Heft 
(1906) 20
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leute ins Verderben. Bis dahin war die Besiedlung von Louisiana durch die Franzosen kaum in Angriff genommen. In der Gegend von Biloxi hielten sich einige wenige Ansiedler auf, die jedoch nur Handel mit den Indianern trieben, dem Ackerbau sich gar nicht widmeten und auf Proviantschiffe aus dem Mutterlande angewiesen waren. DieWestliche Kom­pagnie" erst machte den Versuch, das Land wirklich zu be­siedeln. Zu diesem Zwecke las man in Frankreich Arme, Bettler und Prostituierte auf, schaffte sie nach Louisiana, ver­heiratete sie und wies ihnen Land zu. Diese Elemente waren aber völlig untauglich zur Feldarbeit, sie gingen zugrunde oder kehrten in die Heimat zurück. Mit besserem Scharfblick setzte Law seine Hoffnungen auf deutsche Bauern, er suchte sie als Ansiedler oder als Arbeiter für seine Kolonie zu gewinnen und agitierte in diesem Sinne. Dabei machte er in Deutsch­land Reklame für die Aktien seiner Kompagnie und scheute vor schwindelhaften Anpreisungen nicht zurück.

Nach Berichten der Geschichtschreiber ist es den Agenten gelungen, gegen 10 000 Deutsche, zumeist Landleute aus dem Elsaß, aus Lothringen und der Pfalz, fortzulocken. Von diesen Verführten sind aber nur 400 bis 500 in Louisiana an­gekommen. In der: französischen Häfen hatte man für die Ankunft der Auswanderer keine Vorsorge getroffen, ohne ge­nügende Wohnung und Verpflegung mußten sie hier monate­lang auf die Ankunft der Transportschiffe warten, kein Wunder, daß unter ihnen Krankheiten ausbrachen, die viele dahin­rafften. Die Überfahrt dauerte manchmal fünf bis sechs Monate, und man muß bedenken, wie außerordentlich schlecht in jenen Zeiten die Schiffsverpflegung war. Hier gingen wieder Massen zugrunde. Von 200 an Bord gegangenen Deutschen kamen einmal nur 40 in Louisiana an. Schließlich blühte damals im Golf von Mexiko das Handwerk der Kor­saren; ein Auswandererschiff, das 300 kranke Deutsche an Bord hatte, wurde von den Bukaniern gekapert. Diese

Deutschen blieben, verschollen, und verschollen überhaupt waren verschiedene der Lawschen Auswandererschiffe.

Über die Schicksale der ersten Deutschen am Mississippi, jener vier- bis fünfhundert, die glücklich in Louisiana landeten, hat neuerdings Professor I. Hans Deiler eingehende Nach­forschungen angestellt und darüber in einem Vortrage berichtet, den er auf dem Germanistischen Kongreß in St. Louis hielt.

Ebenso wie in den französischen Häfen in Europa, wurden auch bei Louisiana für die Ankunft der zahlreichen Aus­wanderer gar keine Vorbereitungen getroffen, und die Lage war hier viel schlimmer. Die französischen Ansiedler säeten und ernteten nicht und warteten auf Proviantzufuhren aus der Heimat; sie litten sogar zeitweilig Hungersnot, und die Sol­daten aus den Forts wurden zu den Indianern in die Wälder geschickt, damit sie sich dort von Jagd und Fischfang nach Möglichkeit ernährten. Als nun die Einwanderer auf den Schiffen ankamen, fehlten auch alle Transportmittel, um sie flußaufwärts auf ihre Konzessionen zu befördern. Sie mußten wochenlang auf Dauphine-Island oder an der sandigen Küüe der Biloxibai liegen bleiben. Hunger und epidemische Krank­heiten lichteten von neuem ihre Reihen. Viele starben auch, berichtet ein Geschichtschreiber, weil sie in ihrem Hunger Pflanzen aßen, die sie nicht kannten und die, statt Kräfte zu geben, den Tod herbeiführten, und die meisten, die man zwischen den Haufen der Austernschalen tot fand, waren Deutsche. In der Not meuterten die Soldaten, und es drohte völlige Anarchie auszubrechen, die man durch barbarische Strafen dämpfen wollte.

