Heft 
(1906) 40
Seite
846
Einzelbild herunterladen

846

Das Lierasvl äes Deutschen Nerschutzvereins in tankwitz bei öeriin.

Von Paul Schlesinger.

tieferer blauer Epidemie und so fühlen sie

s^rankenstation.

^übliche Völker, die sich günstigerer Lebensbedingungen er­freuen und überdies anspruchsloser und genügsamer sind als wir Deutsche, empfinden Armut und Not weniger als wir. Ihnen leuchtet eine gütige warme Sonne, ein Himmel, und wenn auch unter ihnen Notstand oft verheerend aufräumen, sich doch weniger zu gemeinsamer Abwehr genötigt. Die großen phil­anthropischen In­stitute des Nor­dens sind ihnen fremd, das Leben ist so leicht, und deshalb scheint es Os W ihnen weniger

wertvoll. Aber

' ^ diese Gleichgültig­

keit gegen das Menschenleben empfinden sie auch dem Tier gegen­über. Nichts gel­ten ihnen die ge­fiederten Sänger, nichts die armen Arbeitstiere, die in heißer Sonnen­glut unter Last und Fuhre keu­chen, nichts end­lich die treuen

Freunde des Menschen, die Hunde, die oft in völliger Ver­wahrlosung ein wahresHundeleben" führen.

Wir Deutsche denken anders darüber. In erster Linie handeln wir menschlich am Menschen. Dann aber hat sich auch die Überzeugung nein, die Empfindung Bahn ge­brochen, daß wir Menschlichkeit auch an Tieren üben müssen. Das Tier ist ein treuer Helfer und Mitarbeiter des Menschen, ein Arbeiter, der freilich nur freie Wohnung und Kost für seine Leistung bezieht. Der Wert des schnöden Mammons ist dem Vierfüßer nicht aufgegangen, dagegen sieht er auf gute Behandlung. Und das ist ja das einzige, was ein Tier für sich in Anspruch nimmt, ein bißchen Liebe.

Beim Arbeitstier liegt ja die gute Behandlung im Interesse des Besitzers, der seine warmblütigen Maschinen vor Krankheit und Überanstrengungen bewahren muß. Auch das Hunde­geschlecht hat heute noch seine Arbeiter. Ter Hund, der­ben Jäger durch Feld und Wald begleitet, der Hund vor der Karre des Lumpenhändlers und der bissige Wächter des Hofes, sie stehen alle im praktischen Leben. Ja, man bemüht sich sogar, neue Betätigungsfelder dem Hund zuzuweisen: als Helfer der Polizei leistet er wertvolle Dienste. Und man darf auch den Hund als Künstler, den Liebling der Schaubuden und Varietes, nicht vergessen.

Tiefer verpflichtet aber sind wir eigent­lich dem spezifischen Luxushund, der nicht so sehr dazu bestimmt ist, seine Rasseninstinkte und seine körperliche Kraft und Gewandtheit wirken zu lassen. Er ist ein Spielzeug der Menschheit. Seine gute Laune, seine Treue de reiten dem Menschenherzen Freude, und diese psy chischen Funktionen sind fast die einzigen, die er zu erfüllen hat. Die Luxusrassen werden in Rücksicht auf dieses Liebes-

bedürfnis der Menschen gezüchtet, also Tausende und aber Tausende von Hunden verdanken ihre Existenz eben nur diesem Bedürfnis. Ich meine, das verpflichtet zur herzlichsten Pflege und Sorgfalt. Denn diese Tiere erhielten mit dem Leben nicht zugleich die Freiheit, sich voll ausleben zu können; ja sie müssen sogar oft genug den Vorwurf der Entartung auf sich nehmen. Das Leben bietet ihnen wenig animalische Ge­nüsse, und ihre Körperkraft verweichlicht in allzu guter, allzu mühelos gewonnener Nahrung.

Und doch nehmen sie an dem wirtschaftlichen Wohlergehen ihres Herrn teil.

Auch der Hund wird oft vor die soziale Frage gestellt. Der Hund, der wirklich und mit Absicht entläuft, gehört ja freilich zu den Seltenheiten. Auch kommt es nicht gerade oft vor, daß ein Mann, der die immerhin spürbare Ausgabe, die ihm sein Hund bereitet, nicht mehr tragen kann, den einstigen Freund einfach aussetzt. Aber merkwürdig häufig sind doch die Fälle, in denen die Besitzer entlaufener Hunde sich um deren Schicksal gar nicht weiter kümmern. Hier setzt nun die öffentliche Hundepflege ein, der in Lankwitz seit einigen Jahren ein wahres Monument errichtet ist. Dort hat der Deutsche Tier­schutzverein sein Hundeasrfl, dort finden die Heimatlosen der Hundewelt freundliche Aufnahme; aber auchbemittelte Vier­füßer" finden dort für einige Zeit ausgezeichnete Unterkunft zu zivilen Preisen, wie es im Hoteljargon heißt.

An einem freundlichen Sommertag wanderte ich hinaus. Ein wenig abseits von den eleganten Villenvierteln von Groß- Lichterfelde liegt die Dessauer Straße, in der sich das Tierasyl befindet. Vor einem vornehm umgitterten, etwa 2^ Morgen großen Gartengrundstück hielt ich inne. Ein schmuckes Tor­wächterhäuschen fiel mir zuerst ins Auge. Es ist mit aller­hand hübschen Sinnsprüchen geschmückt, die sicher auf die hier eintretenden Hunde eine tiefgehende moralische Wirkung üben.

Nun ging ich weiter durch den prächtig angelegten Garten bis zu einer hohen Mauer, die getreulich das Hundehotel gegen Ein- und Aus­bruch hütet. Kühn öffnete ich eine Tür und stand nun vor denn Zweistöckigen Hauptgebäude, dessen Architekt sich von go­tischen Motiven leiten ließ.

Ich dachte noch etwas über den Zusammen Hang von Hundeseele und Gotik nach, kan zu keinem

'k

,

- - -

?>WU!

Ausladen der eingelieferten Lunde.