Heft 
(1906) 30
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Jetzt mutz ich Sie zur Wahrheit mahnen, Herr Schnee­berger! Was Sie uns sind uns allen dreien mir und dem Georg und dem Mädel, datz wissen Sie. Und was ich halt' von Ihnen und immer g'halten Hab', so lang wir uns kennen . .

,,Js' gut, Frau Bang, is' gut! Mein Gott am End' am End' wird da und dort a Stück'! Wahrheit sein ... Ja was i' noch Hab' sagen woll'n . . ."

Ein wehes Zucken ging ihm mit einem Male über das Gesicht, und seine Hand fuhr jäh nach seiner Seite.

Schmerzen? ..."

Er nickte und lag dann wieder unbewegt, daß nur sein Atem schwer und mühsam rang. Aber in seinen Augen lebte und suchte nach Worten, was er noch hatte sagen wollen. Das ward erst langsam stiller.

Abends, als auch die Sephi kam, begann Herr Franz Schneeberger noch einmal zu sprechen.

Frau Bang, der Vua soll kommen. Depeschieren S', ihm, jetzt wär's Zeit. Er weiß dann schon vor ein paar Tagen, wie die G'schicht da los'gangen is, Hab' ich ihn: g'schrieben..."

Da ward es Frau Marie Bang, in deren Fürchten sich in all' den schweren Stunden doch noch ein leises Hoffen eingeschlichen hatte, so schmerzvoll klar, daß dieser alte, treue Freund vor seinem Ende stand.

Und unaufhaltsam, wie sie sich auch zwang, und wie sie auch die Lippen aufeinander preßte, rannen die Tränen Liber ihre alten Wangen.

Im Dämmerlicht des Raumes, den nun nur jene alte kleine Lampe, die auf den: Schreibtisch stand, erhellte, sah Herr Schneeberger aus den weißen Kissen das Weinen seiner Pflegerin. Er wiegte leise den Kopf.

Die Weiber. . .!" Und griff mit heißer Hand dann tastend vor, daß er die Finger seiner alten Freundin fand. Aber Frau Bang was war' denn jetzt dös. . . aber na so was..."

Sephi nahm das Telegramm für Georg mit, als sie dann ging. Sie hatte Frau Bang ablösen wollen für die Nacht, die aber war von ihrem Platz am Krankenbett nicht gewichen. Und Herr Schneeberger hatte still in seinen Kissen die Reden dieser beiden mit angehört und doch dann wie in träumender Zufriedenheit genickt, da Georgs Mutter blieb.

Und wieder Stunden einer stillen Dual, in denen der Kranke im Fieberschlummer und in Schmerzen lag, nur unter­brochen von dem Ab- und Zugehen der stillen Frau, die ihm mit linden Händen die Eisbeutel erneute und von der vor­geschriebenen Medizin reichte.

Zwischendurch saß sie still auf ihrem Stuhl und sann mit wehen Augen. Nun hatte Georg wohl schon die Depesche. Dann kam ihr Bub... Ob er den hier noch traf? Mein Gott! Mein Gott! Ein Beten war in ihr, und alle ihre Freude, daß sie den Buben Wiedersehen sollte, ging unter in der Angst und Sorge um Herrn Schneeberger.

Dann aber schloß sie ihre Augen. Mit einem Male war sie so müde . . . und saß so still, ganz lang' und fuhr er­

schrocken erst aus ihrem Träumen, als sie die Stimme des Herrn Franz Schneeberger hörte- wie von ganz ferne her: Frau Bang . . .?" Er hatte sich im Bett mühsam aufgesetzt und winkte ihr Zur Ruhe, als sie erschrocken ihn wieder in die Kissen drücken wollte.

Ja also hör'n S', Frau Bang das muß ich Ihnen sagen. . . Das Testament viel is' ja net, was ich Hab' aber net wahr? halt doch ..."

Sie sah, wie schwer ihm jedes Reden fiel, und ihre Augen baten, daß er schweige.

