430
kleinere Höhlungen Goldamalgam und zu großen provisorischen Füllungen auch Guttapercha, während Gold und Porzellan zu kostspielig und wegen ihrer schwierigen Verarbeitung ungeeignet sind. Milchzähne sind ohne große Belästigung der kleinen Kinder auf möglichst einfache, billige und zweckmäßige Art gebrauchsfähig zu erhalten, bis sie von den bleibenden Zähnen abgelöst werden. Dauerzähne aber müssen, wenn sie erkrankt sind, so behandelt werden, daß sie möglichst für das ganze Leben erhalten bleiben und ihrem Besitzer Dienste leisten können. Auf die Vorbehandlung des kranken Zahnes und auf die Auswahl des Füllungsmaterials muß deshalb bei bleibenden Zähnen ganz besondere Sorgfalt verwendet werden. Früher wurde Gold als die einzig dauerhafte Füllung angesehen; zur Herstellung einer guten Goldfüllung gehört aber eine geschickte Hand und sehr viel Übung. Gold wird für bestimmte Fälle, für nicht zu große Höhlungen in kräftigen Zähnen seinen Wert nie verlieren, aber für größere Defekte in den Vorderzähnen ist es gegen früher im Gebrauch sehr zurückgedrängt worden. Seit einer Reihe von Jahren besitzen wir nämlich ein Material für Porzellanschmelzfüllungen und ein anderes für Porzellan- schliffüllungen, die sich, wie der Name schon sagt, nur durch die Art der Verarbeitung unterscheiden. Beide Füllungen find bei geschickter Ausführung und treffender Auswahl der Farbe dem Zahn so täuschend ähnlich, daß nur ein geübtes Auge bei genauer Untersuchung sie erkennen kann. Außerdem gibt es neuerdings eine porzellanähnliche Emailfüllung, die ebenfalls der Zahnfarbe vollkommen entspricht, viel leichter zu verarbeiten ist als das oben genannte Porzellan und auch sehr dauerhaft zu sein scheint. Ob dieses Material nach jeder Richtung dem Ideal entspricht, soll freilich erst die Zukunft lehren. Im übrigen hat die Zahnheilkunde in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der konservierenden Behandlung kranker Zähne solche Riesenfortschritte gemacht, daß das Ausziehen der Zähne und der künstliche Ersatz in früher kaum geahnter Weise beschränkt worden sind. Die hier nach der Natur wiedergegebenen Bilder von dem kranken
Munde eines 15jährigen Schülers vor und nach der Behandlung zeigen uns die verschiedenen Methoden moderner Zahnheilkunde und lehren ohne viele Worte den Wert konservativer Behandlung kennen und schätzen.
Figur 1 zeigt uns im Oberkiefer neun bis auf die Wurzel zerstörte Zähne, im Unterkiefer zwei Zahnlücken, kariöse Backzähne und sogar sehr kranke Schneidezähne. Die Eltern des Knaben glaubten, daß die Zähne nicht mehr zu retten, ein künstliches Gebiß später unvermeidlich sei. Es wurde jedoch der Rat gegeben, alle Zähne konservativ behandeln und das Gebiß wieder gebrauchsfähig machen zu lassen durch Aufsetzen künstlicher Kronen auf die antiseptisch behandelten Wurzeln derjenigen Zähne, die durch einfache Füllung dauernd nicht mehr zu erhalten waren.
Figur 2 zeigt das Gipsmodell des vorbereiteten Oberkiefers mit Platinringen um die Backzahnwurzeln und Platinstiften im Wurzelkanal zu besserem Halt der fertigen Krone, was bei der tiefen Zerstörung der Backzähne sich als notwendig herausstellte. Die Wurzeln der Frontzähne tragen zur Aufnahme der Porzellankronen Platinkappen, die mit den im Wurzelkanal sitzenden Platinstiften verlötet sind.
Figur 3 Zeigt das Bild des nach beendeter Behandlung wieder vollkommen gesunden und gebrauchsfähigen Mundes. Die fertigen Stiftzähne, die aufgesetzten Kronenhülsen mit ihren angelöteten Stiften sind durch Zement in den gut gereinigten, glatt geschliffenen, antiseptisch behandelten Wurzeln befestigt und schützen diese sicher gegen weitere Zerstörung. Solche Zähne müssen, solange die Wurzeln im Kiefer festsitzen, für das ganze Leben dauernd gebrauchsfähig bleiben. Links unten (auf dem Bilde rechts) befindet sich zur Erhöhung des Kauvermögens eine kleine, festsitzende Brücke. Die Eckzähne sind mit Porzellanfüllungen versehen, die infolge ihrer täuschenden Farbenähnlichkeit für das Auge des Laien fast unsichtbar sind und durch ihre glatte Oberfläche verhältnismäßig sicheren Schutz gegen neue Erkrankung bieten. Sorgfältige Pflege des Mundes ist selbstverständliche Voraussetzung!
