ..."
Sie warf den Kopf ein wenig zurück — er sah, sie hatte ein Nein auf den Lippen, das sie nicht sprechen durfte — um keinen Preis der Welt.
„Sie dürfen mir diesen kleinen Dienst nicht verwehren, mein teures, verehrtes Fräulein!" rief er so zwingend und gebieterisch, daß sie ihn erstaunt ansah. „Ich berufe mich auf meine Brautführerpflichten!"
„Ach — die . . .?" Sie schüttelte spöttisch lächelnd den Kopf. „Ich bemühe nicht gern jemand, der ..." sie zögerte und sah ihn überlegen an.
„Der . . .2 Sagen Sie's nur dreist!" brach er
stürmisch los, „der sich wie ein Hottentotte, ein Australneger, ein Kanadier, der Europens übertünchte Höflichkeit noch nicht kennt — gegen alle Gesetze des Damendienstes vergangen hat!"
„O — o . . ." machte sie beschwichtigend, „ganz so schlimm war's doch nicht ..."
„Aber doch — schlimm — nicht wahr?" Er spähte nach einem Zeichen, daß sie nicht ganz böse, nicht ganz gekränkt sei. Und da sah er, wie einen Blitz, ein kleines, schelmisches Zucken ihr um die Lippen huschen.
„Schlimm allerdings, Herr Schmidt. Aber da es wirklich zu Ihren verbrieften Rechten gehört, mich heil und trocken — hören Sie, es regnet — in der Bleibtreustraße abzuliefern, so nehme ich Ihr Anerbieten an."
Und harmlos, in ihrer alten Unbefangenheit plaudernd, ließ sie sich von ihm die Treppe hinabbegleiten und in den herbeigerufenen Wagen heben.
Arnold Schmidt aber, dieser ehrlichste und geradeste aller Menschen, der nie in seinem Leben die Hand geboten hätte zum unschuldigsten Komplott — er machte sich kein Gewissen daraus, dem Kutscher heimlich ein großes Geldstück zuzustecken und ihm zuzuraunen: „Nicht gleich nach Hause! Einen tüchtigen Umweg, mindestens eine halbe Stunde, und dann . . ." hier erhob er, schon mit einem Fuß im Wagen, die Stimme: „Bleibtreustraße 10!" (Schluß folgt.)
WM
Are Koffestlichkeiten in Werlin. (Mit der untenstehenden Abbildung.) Der 27. Februar war für unser Kaiserhaus ein doppeltes Fest. An dem Tage, da das Kaiserpaar die 25. Wiederkehr seines Hochzeitstages feierte, beging der zweite Sohn, Prinz Eitel Friedrich das Hochzeitsfest. So herzlich die Teilnahme des ganzen deutschen Volkes an dem Glück und Segen der kaiserlichen Familie ist, die Berliner haben das Vorrecht, an solchen Tagen die Gefühle des ganzen Volkes zu vertreten. Stundenlang stehen sie und warten auf der
Straße, um ein bißchen von all dem Staat und Glanz zu erhaschen, und dabei werden sie schließlich selbst gewissermaßen zu Hochzeilsgästen. Der Tag der Einholung am 26. Februar verlief ähnlich wie der, an dem die Braut des Kronprinzen im vorigen Sommer in Berlin ihren Einzug hielt. Wenige Minuten vor zwei Uhr traf der Sonderzug auf dem Lehrter Bahnhof ein, der die Großherzogin sowie den Erbgroßherzog von Oldenburg nach Berlin brachte. Kaum hatten die Herrschaften den Bahnhof verlassen, um sich nach dem Schloß Bellevue zu begeben, als
Die Ansprache des Oberbürgermeisters Kirschner am Pariser Platz.
Vom Einzug der Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg in Berlin am 26. Februar.