Heft 
(1906) 14
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Verdacht hat auch ein Vierteljahr nach diesem Verkauf, als die Lethe! bei euren: Rennen in New Port versagte, Graf Uslarn-Wichtenbruck, der unter dem Buchstaben II. in einem angesehenen Sportblatt schrieb, ausgesprochen. Hatten Sie damals Kenntnis von dem Artikel des Grafen Uslarn?"

Jawohl!"

Sie haben keinerlei Schritte unternommen, um gegen den Verdacht anzukümpfen?"

Nein!"

Wollen Sie uns die Gründe dafür angeben?"

Damals fühlte ich mich eben über derlei Anzapfungen erhaben. Erhaben, denn meine Stellung schützte mich. Es sind mehrmals ja auch andere Verdächtigungen gegen mich erhoben worden, ohne daß ich davon Notiz nahm. Zum Beispiel die, ich hätte mir Angestellten gegenüber schwere Miß­handlungen zuschulden kommen lassen. Ich amüsierte mich bloß über die Ohnmacht dieser Klatschereien. Ernst nahm ich sie nicht. Meine Vorgesetzte Behörde untersuchte wohl ab und zu solch einen Fall, stets erfolglos. Es verging kein Halb­jahr, in dem ich nicht Gegenstand hämischer Angriffe gewesen wäre. Das waren Feinde, Neider, auch unbrauchbare Stall­leute, die ich davongejagt hatte. Rigoros war ich, das streite ich nicht ab. Hätte ich auf derlei Vorwürfe jedesmal mit einer Klage antworten wollen, so wäre ich aus dem Prozessieren gar nicht mehr herausgekommen."

Aber es' heißt, Ihre Vorgesetzte Behörde wäre mit Ihrer abwartenden Haltung in dieser Angelegenheit durchaus nicht einverstanden gewesen."

Das stimmt. Ich befand mich mit dem Grafen Rottwyler, meinem direkten Vorgesetzten, darin in striktem Meinungs­gegensatz. Seine Forderung, ich sollte meine Schuldlosigkeit beweisen, erschien mir als ein unberechtigtes Mißtrauensvotum. Es kam darüber zu einem heftigen Streit, in dem ich wohl zu weit ging. Diplomat bin ich nie gewesen. Graf Rottwyler reiste noch in der Nacht nach unserm Rencontre nach Berlin, und anderen Tags erhielt ich telegraphisch meine Entlassung."

Sie beruhigten sich dabei?"

Das könnte ich nicht behaupten. Ich reiste sofort gleich­falls nach Berlin und hatte mit dem Grasen Rottwyler ein zweites, noch schärferes Rencontre in seiner Wohnung, das sehr, sehr böse geendigt hätte, wenn ich im Besitz meiner Reit­peitsche gewesen wäre. Ich gebe zu: ich war wie von Sinnen damals. Ich hatte geradezu vergessen, daß ich Kavalier war." Er seufzte.Ich habe diesen Fehltritt dann auch nicht wieder gutmachen können."

Graf Rottwyler, der jetzt in Madrid bei der Botschaft ist, hat uns das Aktenmaterial zur Verfügung gestellt. Es heißt darin allerdings wörtlich: Sie hätten jede weitere Aussprache durch Ihr brüskes, geradezu unqualifizierbares Verhalten un­möglich gemacht."

Ich war allmählich in eine solche Wut geraten, daß mein Auftreten damals mehr als kopflos gewesen sein muß. Manches davon bedauere ich heute manches auch nicht. In meinem ersten Zorn wünschte ich darauf die ganze Sache, die mich nachgerade schon anwiderte, zum Deibel, ich fand überall ver­schlossene Türen, klopfte also den Staub von meinen Pan­toffeln und verließ das Land. Später Hab' ich's ja oft genug bitter bereuen müssen. Aber der Grund meiner Entlassung war, wie gesagt, nur mein derbes, rücksichtsloses, cholerisches Draufgängertum damals, das sich mit meiner Stellung aller­dings nicht vertrug."

Wenigstens war es der äußere, letzte Grund!" schaltete Doktor Heinroth ein.

Der Vorsitzende verbat sich Zwischenbemerkungen Sixt von Soter blickte mit gelassenem Spott auf den dicken, kleinen, feuerroten Herrn, den er um gut zwei Köpfe überragte.

