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Wirkung, und wie intensiv pflegt diese Wirkung zu sein! Rembrandt ist kein Lichtmaler im Sinn des neunzehnten Jahrhunderts. Er kennt die vibrierenden Schwingungen des Lichts nicht, aber er hat dafür eine Kraft in der Behandlung der Beleuchtungsprobleme, die man im besten Sinn des Wortes und ohne Übertreibung göttlich nennen darf. Das Geheimnisvolle des Lichtes, dessen Bedeutung für die geistige Entwicklung der Sujets unter den alten Meistern vielleicht kein anderer so gut verstanden hat wie Rembrandt, dient schon bei den frühen Gemälden dazu, das Problem ganz anders zu gestalten, als üblich war. Virtuosenmüßige Kunststücke waren bei ihm ganz ausgeschlossen. Darin sprechen sich nun schon in der Jugend die rücksichtslose Energie und die freie Selbständigkeit von Rem- brandts Talent am besten aus.
Die Holländer sind schon sehr früh darauf aufmerksam geworden, daß in dem Müllersohn von Leyden eine ganz ungewöhnliche künstlerische Kraft stecke. Es war unvermeidlich, daß er nach Amsterdam übersiedelte, mit dessen Künstlern und kunstliebenden Einwohnern er gegen 1630 schon in regen Beziehungen stand. Hauptsächlich hat er sich in der für ihn so anregenden, volkreichen und landschaftlich so schönen Handelsstadt anfänglich dem Porträt gewidmet, vielleicht des Gelderwerbs wegen, aber sicher nicht ausschließlich in der Absicht, sein Brot zu gewinnen und sich eine feste Position zu gründen. In die Zeit von 1631 bis 1636
fällt wohl eine außerordentlich große Anzahl von Porträten, die zeigen, daß Rembrandt gerade auf diesem Gebiet ein großes Ansehen genossen haben muß, aber all diese Bildnisse zeigen auch, daß er durchaus nicht gesonnen war, dem Publikum Zugeständnisse zu machen, die vielleicht für des Künstlers materielles Wohlergehen ersprießlich sein könnten, aber seiner Kunst verderblich würden. Die einzige Rücksicht, die er auf den Geschmack des Tages nahm, die er aber auch unbedingt nehmen mußte, weil es unmöglich ist, sich den herrschenden Ideen der Zeit zu entziehen, war, daß er die Bildnisse etwas lebhaft anordnete, die Personen nicht nur sehr schwer und reich kleidete, sondern sie auch eindringlich, mitunter wohl auch aufgeregt gestikulieren ließ. Seinem stürmischen Naturell und seiner Vorliebe für Pracht mag dieser Zug der Zeit ohnehin entsprochen haben; jedoch ist es eine bemerkenswerte Tatsache, daß Rembrandt zur gleichen Zeit
auch jenen: andern vielleicht noch tiefer begründeten Wunsch seines Herzens nachgab, der ihn das Trauliche, wahrhaft herzlich Intime bevorzugen ließ. So hat er denn nicht nur die fremden Personen gemalt, die ihn: vermutlich recht wackere Preise zahlten, sondern sich gewissermaßen zu erholen und selbst an seiner Kunst zu freuen getrachtet, indem er seine Verwandten; Vater, Mutter und Geschwister, malte und nicht zum mindesten sich selbst sehr oft porträtierte. Hier konnte er jene Wunderwerke intimer, persönlicher Stimmung schaffen, die selbst
diese scheinbar nur den: Kampf ums Dasein gewidmete Epoche so anziehend machen, und die ihr reizendes Ge genstück in einer ganzen Anzahl von feinsinnigen Interieurs, wie die Philosophen des Louvre, und in prachtvollen religiösen Gemälden finden.
Im Jahr 1634 hat Rembrandt die schöne und wohl habende Saskia von Uplenburgh geheiratet, die Tochter des Rechts - gelehrten und früheren Bürgermeisters von Leeuwarden. Die Ehe gab ihm viel Glück; sie machte ihn unabhängiger noch, als er ohnehin war, schuf ihm ein sonniges Heim und gewährte ihn: auch
künstlerisch viele Anregungen und große Befriedigung. So steht er schon um 1633 auf der Höhe des Glücks und war eine beneidenswerte und wohl auch beneidete Erscheinung im Kunst leben von Amsterdam. „Verlegen" aber, wie die mittelalterlichen Dichter sagten, hat eist ch im Besitz der schönen Frau und dei- bedeutenden Stellung nicht; sondern sein ganzes Schaffen erhält eine neue Triebkraft. Er wird freier, und indem er auch stärker wird, doch viel reiner und maßvoller. In den Jahren seiner leider so kurzen Ehe, von 1634 bis 1642 , hat er gewisse Plumpheiten der Formen- gebung, die ihm in seiner früheren Epoche anhafteten, aufgegeben. Er lernt die übertriebene und eigentlich unmalerische Plastik zugunsten einer breiteren Formenbehandlung oblegen. Wenn er früher manchmal noch etwas schwülstig und überreich gewesen war, so gewinnt er nun auf der einen Seite immer an der Drastik, nach der er sein Lebenlang gestrebt hat, aber auf der andern wird er einfacher, lernt das einzelne ungezwungener als früher dem Ganzen unterordnen und wagt es allmählich, die Figuren im vollen Licht zu modellieren. Es sind das zum großen Teil rein technische und speziell malerische Fortschritte, aber der Kern liegt doch darin, daß die allgemein künstlerische Anschauung immer klarer und, man darf sagen,
Abrahams Opfer.
(St. Petersburg, Eremitage.)