O.'
x
Hhristopb Kolumbus. (Mit der unteren Abbildung auf der nebenstehenden Seite.) Als man vor vierzehn Jahren mit großen Festen das vierhundertjährige Jubiläum der Entdeckung Amerikas feierte, stand, wie sich's gebührte, im Mittelpunkt der glänzenden Veranstaltungen die große Persönlichkeit des Entdeckers Kolumbus, dessen vierhundertster Todestag in dieses Jahr fällt. Unter den Entdeckern der neuen Zeit steht er am ersten Platz, alle, die nach ihm kamen, sind ohne ihn nicht zu denken und leben nur nach einem treffenden Satz ^
Jakob Burckhardts von der durch ihn eröffneten und erwiesenen Möglichkeit. So verdienstvoll sie auch fein mögen, darf man ihm doch nicht die Caboto, Pineda, Cabral, Becerra, Pinzon, und wie sie sonst heißen, an die Seite stellen und Cortez und Pizarro, ganz abgesehen davon, daß des Kolumbus' Persönlichkeit eine ungleich bedeutendere als die ihre ist, sind vor allem als Eroberer und nicht als Entdecker hervorgetreten.
Man muß Kolumbus zu den Renaissancemenschen rechnen, die von größter Tatkraft und Willensstärke einem großen Ziel mit allen Mitteln und auf allen Wegen, mögen sie auch niedrig und schlecht fein, zustreben. Unbedenklich raubt Kolumbus den Eingeborenen alles Gold, weil er nur so die Verleumdungen seiner Feinde daheim zuschanden machen kann: denn das Gold ist bei Ferdinand von Aragon und Jsabella von Kastilien feine beste Rechtfertigung, und ebenso unbedenklich verteilt er, um die Unzufriedenheit feiner Kolonisten zu beseitigen, Länder und Eingeborene unter sie und entrechtet gewissenlos wie ein Plantagenbesitzer die ehemaligen Herren des Landes. Als er, das entblößte Schwert in der Rechten, die Fahne Kastiliens in der Linken, als Erster am Morgen des 12. Oktober 1492 den Strand der Watlingsinfel betrat, von seinen Gefährten, die schon daran verzweifelt hatten, Land aus der Öde des Wassers auftauchen zu sehen, als Vize- könig und Großadmiral der neu entdeckten Lande begrüßt, da meinte er, eine ihm von Gott ausgetragene Mission erfüllt zu haben. Nicht Tos-
>
'X--
'>/
Die französische Denkmünze für die deutsche Rettungsmannschaft in Courrieres.
canellis Seekarte, nicht sein nie sinkender Mut und seine nie geschwächte Willenskraft hatten ihn ans Ziel gebracht und so viel Mühen ohne Murren und Zweifel überwinden lassen, nur Gott, und so nannte er dankbar das von ihm zuerst betretene Eiland San Salvador nach dem Erlöser. Kolumbus ist der gläubige Sohn feiner Zeit, und dadurch unterscheidet er sich von den' meisten der großen Renaissancemenschen, für die die Religion kein Herzensbedürfnis, sondern eines der mannigfachen Mittel zum Zweck, ein Nützlichkeitsmotiv war. Freilich lebte Kolumbus nicht in Italien, wo sich die Geister frei regten, sondern in dem bigott fanatischen Spanien des katholischen Ferdinand und der kastilischen Jsabella, die gegen Mauren und Juden wie Barbaren vorgingen, und bei denen die extreme Glaubensbetätigung so genau und gründlich mit der Wahrung ihrer politischen Interessen zufammenfällt, daß man an mehr als einen merkwürdigen Zufall glauben muß. Indes die Könige, wie Ferdinand und Jsabella von gleichzeitigen Chronisten genannt werden, ihre Macht in Spanien ausdehnen und befestigen, entdeckt für sie der Genueser Tuchwebersohn ein Land, das hundertmal reicher und fünfzigmal größer als die heimische Halbinsel ist, ohne von ihnen etwas Undank, der selbst bei Königen ungewöhnlich ist,
!Ä.
anderes als ei
zu erhalten. Ferdinand, im Glauben so stark wie im Wortbruch,
betrügt ihn um den Lohn feiner Mühen, und Jsabella stirbt, ehe sie noch etwas für ihn tun kann. Ob sie etwas für ihn getan hätte, steht noch dahin. So stirbt denn am 21. Mai 1506 der Großadmiral und Vizekönig — diese Titel und ihre damit zusammenhängenden Befugnisse waren ihm einst vertragsmäßig zugesichert — zu Valladolid, ein Sechziger, der seit feiner letzten Heimkehr kränkelte, enttäuscht und verbittert, und selbst die Nachwelt schmälerte ihm das Verdienst, sie nannte den neuen Erdteil nach Amerigo Vespucci, dem Kosmographen, und nicht nach seinem Entdecker. Es war, als ob die Ruhelosigkeit, die den