Wollen Sie sich nun darüber äußern, Herr Zeuge, wann in Ihnen zum erstenmal der Verdacht aufstieg, daß das um­laufende Gerücht auf Wahrheit beruhen könnte?"

Eigentlich erst, als mein Schwiegersohn, der Freiherr von Gamp, von seiner Auslandsreise nicht mehr zurückkam und als ich erfuhr, daß er seinen Abschied genommen hatte. Denn das war ohne mein Wissen erfolgt."

Seine Absicht, den Abschied einzureichen, hatte er Ihnen gegenüber auch früher niemals geäußert?"

Nein!"

Wie faßten Sie nun die Sache auf?"

Anfangs dacht' ich, die Schulden Hütten ihm den Boden zu heiß unter den Füßen gemacht."

Hatte er große Schulden?"

Ja!"

Leichtsinnige Schulden?"

Soter zuckte die Achsel.Schulden sind in den Augen der Mehrzahl immer leichtsinnig in diesem Falle waren sie wohl ein notwendiges Übel. Meine Hoffnung, das junge Paar so, wie ich's versprochen hatte, unterstützen zu können, erfüllte sich nicht."

Sie waren also gleichfalls verschuldet?"

Stark verschuldet."

Er sagte das mit einem nur halb unterdrückten, fast etwas humoristischen Stoßseufzer, so daß eine leichte Heiterkeit im Publikum entstand. Seine derbe, landjunkerliche Darstellungs­weise und der cholerische Unterton gaben seinem Wesen den Stempel ungeschminkter Offenheit. Die Sympathie für ihr: war unverkennbar. Sie steigerte sich, als bei den nächster: Fragen des Vorsitzenden, die sein Verhältnis zu Theo von Gamp betrafen, eine Gemütsregung zum Durchbruch karr:, die man bei ihm nicht vorausgesetzt hatte.

Sind Sie nun heute davon überzeugt, daß Ihr Schwieger­sohn seinerzeit deshalb so überraschend plötzlich den Abschied genommen hat, weil er fürchten mußte, er würde ihn späterhin vielleicht nicht mehr in Ehren bekommen?"

Herr Vorsitzender, diese Frage bürdet mir eine zu schwere Verantwortung auf. Mein Schwiegersohn hat seine Frau allerdings in einem Augenblick verlassen, wo wir über ver­zweifelt geringe Barmittel verfügten. Ich gebe zu: ich war ihn: all' die Jahre über sehr gram. Denn es ist uns beiden ganz miserabel ergangen. Was ihn damals fortgetrieben hat, darüber steht mir ein Urteil aber nicht zu. Jedenfalls hat er mir keine direkte Veranlassung gegeben, an eine solche Täuschung zu glauben, wie sn ihm vorgeworfen wird."

Sie selbst waren damals während des ganzen Monats Juni in Berlin und nicht auf dem Gestüt?"

Jawohl," sagte er mit Nachdruck,ich war mit meiner Tochter während des ganzen Monats Juni in Berlin und nicht auf dem Gestüt."

Wieder ging eine kleine Bewegung durchs Auditorium. Der Anwalt Doktor Heinroths erhob sich, um eine Frage zu stellen:Es ist aber wiederholt behauptet worden, gerade in der Zeit, in der das für die Lethe! ausgegebene Pferd de:: Stall verließ, wären Sie, Herr Zeuge, auf dem Gestüt an­wesend gewesen."

Die Gunst, meiner Aussage durch die Vereidigung den nötigen Nachdruck zu geben, ist mir ja leider nicht bewilligt worden. Ich muß es Ihnen also, Herr Rechtsanwalt, anheim­stellen, mir zu glauben oder nicht. Vielleicht ergibt die Unter­suchung Näheres. Zeugen vermag ich heute freilich nicht mehr anzugeben."

Der Vorsitzende schnitt weitere Zwischenfragen mit der Bemerkung ab:Zu diesem Teil der Aufnahme kommen wir später. Wir vernehmen zunächst Mr. Bright, den Bereiter des Mr. Patterson, der die Lethel in Harnburg von Hern: von Gamp in Empfang genommen, nach New Jork über- geführt und dort drei Wochen lang im Training gehabt hat/'

Während der Jockey eintrat, ein hageres, ziemlich kleines Herrchen mit etwas krummen Beinen, besprach sich der Vor­sitzende mit dem gerichtlichen Dolmetscher.

(Fortsetzung folgt.)

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1906. Nr. 14.

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