Heft 
(1906) 28
Seite
594
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Samson und Dalila.

(Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.)

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pikanter und interessanter wurde. Er greift auch eins der Hauptprobleme seiner Kunst auf, das er früher nur gestreift hatte: er zieht die Aktmalerei großen Stils in den Bereich seiner Malerei, und so kommt er denn schon im Jahr 1636 zu der imposanten Darstellung der wohl mit Recht so genanntenDanae" in der Peters­burger Eremitage. Schön in streng formalem Sinn ist die Figur der jungen unbekleideten Frau, die sehn­süchtig auf ihrem reich geschmückten Lager des Besuches ihres Freundes harrt, nicht zu nennen; die Pracht der titanischen Formen war Rembrandts Sache nicht.

Aber über alle Begriffe herrlich ist das Bild doch durch die Wahrheit und den belebten Reichtum der Formen, die Tiefe der psychologischen, so sympathisch warmen Auffassung und die staunenswerte Fülle des vollen Lichtes. Die unendlich delikateSusanne" der Haager Galerie mit der bei aller Kunst so graziösen Leichtigkeit der Bewegungen und der edelsten Keuschheit der Charakterisierung folgt im Jahr 1637. Als Abschluß dieser Entfaltung, für den wir nur äußerlich Saskias Tod ansetzen dürfen, steht das wunderbar innige und farbig so glühend reicheGebet Manoahs" (siehe S. 591) der Dresdner Galerie, das Rembrandt jedoch gewissermaßen nur als Vorspiel für eins der größten Meisterwerke der gesamten Malerei gedient hat: die Nachtwache" vom Jahr 1642. Dieses Riesenwerk stellt trotz des nun einmal nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Titels einen Zug von Schützen dar, die im goldenen, reichen Licht der späten Sonne in ge­schloffener Kolonne mit Waffenlärm und Trommel­klang aus einem hohen Haus auf die Straße treten. Rembrandt hat in dem schon zu seinen Lebzeiten viel­umstrittenen Gemälde das Stärkste an blendender Lichtwirkung gegeben, hat außerdem in einem glück­lichen Maß Poesie der Auffassung und Gegenständ­lichkeck der Schilderung in ein normales Gleichgewicht gesetzt, wie er das später nicht mehr tat, weil bei ihm immer die subjektive Dichternatur zum Durchbruch

kommt. Wenn man so will, hat der Künstler hier nicht nur eine Epoche seines Stils abgeschlossen, sondern auch den Höhe­punkt eines bestimmten, der holländischen Malerei eigenen Genres gegeben. Man liebte es dort, sich in Gruppen porträ­tieren zu lassen: die Gilden und Schützenkompagnien ließen sich gern in Gemeinschaft malen. Aber wenn bis dahin die Malerei mit einziger Ausnahme der Haarlemer Schützenbilder des Franz Hals dieses an sich freilich trockene Gebiet auch recht trocken behandelt hatte, so macht Rembrandts phantasie­voller Geist aus dem abendlichen Zug der ehrsamen Schützen eine kühne Tat, der man mit atemloser Aufregung zusieht. Es ist schwer faßlich, aber wahr, daß in dieselbe Zeit, wo der Maler an diesem in jeder Hinsicht gewaltigen Werk arbeitete, er in Sorge und Trauer um die schwere Krankheit und dann um den Tod seiner Frau war. Die Kunst erlahmte nicht unter dem harten Schlag.

Von nun an beginnen trübe Zeiten sich langsam vorzu­bereiten, bis endlich im Jahr 1656 der Bankrott über sein Vermögen erklärt wurde. Die Verwandten seiner Frau waren es hauptsächlich, die in Sorge um das für Rembrandts Sohn zu erhaltende Muttergut dem großen, in weltlichen Dingen ganz unerfahrenen Meister all die Schwierigkeiten bereitet haben, die zu der traurigen Katastrophe führten und Rembrandt für immer arm und besitzlos machten. Er hat ja wohl immer Freunde gefunden, die ihm halfen, vor allem hat er in der überaus sympathischen Hendrickje Stoffels, die ihm das Haus führte, eine Freundin gefunden, die all das Schlimme, wie es scheint, wenigstens moralisch gut machte. Aber es ist eben doch wahr, daß er, um sich vor den Gläubigern zu retten, allerlei Aus­wege Zuschlägen mußte, die ihm wenigstens vor dem Gesetz keinen Gewinn an seiner Arbeit und keinen Besitz mehr ließen.

Die pekuniäre Lage, die aus dem einst so reichen Mann einen armen machte, hat nun aber nicht den mindesten schäd­lichen Einfluß auf seine Kunst gehabt. Von jetzt sehen wir

Selbstbildnis (1660). (Paris, Louvre.)

MM.

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