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artige Feier am frühen Morgen des ersten Weihnachtstages, ...Inlrmna" genannt. Trotz aller Verbote seitens der Behörden und Geistlichen war der Brauch nicht zu unterdrücken. Er wird noch heute an sehr vielen Orten regelmäßig geübt, aber bezeichnenderweise nicht in den Kirchen, sondern in den Schulen. Frühmorgens, etwa um fünf Uhr, versammeln sich die Insassen des Dorfes, festlich gekleidet, in dem Schulzimmer. Jedes Ehepaar bringt ein Licht mit, das angezündet und auf der Bank angeklebt wird. Andächtig singt die Versammlung Weihnachtslieder, bis der eigentliche Festakt beginnt. Unter Führung des Lehrers erscheinen die als Engel gekleideten Kinder, Knaben und Mädchen getrennt. Ihr Ausputz besteht aus einem reingewaschenen Hemd des Vaters, das durch farbige Bänder geschmückt ist, einer Krone oder einem Kranz aus buntem Papier und einem brennenden Licht. Die Kinder wohlhabender Bauern tragen ein winziges Tannenbäumchen, das mit Wachskerzen besteckt ist. Nun hebt ein sorgfältig eingeübter Wechselgesang zwischen Lehrer und den beiden Chören an, der die biblische Erzählung von der Geburt des Heilandes wiedergibt. Ein feststehender Refrain wird von der Gemeinde mitgesungen. Dann folgen eine Predigt des Lehrers und zum Schluß eine ganze Zahl von Weihnachtsliedern.
Ohne Zweifel hängt diese Feier mit den religiösen Schauspielen zusammen, die von der katholischen Kirche an hohen Festtagen im Mittelalter veranstaltet wurden. Heidnischen Ursprungs ist dagegen die Sitte, die in den zwölf „Heiligen Nächten" von Weihnachten bis zum Fest der „Drei Könige" jede Arbeit in Haus und Hof, außer Kochen und Viehfüttern, verpönt. Nur das Reißen der gesammelten Federn ist erlaubt. So findet sich denn an jedem dieser Abende bei einem der Bauern eine ganze Gesellschaft zusammen. Die Frauen und Mädchen mit weißen fest um den Kopf gebundenen Tüchern sitzen um den langen Tisch und reißen Federn, die Männer auf den Wandbänken. Bei diesen Zusammenkünften werden fast nur geistliche Lieder gesungen als Abwehr gegen die bösen Mächte, die in dieser Zeit Menschen und Vieh gefährlich werden können!
Nur in der Neujahrsnacht bricht ungezügelte Fröhlichkeit hervor. Dann übt die unverheiratete Jugend absonderliche Gebräuche, um zu erfahren, ob das nächste Jahr die ersehnte Verheiratung bringen wird, oder ob dem einen oder andern das Todeslos geworfen ist. Beim letzten Brotbacken haben die Frauen vorsorglich aus Teig allerlei Figuren geformt und abgebacken: Geld, Brot, Kind, Brautpaar, Ring, Wiege, Himmelsleiter, Totenkopf, Gottesauge — ein rechtwinkliges Dreieck mit einer eingedrückten Vertiefung — Teufel usw. In der Mitternachtstunde tritt einer nach dem andern mit verbundenen Augen an den langen Tisch heran und hebt drei von den Schüsseln, unter denen diese Gegenstände einzeln verborgen sind, auf. Ebenfalls mit verbundenen Augen wird die Bibel oder das Gesangbuch aufgeschlagen. Der von dem tastenden Finger bezeichnet Vers deutet das bevorstehende Schicksal an. Die Haustochter wirft mit kräftigem Schwung den Pantoffel des linken Fußes über den Kopf nach rückwärts und erkennt aus der Lage ihres Schuhes, ob sie das Haus verlassen wird oder nicht. Ein alter Brauch ist weiter das Kohlenschwemmen. Vom Herd werden glühende Kohlen genommen und in eine Schüssel mit Wasser geworfen. Eine kräftige Bewegung der Hand setzt die Flüssigkeit in Umlauf. . . Regellos tanzen die mit Namen der Anwesenden belegten Kohlen auf der Oberfläche, bis ein Paar sich Zusammenschließt und eng verbunden bleibt. Kurz nach Mitternacht schleichen die Mädchen hinaus, rütteln am Hofzaun und lauschen auf den nächsten Hundeblaff, der ihnen ankündigt, von welcher Seite der Zukünftige kommen wird. Nach diesen und ähnlichen Schicksalsproben folgen allerlei Belustigungen. In eine Schüssel mit Wasser oder in einen tiefen Teller voll Mehl wird ein Geldstück geworfen, das nur mit den Lippen ertastet und ergriffen werden darf. Der komischen Momente, die ein stürmisches Lachen der Zuschauer auslösen, gibt es dabei genug.
