Heft 
(1906) 28
Seite
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Wirkung, und wie intensiv pflegt diese Wirkung zu sein! Rembrandt ist kein Lichtmaler im Sinn des neunzehnten Jahrhunderts. Er kennt die vibrierenden Schwingungen des Lichts nicht, aber er hat dafür eine Kraft in der Behandlung der Beleuchtungs­probleme, die man im besten Sinn des Wortes und ohne Übertreibung göttlich nennen darf. Das Geheimnisvolle des Lichtes, dessen Bedeutung für die geistige Entwicklung der Sujets unter den alten Meistern vielleicht kein anderer so gut verstanden hat wie Rembrandt, dient schon bei den frühen Gemälden dazu, das Problem ganz anders zu gestalten, als üb­lich war. Virtuosen­müßige Kunststücke waren bei ihm ganz ausgeschlossen. Darin sprechen sich nun schon in der Jugend die rücksichtslose Energie und die freie Selb­ständigkeit von Rem- brandts Talent am besten aus.

Die Holländer sind schon sehr früh darauf aufmerksam geworden, daß in dem Müller­sohn von Leyden eine ganz ungewöhnliche künstlerische Kraft stecke. Es war un­vermeidlich, daß er nach Amsterdam über­siedelte, mit dessen Künstlern und kunst­liebenden Einwohnern er gegen 1630 schon in regen Beziehungen stand. Hauptsächlich hat er sich in der für ihn so anregenden, volkreichen und land­schaftlich so schönen Handelsstadt anfäng­lich dem Porträt ge­widmet, vielleicht des Gelderwerbs wegen, aber sicher nicht aus­schließlich in der Ab­sicht, sein Brot zu gewinnen und sich eine feste Position zu grün­den. In die Zeit von 1631 bis 1636

fällt wohl eine außerordentlich große Anzahl von Porträten, die zeigen, daß Rembrandt gerade auf diesem Gebiet ein großes Ansehen genossen haben muß, aber all diese Bildnisse zeigen auch, daß er durchaus nicht ge­sonnen war, dem Publikum Zugeständnisse zu machen, die viel­leicht für des Künstlers materielles Wohlergehen ersprießlich sein könnten, aber seiner Kunst verderblich würden. Die ein­zige Rücksicht, die er auf den Geschmack des Tages nahm, die er aber auch unbedingt nehmen mußte, weil es unmöglich ist, sich den herrschenden Ideen der Zeit zu entziehen, war, daß er die Bildnisse etwas lebhaft anordnete, die Personen nicht nur sehr schwer und reich kleidete, sondern sie auch eindring­lich, mitunter wohl auch aufgeregt gestikulieren ließ. Seinem stürmischen Naturell und seiner Vorliebe für Pracht mag dieser Zug der Zeit ohnehin entsprochen haben; jedoch ist es eine bemerkenswerte Tatsache, daß Rembrandt zur gleichen Zeit

auch jenen: andern vielleicht noch tiefer begründeten Wunsch seines Herzens nachgab, der ihn das Trauliche, wahrhaft herz­lich Intime bevorzugen ließ. So hat er denn nicht nur die fremden Personen gemalt, die ihn: vermutlich recht wackere Preise zahlten, sondern sich gewissermaßen zu erholen und selbst an seiner Kunst zu freuen getrachtet, indem er seine Verwand­ten; Vater, Mutter und Geschwister, malte und nicht zum mindesten sich selbst sehr oft porträtierte. Hier konnte er jene Wunderwerke intimer, persönlicher Stimmung schaffen, die selbst

diese scheinbar nur den: Kampf ums Dasein gewidmete Epoche so anziehend machen, und die ihr reizendes Ge genstück in einer gan­zen Anzahl von fein­sinnigen Interieurs, wie die Philosophen des Louvre, und in prachtvollen religiösen Gemälden finden.

Im Jahr 1634 hat Rembrandt die schöne und wohl habende Saskia von Uplenburgh geheiratet, die Tochter des Rechts - gelehrten und früheren Bürgermeisters von Leeuwarden. Die Ehe gab ihm viel Glück; sie machte ihn unab­hängiger noch, als er ohnehin war, schuf ihm ein sonniges Heim und gewährte ihn: auch

künstlerisch viele An­regungen und große Befriedigung. So steht er schon um 1633 auf der Höhe des Glücks und war eine beneidenswerte und wohl auch beneidete Erscheinung im Kunst leben von Amsterdam. Verlegen" aber, wie die mittelalterlichen Dichter sagten, hat ei­st ch im Besitz der schönen Frau und dei- bedeutenden Stellung nicht; sondern sein ganzes Schaffen erhält eine neue Triebkraft. Er wird freier, und in­dem er auch stärker wird, doch viel reiner und maßvoller. In den Jahren seiner leider so kurzen Ehe, von 1634 bis 1642 , hat er gewisse Plumpheiten der Formen- gebung, die ihm in seiner früheren Epoche anhafteten, auf­gegeben. Er lernt die übertriebene und eigentlich unmalerische Plastik zugunsten einer breiteren Formenbehandlung oblegen. Wenn er früher manchmal noch etwas schwülstig und über­reich gewesen war, so gewinnt er nun auf der einen Seite immer an der Drastik, nach der er sein Lebenlang gestrebt hat, aber auf der andern wird er einfacher, lernt das einzelne ungezwungener als früher dem Ganzen unterordnen und wagt es allmählich, die Figuren im vollen Licht zu modellieren. Es sind das zum großen Teil rein technische und speziell malerische Fortschritte, aber der Kern liegt doch darin, daß die allgemein künstlerische Anschauung immer klarer und, man darf sagen,

Abrahams Opfer.

(St. Petersburg, Eremitage.)