Heft 
(1906) 30
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vom schmalen Pfad abbringen läßt, wird immer eine Aus' nähme sein. Hier öffnet die weitverbreitete Korruption den schlimmsten Durchstechereien Tür und Tor, und das Aus­land wird sich nicht beruhigen können, bis eine strenge Fleischbeschau auch für den ganzen inländischen Verbrauch angeordnet und durchgeführt ist. Bis wir so weit sind, und das wird immerhin noch geraume Zeit dauern, ist äußerste Strenge angebracht. Vor allem werden wir auch unsere Marine und unsere braven Schutztruppen gegen den trü­gerischen Wohlgeschmack amerikanischer Fleischwaren zu schützen haben hier müssen, so unbequem es sein mag, alle Vor­sichtsmaßregeln Platz greifen, die für die Einfuhr nach dem Deutschen Reich gelten.

Was aber diese Einfuhr selbst anbelangt, so wird vor allem an die vielfach angestrebte Milderung der bestehenden Bor­

Mein

Bescheiden ward mein Glück: Ein fremdes, frohes Rind Hüpft lachend unter frischem Blütenschnee;

Ein Vogel huscht durchs Laub; ein holder Wind Fährt über einen schweren dunklen See.

schriften für absehbare Zeit nicht zu denken sein; es könnte sich weit eher darum handeln, ob sie nicht verschärft werden müßten. Eine unbedingte Notwendigkeit dafür scheint uns in­des bei den augenblicklichen Verhältnissen nicht gegeben zu sein. Wohl aber ist es nicht nur eine Pflicht der Selbst­erhaltung, sondern geradezu eine Sache der Menschheits kultur, daß sich der rücksichtslosen amerikanischen Dollarwirt­schaft der energische Protest des Auslands entgegenstelle, soweit es unter ihr zu leiden hat. Das ist das einzige, aber glücklicherweise ein sehr wirksames Mittel. Man klagt jetzt in Amerika in den bittersten Tönen über die ungeheure Geschäftsschädigung durch den Feldzug gegen den Fleischtrust, aber nur die empfindliche Lehre geschäftlicher Verluste kann auf diesem Gebiet Wandel schaffen und Zustände herbeiführen, die eines Kulturvolks würdig sind.

Glück.

Ein Wölkchen schifft durch hohen blauen Baum;

Ein Lied hallt her aus dem Gelrieb hieuieden.

Das Leben streift mich wie mit feinstem Sauin Und einem Blick voll Ruh; ich bin's zufrieden!

Geim alten Garbaressa.

Von A. Trinius.

Mit Illustrationen nach Photographien von Max Heyn in Frankenhausen.

/schweift in stiller Stunde das Erinnern zurück in die gol- dene Jugendzeit, so summt wohl auch zuweilen das alte Lied mir leise über die Lippen, das Friedrich Rückert uns Deutschen im Jahr 1817 schenkte:

Der alte Barbarossa,

Der Kaiser Friedrich,

Im unterirdischen Schlosse Hält er verzaubert sich."

Heute klingt es kaum noch aus Kindermund über die Gassen hin. Denn die große Zeit ward erfüllet. Deutschland empfing seine langersehnte Einigkeit, seinen Kaiser wieder. Eine andere Zeit ist inzwischen hereingebrochen. Sie schaut nicht mehr mit Märchenaugen in die Welt, der schöne Glaube ging verloren. Auf Kampf und Genuß ist heute alles ge­stellt. Die Sagenpoesie ging für immer schlafen. Politik ist Trumpf geworden, und das einst ackerbauende Germanien ist auf dem besten Weg, der größte Industriestaat der Welt zu werden.

Wenn man vor Jahren das romantische Unstruttal heraufgezogen kam oder sich vom Harz herüber dem Kyffhäusergebirge näherte, so erblickte man bereits von weitem den stumpfen Barbarossaturm der einstigen Reichs­feste Kpffhausen, unter den Sage und Überlieferungen den schlafenden Kaiser versetzt hatten. Heute blickt dieser Turm­rest ziemlich bedrückt und scheu neben dem hehren Riesen­denkmal über die weite Güldene Aue in die sonnigen Lande hinaus, seitdem deutsche Krieger die Erinnerung an die große, erfüllte Zeit und zu ihrer eigenen Mannesehre setzten. Hoch in die Lüfte greift die schmucke Kaiserkrone. Darunter reitet Wilhelm der Siegreiche hinaus, während tief unten in seinem Felsenpalast soeben der alte Kaiser Barbarossa aufgewacht ist und nun mit staunenden, halb noch träumenden Augen, fast wie geblendet vom Sonnen­

licht, vom Glanz des neuerstandenen Deutschen Reiches, durch die wuchtigen Säulenbogen hinausblickt. Wächter, Rei­sige, Rosse und Hunde liegen um ihn her noch im Bann des Schlafes.

Zu Füßen des Kaisers Weißbart aber ruht als Wehrkraft ein sehniger Krieger; die Geschichte reicht dem ersten deutschen Kaiser den vollen Lorbeerkranz, während sich tief zu seinen Füßen Schlangen und Unholde als Neid, Lüge, Haß und Verleumdung machtlos winden. Gewaltige Steinterrassen führen zu dem Meisterwerk von Bruno Schmitz. Im Erd­geschoß birgt sich noch ein großer Festraum, der als eine Gedächtnis- und Ehrenhalle an die stolze Zeit von Deutsch­lands Aufschwung gedacht ist. Auf zahlreichen Stufen klimmt man endlich bis zur Zinnenwehr, sich des herrlichen Ausblicks zu freuen. Und welch ein Ausblick!

Nach Norden hin steigt mit seinen dunklen Wäldern der Harz empor, über dessen gipfelarme Bergmassen der düstere Brocken unwirsch sein Haupt erhebt. Näher heran breitet sich, übersäet von wohlhäbigen Ortschaften, die Güldene Aue; die Talhügel längs der Helme, die bewaldeten Höhen der Schrecke, Schmücke wie Hainleite bis hinan zum Possenturm bei Sonders­hausen schlingen sich im Halbkranz um dieses liebliche Bild, das im Süden seinen kräftigen Abschluß durch die blau ver­träumten Bergwellen des Thüringer.Waldes empfängt. Weit, weit hinab vermag das suchende Auge dem Lauf der Unstrut zu folgen, an deren heiteren Ufern sich Burgen, Dörfer, um­wehrte Städtchen, Kaiserpfalzen, Klosterruinen und ernste Denkmäler deutscher Geschichte dicht aneinanderreihen. Und welche Erinnerungen stürmen auf den sinnigen Beschauer hier oben ein!

Schier überlebensgroß schreiten da im Abendlicht die reckenhaften Gestalten deutscher Kaiser im reichen Zug hinab, vom Harz kommend, da und dort auf ihren Pfalzen ruhend: Kpffhausen, Allstedt, Tilleda, Memleben. Dort unten tobten