Allmählich schob man die Ansiedler auf die Konzessionen ab, und sogar 300 Deutsche, der kleine Rest der vielen Tausende, wurde an den Arkansasfluß gebracht. Da kam aber von Europa die Kunde von dem Zusammenbruch der Lawschen Unternehmungen. Nun kümmerte sich niemand mir die Ansiedler, und die Deutschen warteten vergebens, daß man ihnen Proviant senden würde, damit sie sich bis zur nächsten Ernte halten könnten. Sie bettelten in ihrer Not bei den

Sothuis- und Arkansasindianern, als aber auch bei diesen die Vorräte auf die Neige gingen, ließen sie alles im Stich, fuhren in Kühnen den Arkansasfluß hinunter und wandten sich nach Neu-Orleans, das damals ein kleines Dorf von etwa 100 elenden Hütten bildete. Sie verlangten, daß man sie nach Europa zurückbeförderte; schließlich ließen sie sich vonr Gouverneur beschwichtigen, der ihnen Unterstützung gewährte und ein neues Land in der Nähe von Neu-Orleans am Mississippi anwies.^ux Ml6manä8" nannte man fortan die Gegend, die späterMw Oerman Ooa8t" hieß.

Hier gingen die schwergeprüften deutschen Bauern von neuem ans Kulturwerk.Was es heißt, dort eine Wildnis zu lichten," schreibt Prof. Deiler,das kann nur der ahnen, der diesen südlichen Urwald kennt, den Urwald auf mannstiefem Alluvialgrund, den jede Überschwemmung des Mississippi mit neuem reichen Schlamm bedeckt. Millionenfaches Keimen weckt da die südliche Sonne in jedem Fußbreit Boden. Riesige Lebenseichen mit langen Moosbärten stehen wie seit Ewig­keiten und spotten der Axt. Dazwischen dichtes Gehölz, Gebüsch und Gesträuch und ein wahrer Filz von kriechenden, sich windenden, schlingenden und emporkletternden Pflanzen, unter deren Schutz eine Welt von menschenfeindlichem Getier und Gewürm haust. Sengende Hitze, Leoparden, Bären; Panther, wilde Katzen, Schlangen und Alligatoren und die Miasmen der mit dem' Pflug geöffneten jungfräulichen Erde verbanden sich mit den das Menschenwerk hassenden Fluten des Mississippi zum Kampf gegen die deutschen Kolonisten. Auch die Indianer waren eine Quelle beständiger Sorge. Es mußten darum selbst die Frauen und Mädchen in: Gebrauch der Waffen geübt sein, und auf entlegenen Plätzen, wo man auf freistehenden hohen Bäumen Observationsposten eingerichtet hatte, pflegten, wenn die Männer auf die Felder gingen, Frauen und Mädchen, Gewehr im Arm, in die Krone der Bäume hinaufzusteigen und Ausschau nach dem Sumpf hin zu halten, aus dem die Rothäute sich heranzuschleichen pflegten, und die Männer auf dem Felde bei nahender Gefahr durch Alarmschüsse zu warnen."

Wie groß aber auch die Hindernisse waren, deutsche Tat­kraft und deutsche Ausdauer trugen schließlich doch den Sieg davon. Am Ufer des gewaltigen Mississippi dehnte sich nun eine lange Reihe stattlicher Gehöfte, zu denen bald auch eine schmucke, rot angestrichene Kirche sich gesellte, wohlgepflegte Felder und Obstgärten hoben sich von der Wildnis ab, und mit Staunen blickten die ältesten Mississippifahrer auf das

neue erfreuliche Bild, auf die große Wandlung, die hier vor sich gegangen war. Die Arbeit der deutschen Bauern wurde vorbildlich für alle, die nun herbeiströmten, um mit Pflug und Hacke das ferne Land zu erobern.

Immer stärker wuchs die Woge der fremden Einwanderer, den Franzosen folgten Spanier, dann kamen die Anglo­amerikaner aus dem Norden. Der Zuzug der Deutscher: blieb aber nach den ersten trüben Erfahrungen aus. In dieser Flut vermochte sich das Häuflein der Deutschen in ihrer Eigenart nicht Zu erhalten. Wohl sprachen noch Kinder und Enkel deutsch, es fehlte aber die deutsche Schule, und sie lernten nicht deutsch lesen und schreiben. Heiraten mit

Französinnen und Spanierinnen trugen das Weitere zurr: Verwischen der nationalen Eigenart bei. So gingen sie auf in den Kreolen, wie sich die Nachkommen der ersten Ein­wanderer in dieser Kolonie nannten, welche Benennung jedoch durchaus nicht eine Beimischung von Indianer- oder Negerblut kennzeichnen sollte; denn sie war gerade bei den ersten Ein­wanderern in Louisianna streng verpönt. Der aufmerksame Forscher findet aber noch heute zahlreiche Spuren dieser ersten Deutschen am unteren Mississippi. Ihre Namen sind ver­

ändert; aus Schaf ist Chauve entstanden, aus Zehrinaer Geringue, aus Weber Vebre und Bevre geworden; Nach­

kommen von Huber nennen sich Houbre, die von Hofmann Ofman, Hmelle, Apdelle und Romelle erinnern an Himmel Heidel und Rommel.