Schon vom ersten Advent an ziehen arme Kinder in Gruppen von zehn, zwölf Personell abends in den Dörfern umher und heischen durch Absingen geistlicher Lieder milde Gaben, die ihnen in Gestalt von Speck, Brot, Fladen, Eiern und Geld warmherzig gespendet werden. In der Nacht zum 6. Januar sind zu gleichem Zweck in jedem Dorf einige Parteien von drei Heiligen Königen tätig. Natürlich darf die übliche Ausschmückung mit Kronen aus Glanzpapier, weißen Überwürfen und geschwärzten Gesichtern nicht fehlen. Als Stern dient ein an der Rückseite mit Papier verklebtes Sieb, das sich um einen Stab dreht, auf dem ein brennendes Licht steht.
Der Januar und der Februar bis zur Fastnacht ist die Zeit fröhlicher: Mummenschanzes. Die Masuren sind sehr erfinderisch in allerlei komischen Verkleidungen, bei denen selbstgefertigte Gesichtsmasken verwendet werde::. Sehr beliebt ist die Darstellung des polnischen Bärenführers. Der Jüngling, der dabei den tanzenden Vierfüßler spielt, hat eine schwere Aufgabe zu erfüllen. Er ist von ober: bis unter: ganz dicht mit einem aus Erbsenstroh gedrehten Seil umwickelt, und diese Bekleidung ist so wärmend, daß er schon nach der ersten Vorstellung in Schweiß gebadet ist. Fastnacht selbst wird mit Tanz gefeiert. Am Nachmittag wird unter allen Umständen das Gesinde im Schlitten spazieren gefahren. Bei der abendlichen Schmauserei dürfen die in Schmalz gebackenen Krapfen nicht fehlen. Als Getränk dient ein mit Zucker, Honig, Butter und Pfeffer gekochter Schnaps, der sehr geeignet ist, recht bald ausgelassene Lustigkeit hervorzurufen.
Absonderliche Gebräuche werden zur Feier mancher Heiligen des katholischen Kalenders geübt, die den: Masuren nicht nur den richtigen Zeitpunkt für Veginr: oder Schluß wirtschaftlicher Maßnahmen angeben, sondern auch segensreiche oder schädigende Kraft entwickeln, je nachdem man ihre Vorschriften befolgt oder mißachtet. So weiß der Landwirt, an welchen: Tag er die verschiedenen Arten Getreide zu säen hat, mit welchem Fuß er dabei anzutreten, welche Hand er zum ersten Wurf zu erhebe:: hat. Auch den arbeitenden Haustieren Haber: die Heiligen sich gnädig erwiesen und ihnen einen Ruhetag vorgeschriebe::: zu St. Georg, am 23. April, wird kein Pferd und am folgender: Tag — St. Adalbert — kein Zugochse eingespannt. Ja, einige der katholischen Feiertage feiert der Masur trotz aller: Eiferns seiner Geistlichkeit noch immer mit. Einesteils wird er dazu von dem Aberglauben getrieben, daß diese Spender: seinem Hausstand Segen und Gedeihen erwirken, andernteils lockt ihn das einem Jahrmarkt ähnliche Treiber:, das an diesen Tagen sich zu entwickeln pflegt.
Die Feier der Nacht zu Johanni hat reißend schnell abgenommen. Noch vor zwanzig Jahre:: flammte auf jeder Bergeskuppe ein mächtiges Feuer auf. In übermütiger Lust sprang die Jugend des Dorfes um die Flammen und sang allerlei Schelmenlieder. Seitdem ist das Holz so teuer geworden, daß der Bauer seinen Ofen mit Steinkohlen heizt, wenn er keinen Torfstich besitzt. Ünd mit den: flammenden Holzstoß sind auch die alten Gebräuche geschwunden, kaum noch, daß die Jungfrauen sich hinausbemühen irr das Feld, um schweigend neunerlei Kraut zu pflücken. Eine längere Lebensdauer dürfte den Gebräuchen beschieden sein, die sich ar: die Beendigung der Roggenernte knüpfen. Wenn die letzter: Garben gebunden und aufgestellt sind, treten die Erntearbeiter, Männer und Frauen, entblößten Hauptes rings um eine Hocke und ziehen unter Absingung eines geistlichen Liedes unversehrte Halme mit großen Ähren, die zu einer:: Bündel, dem „Plon", vereinigt und mit Blumen und bunten Bändern geschmückt werden. In feierlichem Zug, natürlich wieder mit Gesang, wird dies Symbol des Erntesegens zurr: Hof getragen und dem Hausvater überreicht, der sich mit einigen Worten bedankt und zu fröhlichem Schmaus einladet. Ir: diesem Augenblick nimmt die feierliche Stimmung ein jähes Ende, denn von allen Seiten ergießen sich Wasserstrahlen auf Männer und Frauen . . . Alles flüchtet, um die nassen Arbeitskleider mit feiertäglicher:: Gewand zu vertauschen,