Heft 
(1906) 14
Seite
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Vulkanausbruch.

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Jedes Trümmerstück, das ich aufhob, hatte seine charak­teristische Form: die Form eines zu Stein erstarrten Tieres. Bald war es das Bruchstück eines Korallenbaues, das sich darbot, bald die muschelähnliche Schale eines meerbewohnenden wurmähnlichen Tieres, bald zierliche Säulchen, die in kleine Ringelchen zerfielen, wunderliebliche Miniaturarbeit der Natur, die der geübte Blick aber sogleich als die Stiele schlanker See­lilien (also festgewurzelter Tiere aus der Verwandtschaft unserer ! Seesterne) erkannte. Das alles heute grau im Grau, zu Stein gewordnes Leben. Die Trümmer lagen so dicht gedrängt, daß man sagen konnte, dieser ganze hier zufällig angeschlagene und dadurch teilweise aufgelöste Fels bestand nur aus solchen Lebensresten. Eine einzige Schädelpyramide war er, ein Kirch- ! Hofsgrund aus eitel Totengebein. Mein Blick maß die Höhe ! des Abhangs hinauf. Er maß im Geiste, wie dieser Fels von Berg zu Tal stieg und unter der Talsohle in der Tiefe ver­schwand. Und das alles ein Kirchhof von Leben!

Meine Gedanken wanderten zu den Stätten, wo heute noch ähnliche Meergeschöpfe leben. Ich dachte an die Muschelbänke ! der Nordseeküste. Weite Felder, bedeckt Kopf an Kopf mit ^ blauen Muscheldecken. Ungezähltes anderes Getier, rote See- ! sterne, bunt schillernde Würmer, possierlich hüpfende Krebschen, ! kletterte darüber hin. Ebbe und Flut wechselten darauf. Geschlechter starben, andere siedelten sich darüber an. Dann kam die Sturmflut und warf Sand hinein. Aus blühenden Tierstätten wurden Katakomben voll Gebein. Die Zeiten gingen. Die Muscheln wurden zu eisenharter Kalkmasse in eisenhartem Stein, Zu dem sich der alte Schlamm und Sand verbackten.

Hebungen brachten die ganze Masse aus dem Grunde hoch ans Land herauf, formten sie zu Bergen. Eine Straße schnitt ein, und aus dem Fels bröckelte das Muschelwerk.

Auch hier bei Gerolstein war einst Meergrund gewesen. Ungezähltes Getier bevölkerte ihn. Wenn die Ebbe ihn zeit- weise entblößte, drängte es sich in beängstigendem Gewimmel von tausend und tausend zappelnden, nach Luft ringenden, anklebenden und zertrocknenden Mißgestalten, Wesen wie Sterne, wie durchsichtige Glasglocken, irisierende Gummischläuche, wie hüpfende Flöhe oder vielbeinig zappelnde Tausendfüße. Eine einzige zu lange, zu tiefe Ebbe und ein ganzes Geschlecht starb ab, verfaulte bis auf seine harten Panzerteile, bildete zusammen gebacken zukünftigen Stein voller Tierabdrücke. Lebende Berge sah ich so wimmeln, die tote Berge ergeben hatten. Wann das war?

In Urweltstagen. Diese ganze Eifel war wilder Urwelts­boden. Da oben lagen die schwarzen Glasschlacken von Lava­strömen, die noch in gar nicht so ferner Zeit rotglühend aus dem Berggipfel dort gequollen waren. Ich war in den allen Krater des Mosenbergs geklettert, wo der gelbe Ginster auf gespenstisch öden Aschenfeldern wuchs, genau so, wie ich ihn einst am Ätna gefunden. Mittel: im Lande senkten sich über­all die Maare, runde Seekessel, plötzlich ein: jetzt wassergefüllte, tote Explosionskrater, wo einst vulkanische Gase- in stürmischer Eruption den Boden gesprengt. Wie viel wüste Katastrophe:: mochte dieses Fleckchen revolutionärer Erde gesehen haben! Schreckenskämpfe des Wassers und des Feuers, wie jenes ent­setzliche Platzen des Krakataua-Vulkans an der Sundastraße in unserer Zeit, wo der Ozean sich in einen feuerspeiende:: Lava-