Doch er sprach weiter:

Also hör'n S', Frau Bang, dort drüben im Schreibtisch, rechts in der kleinen Lad', da liegt's ..."

Er wollte weisen mit der Hand, die Finger aber flatterten ihm dabei eigenwillig hin und her. Da gab er das mit einen: spöttischen Lächeln auf.

Das G'schäft is'für den Georg ja . . ."

Herr Schneeberger ..." Ihre Stimme war Schluchzen.

Na, und was i' sonst Hab, das biss'l Geld, die paar Papiere, die soll der Muchfinll haben, wissen S', unser Buch- Händlerverein . . . und die Möbel und allen den Kram, der is'für Sie ... No ja, Verwandte Hab'i'kein'. . ."

Sie weinte und konnte kein Wort über die Lippen bringen.

Da schob sich seine Hand über die Decke hin zu ihr und griff nach ihrem Arm.

Aber, Frau Bang!" Als wäre in seiner Brust ein heime­liges glücklich frohes Lachen, so klang das Zittern seiner Stimme, und das klang seinen Worten lange nach.

Schon wollte er den müden, nufgestützten Arm wieder heben und sich zurück in seine Kissen gleiten lassen, da siel ihm noch etwas aufs Herz.

Frau Bang, hör'n S', alles g'hört den: Georg, das ganze Geschäft, nur hint' im zweiten Zimmer, da liegt a Pack'l: a Dutzend ganz seltene Altwiener Bücher sein' drin, dem Houfnagel sein Plan von 1609 und so . . . Das Pack'l soll er mit an' Gruß von mir der Stadtbibliothek bringen . . . soll'n a' was haben die Wiener von: Schneeberger . . . ja . . ."

Dann gab er seiner Schwäche nach. Still lag er da, doch die Augen waren offen.

Er sah die Tränen der Frau Bang und lächelte bei all den Schmerzen, die ihn wieder überfielen.

Und als sie einmal, immer noch mit Schluchzen, nach dem Eisbeutel an der Seite griff, da nahm er ihre Hand in seine heißen Hände und streichelte die alten harten Finger.

Aber Frau Bang!" sagte er nur,a Frau wie . . . aber schaun S', aber gengan S', Frau Bang ..." Und wieder zitterte das heimelige glücklich frohe Lachen wie Schluchzen durch das Zimmer.

Dann war es still.

Herr Franz Schneeberger sprach auch in diesen schweren Stunden, die nun kamen, nicht mehr.

Und gegen Morgen, als das Licht des Tages schon hell von draußen durch die Scheiben brach, da kämpfte er den letzten Kampf zu Ende. (Fortsetzung folgt.)

-MM

Zum 15. deutschen Aundcsschießcn in München. (Zu den

umstehenden Abbildungen.) In München, da versteht man noch Feste zu feiern! Die Theresieiiwiese, dieser unvergleichliche Tummelplatz für ver­gnügtes Volk, weis; davon zu erzählen. Und die Schützen, die in der Mitte dieses Monats aus allen Teilen Deutschlands Vorhin zusammenströmten, werden auch manch fröhliches Lied von jenen Tagen singen können, aber auch von guten, vaterländischen Worten, die sie in Bayerns Hauptstadt vernommen haben. In dem bunten lebenssrischen Treiben kam alles aus seine Kosten, das Auge, das Herz, der Magen und die Kehle. Wer

viel lachen wollte, der ging in die Ausstellung von Karikaturen auf das Schützenwesen, wo ein freundlicher, etwas abenteuerlicher Pförtner den Besucher schon von vornherein in die richtige Stimmung brachte. In München Haber: alle Veranstaltungen ein künstlerisches Gepräge. Die Ausschmückung der Straßen und Gebäude war großartig und schön. Die ganze Leitung lag in den Händen des Münchener Architekten Emanuel Seidl, der in erster Linie mit der Festhalle etwas schwer zu Überbietendes schuf. In gewaltigem Umfang erhebt sich der Bau, eine Holzkonstruktion, bei der sich eine kühne technische Neuerung in

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