Heft 
(1906) 14
Seite
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lrater ergoß und den furchtbaren Kessel zur Dampfexplosion brachte. Was wir Menschen schaudernd in unfern Annalen als einmal in Jahrtausenden geschehen verzeichnen, wie oft mochte das in dieser langen Urwelt geschehen sein.

Doch das blaue Meer, in dem diese Tiere hier gewimmelt hatten, war noch viel alter als all dieser Höllenspektakel. Die Art seiner Tiere selbst bewies es. Eine lange Kette von Jahr­millionen trennte uns von ihr. Diese Vulkane hatten getobt. Die Ichthyosaurier waren herumge­schwommen. Die grünenFarnwälder, aus deren schwar­zem Moortorf unsere Steinkohlen gewor­den sind, waren gewachsen, ver­morscht, begraben worden. Das reichte aber alles noch nicht.

Noch weiter mußte die Uhr zurück, vor all diese Weltperi­oden zurück. Wie soll die Welt aus­seh en, wenn man so weit, so weit zu­rückgeht? . . .

Hier fiel mein Blick auf eines ber­ücken Trümmerstücke selbst. Ein beson­ders auffälliger An­blick bot sich in ihm dar. Der Leib eines Tieres, am meisten erinnernd an die spaßhafte Gestalt unserer kleinen Kel­lertiere oder Keller­esel, bloß viel größer.

Auch hier war ein harter Leibespanzer in zierliche Ringel geteilt, die dann zwei tiefe Längs­schnitte noch einmal in drei Hauptteile zerkerbten. Deutlich hob sich der breite Kopf gegen diesen Ringelleib ab. Bei dem lebenden Tier

angelte von der Bauchseite wohl auch hier ein Gewimmel kleiner Beinchen, wahrend ein Fühlerpaar voraus tastete. Unsere Kelleresel sind trotz ihres Landaufenthalts echte Krebse. So mochten auch diese Urweltler zum Krebsgeschlecht zählen. Trilobiten hat man sie genannt. Zahllos liegen ihre Reste in diesem Eifelgestein. Die Ebbeufer mögen von ihnen damals gewimmelt haben, wie heute unser Nordseestrand von den Flohkrebschen, einem ewig beweglichen, schwimmenden, kletternden, krabbelnden, sich überpurzelnden, endlos zappelnden Volk, dem noch keine gefräßigen Seevögel nachstellen konnten, denn es sollten noch viele Jahrmillionen vergehen, ehe es einen ersten Vogel auf der Erde gab. Tausende mögen aber gelegent­lich in der Sonne verschmachtet sein, wenn das Flutwasser sie nicht rasch genug wieder holen wollte. So gerieten auch ihre toten Panzer in den hüllenden Sand, der sie endlich als Fels bewahrte. Oft mögen sie sich auch an besonderes ge­schütztem Fleck freiwillig gehäutet haben, wie unsere Krebse es

uroch tun: dann bildeten sich im Laufe der Generationen dort Hügel aus abgelegtem, leerem Panzerwerk, das heute im Fels die Gestalt ganzer Tiere voräfft, mit Stein gefüllt gleich den vollständig begrabenen Leibern, wie es ist.

Dach mein Auge haftete an dem Trilobiten, den der Zu­fall mir gerade einzeln beschert. War er auch diesen Sonnen­tod des Verschmachtens auf trockenem Strande gestorben? An seinem dicken Kopfschild saßen zwei große Augen. Wer je

das Auge einer Flie­ge in einem Mikro­skop gesehen hat, kennt den seltsamen Bau eines solchen Auges: wie es aus vielen Facetten zu­sammengesetzt ist, den geschliffenen Brillanten unserer Ringe gleich. Ein solches Facetten­auge wies mir auch mein Trilobit, bloß ein so großes, daß man die Facetten­löcher als deutliches Gitterwerk mit dem bloßen Auge sah. Deutlich mit ver­steinert, sahen diese Augen mich noch jetzt nach so viel Jahrmillionen starr und groß an. So mußten sie einst zum Licht gestarrt haben, vielleicht noch in das unliebsam grelle Sonnenlicht in ihrer Todesstunde.

Licht war also damals schon da­gewesen! Undenk­liche Zeiten, ehe der Mensch die Erde be­treten hatte! Durch­scheinendes Licht hatten diese Augen der Trilobiten sich schon eingefangen in ihrer Wasserheimat.

Solche Trilo­biten gab es aber damals auf der Erde selber schon wieder seit schier unendlicher Zeit. So abgrundweit in der Zeit dieser Kalkstein von Gerolstein unter Menschentagen liegt: er bildet schon einen hohen Gipfel für das, was vor ihm kam. Zu der sogenannten Devonperiode zählt man ihn. Ihr geht voraus die gewaltig lange Silurperiode. Und der wieder das noch viel längere sogenannte Cambrium. In all diesen Zeiten blühte bereits das Trilobitengeschlecht. In unzählige Einzelarten hatte es sich zerspalten darin. Allerlei Anpassungen hatte es versucht. So alt, so um­getrieben und durchgerüttelt durch alle Sorten von Erlebnissen und Situationen war dieses sonderbare Krebsvolk schon ge­wesen, daß einzelne seiner Vertreter in der Zwischenzeit sogar ihre Augen nachträglich wieder abgeschafft hatten. Wie wir heute blinde Küfer in der dunkelen Adelsberger Grotte haben, die ihre Augen haben verkümmern lassen, so finden sich Trilo­biten, die infolge einer besonderen Lebensweise, sei es im Schlamm, sei es in der ewig finsteren Tiefsee, den ganzen

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Trilobiten.