Heft 
(1906) 20
Seite
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Hinsicht das Meer dem Land.

Es hat fruchtbare Gebiete, saf­tige Weidegründe und sterile Distrikte, die den Wüsten des Festlandes entsprechen. Und wie das Leben auf dem Land von den Jahreszeiten abhängt, durch Wärme und Niederschläge beeinflußt wird, so hat auch das Meer seine Vegetations- und Lebensperioden. Wärme und Salzgehalt des Wassers haben ihren Einfluß auf die Entwick­lung der winzigen Organismen, ebenso wie die Meeresströmun­gen, die gewissen Gegenden bald wärmeres, bald kälteres Wasser zuführen. Die Forscherschiffe, die im Dienste der Meeresfor­schung kreuzen, müssen auch diese Erscheinungen in das Be­reich ihrer Untersuchungen zie­hen. So wird zunächst das Plankton in besonderen Netzen gefangen und dann aufs sorg­fältigste geprüft und gezählt.

Es gibt aber nicht allein über dasFischfutter" Auskunft.

Man findet in ihm auch frei umherschwimmende Fisch lein

und jüngste Fische aller Art.

So schwimmen auch z. B. die jüngsten Schollen frei im Meer umher, erst wenn sie die Länge von ein bis zwei Zentimetern erreicht haben, suchen sie den Grund auf, in den sie sich platt niederlegen. Es geben also diese Studien Auskunft über die Entwicklung verschiedener Nutzfische. Die Verteilung des Plank­tons wird auch durch die Wärme des Wassers beeinflußt. Kühlt sich die Oberfläche ab, so kommt es vor, daß Myriaden kleiner Krebschen und anderer Tiere sich in die tieferen wärmeren Schich­ten zurückziehen; ihnen folgen aber auch die Fische, die sich von ihnen nähren, wie z. B. der Hering. So kann aus der Wärme der Wasserschichten der Fischer schließen, in welchen Tiefen er die erhoffte Beute finden wird. In dieser Weise greifen die Lebensgesetze des Meeres in Unternehmungen des Menschen bestim­mend ein, und darum müssen auch Tem­peraturmessungen in verschiedenen Meeres­tiefen und Bestimmungen des Salzgehaltes des Seewassers wichtige Aufgaben der Forscherschiffe bilden. Eine ebenso sorg­fältige Prüfung er­heischen die Meeres­strömungen, die na­mentlich an den Küsten Schwankun- g en unterw orfen sind.

Die gewöhnlichen Flaschenposten geben Auskunft über Strö­mungen an der Oberfläche. Diese aber genügen dem Meeresbiologen nicht; er muß auch über die Strömungen in der Tiefe, namentlich auf dem Meeresboden unterrichtet sein. Um diese Verschiebungen der Wassermassen in der Flachsee zu ermitteln, hat man besondere Flaschenposten erdacht. In einer Flasche, wie sie auf unserer Ab­bildung S. 421 dargestellt ist, wird ein Zettel verschlossen, auf dem

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Auffinden eines markierten Fisches.

das Datum und der Ort der Versenkung sowie die Adresse, an die der Zettel im Auffindungs­salle zurückgeschickt werden soll, angegeben sind. Nun wird die Flasche am Halse so beschwert, daß sie etwa dreimal so schwer ist wie das Seewasser, und so genau balanciert, daß sie senk­recht, mit dem Kork nach unten schwimmt. Damit sie, auf dem Meeresgrund angelangt, nicht im Schlamm stecken bleibt, ist sie mit einem spitzen Draht ver­sehen, der von dem Kork aus­läuft. Aus diesem Draht tanzt sie, von der Meeresströmung getrieben, über allerlei Hinder­nisse an: Meeresgründe hin­weg. Wird sie dann durch glücklichen Zufall durch die Grund- und Schleppnetze der Fischer wieder ans Tages­licht befördert, so zerbricht der Fischer laut Anweisung die Flasche, entnimmt ihr den Zettel und schickt ihn mit Angabe des Ortes und der Zeit des Fundes an die Station. Aus diesen Angaben läßt sich dann die Richtung der Strömungen im Meeresbett bestimmen.

Einer besonderen Prüfung

Jahresringe in den Otolithen einer Scholle

werden einzelne Meeresbuchten unterzogen. Manche von ihnen dienen als Schlupfwinkel für junge und kleine Fische, und es empfiehlt sich, nach Feststellung dieser Tatsache in ihnen die Fischerei einzuschränken oder zu untersagen. Andere wieder sind zu bestimmten Jahreszeiten Sammelpunkte großer Nutzfische. Die biologische Untersuchung gibt ferner Auskunft, warum be­stimmte Buchten sich fischarm erweisen. Das kann die Folge ungünstiger Beschaffenheit des Seewassers, eines Mangels an Fischnahrung sein; oft aber ist die Nah­rung genügend vorhanden und auch sonstige Bedingungen liegen durchaus günstig, die Armut der Gewässer ist dann eine Folge der Überfischung. Durch Einführung von Schonzeiten oder zeitweiliges Verbot der Fischerei kann man solche Gründe aufbessern, in einigen Jahren dem Fischbestand Mög­lichkeit zur ergiebigen Vermehrung geben.

So leitet die Kenntnis der großen Lebensgesetze des Meeres allmählich zu einer rationellen Fi­scherei über. Die Zahl der Arbeiter, die im Aufträge ver­schiedener Staaten an diesen: großen For­schungswerke tätig sind, ist im Wachsen begriffen, und auch für die Ausbildung nötiger neuer Kräfte wird Sorge getra­gen. Sie erfolgt an den enu Die Norweger, die als Pioniere dieser

zelnen Instituten.

Forschung sich verdient gemacht haben, sind auch in dieser Hin­sicht mit besonderen: Eifer tätig. Seit einigen Jahren werden in Bergen praktische Kurse für Meeresforschung abgehalten, an denen viele Ausländer, namentlich Deutsche, teilnehmer:.