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mierte. Zehn bis vierzehn Tage bleiben die Obdachlosen im Lankwitzer Asyl. Hat sich dann der Eigentümer noch nicht gemeldet, so wird die arme Hundeexistenz, sofern sie rasselos oder von Krankheit
Tummel
plätze
j i aF
. ^ ' mit
Futter- und Schlafräumen.
be- lastet
war, auf _ ^ ^
sanfte Weise
beendigt. Wer aber in der Wahl seiner Eltern vor
sichtiger war, wird gegen Erstattung der Pflege- und Futterkosten verschenkt. Auch hier soziale Probleme: gute Familie schützt vor frühem Tod.
Und nun zu den vierbeinigen Herrschaften selbst! Es ist wirklich prächtig für sie gesorgt! Von dem Hauptgebäude zweigen zwei Seitenflügel ab, von denen der rechte die Stallungen der Pensionshunde, der linke die der Findlinge enthält. Jeder dieser Ställe hat 80 Abteilungen, große und kleine Boxen. Das Meublement
ist einfach, aber gediegen. Wirklich schön aber ist, daß die Hälfte der Käfige mit einem kleinen Garten versehen ist, so daß die Tiere nach Belieben ins Freie können. Auch dort sind sie freilich voneinander getrennt, nur ein großer Rasenplatz ist frei, auf den sie einzeln hinausgeführt werden, damit sie sich dort nach Herzenslust tummeln können.
Im übrigen bellt der vornehmste Pensionshund ebenso unverschämt laut wie der herabgekommene Findling aus der Hefe der Hundegesellschaft. Und das Bellen ist ja ihre einzige Beschäftigung. Es fehlt ihnen wohl etwas an geistiger Betätigung. Namentlich die gebildeten Pensionshunde scheinen darüber zu klagen. Sie sehen ihre Leidensgenossen nur durch das Gitter, und diese „splendid wo- lation" ist langweilig wie jede andere. Und dann — sie begreifen ihre Existenz nicht. Ein Hund, der einmal seinen Herrn wechselt, hat
mit einer gewissen Gemütsverschiebung zu kämpfen. Er hat eine alte Treue aufzugeben und mit einer neuen zu beginnen. Aber der Aufenthalt inr Hundeasyl ist für die armen Kerle ein Seelenrätsel. Kommt der alte Herr nie wieder? Schuldet man dem Herrn Inspektor außer der nötigen Achtung auch Liebe? Der fragende Blick, den der alte Phylax gen Himmel richtet, birgt eine Frage an das Schicksal.
Die Findlinge, die einer so ungewissen Zukunft entgegengehen, verbringen ihre Gefangenschaft in Massenquartieren. Die Konversation ist entsprechend lebhaft. Guter Laune sind die meisten. Nur die sonst so lustigen Pudel sind melancholisch. In ihren treuen Herzen ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Herrn stets lebendig.
Weniger sentimentale Gesichter sieht man in den Katzenboxen. Während die Hunde immer geduldig sich nur nach neuer Herrschaft sehnen, bleibt das Kätzchen Realpolitiker und wartet auf den Augenblick, da es entwischen kann. Nur nächtens, wenn alles still geworden ist, wird auch das kleine Raubtierherz weich gestimmt. Und es ertönen Gesänge, die geeignet sind, Eisengitter zu verbiegen.
Von den gesunden Tieren völlig getrennt, liegen die Krankenstationen. Hier herrscht freilich großes Elend. Traurig liegen die armen Kerle auf ihren Strohlagern. Aber es sind alles keine verzweifelten Fälle. Es wird gut für sie gesorgt. Noch wenige
Wochen, dann spazieren sie wieder wie die Gesunden an der Seite des geliebten Herrchens hinaus aus dem schlimm- schönen Hundehotel in die goldene Freiheit.
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KAHM
Auswaschen der Augen.
Oie?rau cles fDimon.
Novelle von (7arl Conte Scapinelli.
H^as alltägliche Leben herrschte in den Gängen des großen neuen Justizpalastes. Schreiber in verschabten Röcken liefen hin und her, Rechtsanwälte in langen schwarzen Talaren, die sie offenstehen ließen und aus denen die goldene Uhrkette protzig herausleuchtete, standen in kleinen Gruppen an die Fenster gelehnt. Dann und wann kam einer mit ängstlichen unsicheren Blicken daher, eine Vorladung in der Hand, sah ins Papier und dann auf das Schild an der Tür; auf den Bänken saßen und kümmelten die verschiedensten Gruppen; der Wachmann aber musterte alle Leute ringsum mit kritischem Blick.
Das alltägliche Leben! Drinnen in den Amtszimmern wurden Urteile gesprochen, Lebenshoffnungen vernichtet, alter
Haß neu aufgepeitscht, verschämte Schande laut verkündet, den Ärmsten das Letzte genommen, mancher Reiche noch reicher erklärt: das alltägliche Leben!
Deswegen wurde nichts anders, es war das alles hier der Alltag — das gewöhnliche Einerlei!
Nur wer an das. Treiben nicht gewöhnt war, wer als Fremder, als Hilfe- oder Rechtsuchender daherkam, denr kam das Gebäude, die Menschen, die Luft, alles drückend, beklemmend, unheimlich und geheimnisvoll vor.
Die Dame, die in schwarzem Kleid mit dichtem Schleier in einer Fensternische stand und stumm und resigniert zrr allem, was der Rechtsanwalt hier an Mut und Trost in sie einsprach, nickte, war auch so eine, die der Kummer herführte