Heft 
(1906) 14
Seite
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Heißhungrig ihr Giftzahn hackt und kratzt. Bis die fesselnde Mauer wankt und platzt.

Jetzt faucht sie heran mit schlitterndem Stoß, Es schwankt des Berges Niesenschoß.

Mordend sie durch die Schächte schnaubt,

In jedem Stollen züngelt ihr Haupt.

Ein Schrei durchgellt die Gänge des Baus, Zweitausend Lampen löschen aus.

Den Alten begräbt ein stürzendes Stück,

Der Junge flieht und schaut nicht zurück.

Er stößt sich blutig, gewinnt die Kehr,

Der höllische Atem hetzt hinter ihm her.

Nur weiter, weiter! Schon grüßt ihn ein Schein, Die Feuerschlange quillt hinter ihm drein.

Versengt die Füße, wimmern da zwei:

Hilf Bruder!" Ein Karren steht dicht dabei.

Er packt sie hinein in hurtiger Hast

And zerrt und flieht mit der fünffachen Last.

Da grüßt ihn das Licht, des Tages Gold Gerettet der Karren ins Freie rollt.

Geblendet das Auge, verwirrt der Sinn, Ohnmächtig schlägt er zur Erde hin.

And als er frierend und fiebernd erwacht, Durchlachen sechs Flammenhäupter die Nacht.

Es fuhren fünfzehnhundert ein Zwölfhundert fraß das Feuer! Weitleuchtend höhnt ins Land hinein Das lodernde Angeheuer,

And über die Fluren ein qualmendes Meer Ergießen die dunklen Mächte;

Von Witwen und Waisen ein ganzes Heer Ambrandet aufjammernd die Schächte.

Da kommen die Netter, mit starker Hand Dämpfen sie mutig die Flammen!

Männer sind es aus deutschem Land;

Die Not schweißt Völker zusammen.

Sie fahren ein, behelmt und bewehrt.

Zu fesseln den rasenden Tiger,

And ringen und kämpfen für gallischen Herd, Schwertlose, germanische Krieger.

Die Namen! Die Namen! Gebt sie heraus! Die Namen wollen wir wissen!

Wir wollen wissen, wo Trauer im Haus And wem der Ernährer entrissen!" Nettet! Nettet!" Den Eingang bewacht Ein Glutenstrom rauchend und lohend; Vom Himmel weint die stumme Nacht, And Fäuste ballen sich drohend.

Sie steigen hinab, sie steigen empor!

Nur Leichen können sie bergen.

And stärker schwillt der Klagen Chor,

Es wachsen Hügel von Särgen;

Man bringt sie an den letzten Ort,

Die Flamme sinkt müder und müder,

And über den Gräbern schwebt das Wort: Brüder deutsche Brüder!"

LiMrr aus der Entwicklung von Nordamerika.

Non Ernlt von tzesle-Wlartegg.

as machtvolle Auftreten der Bereinigten Staaten von Nordamerika in allen Weltteilen und auf allen Gebieten in der letzten Zeit muß gerechtes Erstaunen erwecken. Noch zur Zeit unserer Großväter wurden die Vereinigten Staaten als nicht viel mehr denn etwa heute Kanada oder Brasilien an­gesehen, ein Land von ungeheurer Ausdehnung, aber mit spär­licher Bevölkerung und spärlichen Hilfsmitteln ohne irgend welchen Einfluß auf die Weltpolitik. Heute ist es einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste Faktor in dieser geworden, mit entscheidender Machtfülle, die sogar in den alten Kulturländern Europas immer mehr zum Ausdruck kommt. Amerikanischer Einfluß ist nicht nur in Zentral- und Südamerika heute maß­gebend, er zeigt sich in Ostasien, Australien, in der ganzen Südsee, wie im Karaibischen Meere, er beherrscht den nördlichen Stillen wie den Atlantischen Ozean; amerikanische Kriegsschiffe haben an den Dardanellen die Türkei zur Beachtung ihrer Verpflichtungen gezwungen, amerikanische Staatsmänner nehmen an den Verhandlungen um die Zukunft Marokkos teil, und die politische Macht der Vereinigten Staaten ist so gestiegen, daß

selbst in den ganz selbständigen Staaten Südamerikas die europäischen Großmächte nichts mehr unternehmen, ohne sich vorher mit der Vormacht der Neuen Welt ins Einvernehmen zu setzen, sie gewissermaßen um Erlaubnis zu fragen. Auf dem Wege nach den Ländern des fernen Ostens haben sich die Vereinigten Staaten Etappen geschaffen, sie sind in Westindien wie in den chinesischen Gewässern zur Kolonialmacht geworden, ja selbst in Afrika ist die Negerrepublik Liberia nicht viel mehr als ein Schuhstaat dieser mächtigen Vormacht der Neuen Welt. Stolz hat der letzte Staatssekretär des Auswärtigen ihre Vertreter angewiesen, sich einfach alsamerikanische Botschafter", amerikanische Konsuln" zu nennen, als gäbe es in der Neuen Welt keine andere Macht denn jene der Vereinigten Staaten.

Wie in der Politik, so beeinflußt dieses neue Amerika die Welt auch durch seiner: gewaltigen Handel und durch seine Industrie. Heute ist Amerika bereits die erste Handelsmacht des Erdballs und hat alle anderen, selbst das stolze England überflügelt, mit der Aussicht, sich in der nächsten Zeit in un­begrenzter Weise noch weiter auszudehnen.