424
Blühender Flieder.
Das muß gewiß ein gutes Schlafen sein:
So grau und schlicht das kleine Kreuz von Stein, So warm der hohe Rasen, sanft geschwellt.
So still der Ort, so fern die laute Welt-
And keine hohe Mauer, die umspannt Die grüne Einsamkeit — nur eine Wand
Von rotem Flieder, frisch erblüht und kühl And dicht geschmiegt — des Dufts fast allzuviel.
In diesem Dickicht blühender Syringen
Versteckt ein kleines, müdes Vogelsingen--
Das muß gewiß ein gutes Schlafen sein.
In Fliederduft und warmem Sonnenschein-
C. Eysell-Kilburger.
Der Nasse Möerk.
(Fortsetzung.) Uriminalgeschichte von Hans Hyan.
MH er neue Gehilfe stand in seiner weißen, frisch geplätteten Jacke an der Ladentür des Meisters Ladewig und sah durch die Glasscheibe, deren moderne Gardine er etwas zurückgezogen hatte, hinaus auf die Straße.
Jetzt am frühen Nachmittag kamen wenig Kunden, da konnte er schon ein bißchen faulenzen. . .
Wie er sich da wieder so hineingefunden hatte — er wunderte sich selber darüber! . . . Jeden Tag von acht Uhr an bis abends um Neune arbeiten, und bloß den zweiten Sonntag frei . . . und er hielt's aus, nun schon über'n halbes Jahr . . . und es bekam ihn: auch! . . . Lange nicht so blaß sah er mehr aus. Das Essen schmeckte ihm — allerdings die alte Frau Ladewig kocyte auch 'n gediegenen Happenpappen! Da war nischt dran zu tippen! -— Und denn wast: se alle so nett zu ihm, die Frau, der Prinzipal und besonders die Kleene, die Trude! . . .
Der Gehilfe lächelte. Dann drehte er sich um, ging durch den Laden in den engen Gang, wo rechts das Glasspind mit den Pomaden, Parfüms und ähnlichen Verkaufsartikeln stand, bis an die Glastür, die ins Wohnzimmer führte.
Da die Wohnung ziemlich dunkel war und es draußen schon dämmerte, hatte man drin bereits die Hängelampe angezündet.
Am Tisch saß die Trude und häkelte. Und ihr Haar, das ganz weißblond war, schimmerte im Licht mit seinen losen
Nackenhärchen und Stirnlöckchen. Sie trug es am Hinterkopf
in einen: starken Knoten, in den sie, wie es eben Mode war, zwei dicke, silberne Filigrankugeln gesteckt hatte. Ihr Gesicht war leicht gesenkt, aber der Gehilfe sah trotzdem den lieblichen Mund, der sich in feinen: Schwung wie ein glänzender Karminstrich zwischen den Wangen hinzog. Ihre Wimpern waren lang und bedeckten die etwas zu schmal geschnittenen Augen, deren blauer Schein ihr doch alle Herzen gewann, und die Augenbrauen schienen sehr stark, was sich bei ihrer außer
ordentlich Hellen Farbe drollig ausnahm. Der Charakter dieses jungen Gesichts war der des Frohsinns und der Sorglosigkeit, und der ganzen Erscheinung sah man die Liebe an, die sie
stets umgeben hatte.
Und je mehr sie der Gehilfe anschaute, desto mehr zog es ihn hinein zu ihr ins Zimmer, den: die alten Mahagonimöbel, seine Deckchen und Kissen, der tickende Regulator über den: Ledersofa und nicht zum wenigsten die Anwesenheit dieses jungen Wesens eine entzückende Behaglichkeit verliehen.
Er wollte so gern die Tür aufmachen und hineingehen, aber er fand den Mut nicht, er wußte nicht, was er ihr sagen sollte, der Trude . . . und gerade jetzt, wo die beiden Alten fort waren, wo sie ganz allein war . . .
Die Klingel im Laden ging, ein Kunde. . . Wie sich Albert eben leise zurückwenden wollte, sah Trude von der Arbeit auf. bemerkte ihn und lachte.
. . . Wenn der sich bloß nicht de Haare schneiden lassen will oder am Ende ooch noch champoonieren . . . dachte
Albert. Aber der Kunde ließ sich nur rasieren. Er sagte, wie der Gehilfe ihn mit einen: „Danke!" entließ:
„Das ist ja heut wie der Teufel gegangen! . . . Dafür sollst: Sie auch 'n Groschen extra haben!"
Albert verbeugte sich lächelnd und schlich wieder zur Wohnungstür hin. Da war die Trude eben aufgestanden und stand so, daß sie ihn sehen mußte. Sie machte sofort die Tür auf und fragte, den Gehilfen freundlich betrachtend:
„Wollten Sie was, Herr Hohstadt?"
„Ja, ja. . . das heißt... ich. . . ich wollte bloß..."
Sie lachte hell auf und machte ihn dadurch noch verlegener.
„Was wollten Sie denn, Sie?" . . . Sie lachte immer lustiger. „Na, so reden Se doch! . . . Was haben Se denn von mir gewollt?"
Er bekam kein Wort heraus. Er sah sie nur an.
Da wurde sie auch ernster, und ihr Köpfchen abwendend, meinte sie: „Es war Ihnen woll langweilig, so alleine. . ."?
Er seufzte und wollte gehen.
„Herr Hohstadt!" sagte sie leise.
Und wie er sich ihr wieder zuwandte, gab sie ihn: freiwillig ihre kleine, weiche Hand. Die küßte er, und dann fiel
er sehr ungeschickt vor ihr auf die Knie und fing an zu stammeln. Da mußte sie wieder lachen. Aber wie er nun rasch aufstehen wollte, legte sie die Arme um seinen Hals und hielt ihn fest. Und halb lachend, halb weinend sagte sie glücklich: „Das is so hübsch . . . wenn Sie so. . . ich finde das reizend ..."
Und wie er sie nun auch umfaßte, bog sie sich herunter zu ihm, und sie küßten sich . . . wie lange? ... bis wieder die Klingel an der Ladentür ging. Und noch einmal fanden sie sich und sagten einander alles mögliche Törichte, Glückliche und Liebevolle — hernach kamen ihre Eltern.
Von dem Tage an küßten sie sich verstohlen im dunkelen Korridor, und sowie die Mutter aus den: Hause war, waren sie beieinander. Denn der Vater merkte nichts. Aber auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten und wenn der Gehilfe im Wohnzimmer Haararbeiten anfertigte, liebkosten sich ihre Augen und fanden sich ihre in Zärtlichkeit bebenden Hände.
Und Trudens Mutter, eine runde, hurtige Frau, deren Hellen Augen so leicht nichts entging, die sah es und sagte es ihren: Manne.
Der lachte, wie die Trude! ... Da kam man ja plötzlich zu einen: Schwiegersohn und wußte gar nicht wie! . . . Na, die Trude war siebzehn Jahr alt, warum sollte denn die nicht einen Liebsten haben?! . . . Die Hauptsache ist, daß die Kinder keine Dummheiten machen und daß er sie heiratet!
„Na, wirste se denn dem Menschen so ohne weiteres geben?" fragte Frau Lad ewig.
„Aber jewiß! Warum denn nich? . . . Das ist doch':: tüchtjer Kerl! ... So einen will ich ja jerade haben! . . . Der kann später mal mein Jeschäft übernehmen, un wir setzen uns denn zur Ruhe! ... Ich wer mal st: vanünftigen Ton mit':: reden!" . . .
Am anderen Tage sprach Papa Ladewig mit seinem Gehilfen, der war voller Dankbarkeit, und die Trude, die hin-