Heft 
(1906) 41
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das nicht mindestens einen ebenso reinen Stammbaum be­sitze wie sie selbst. Mit ihren Nebenfrauen nehmen sie es nicht so genau, denn die getreuen, vor Ehrfurcht ersterbenden Untertanen sehen es als besondere Ehrung an, wenn ihre Töchter die fürstlichen Zenanas, das heißt Harems, mit ihrer Anmut und Schönheit schmücken können. Nicht alle diese Prinzlein sind Nabobs, ja bei vielen ist es mit dem sagen­haften indischen Reichtum recht schlecht bestellt. Aber die Hof­haltung ist bei festlichen Gelegenheiten überall glänzend. Ziehen sie auf die Jagd, dann begleitet sie ein Troß von Elefanten, ge­fesselten Leoparden und Tschitahs (Geparden), ein Heer von Fallonieren, die Jagdfalken auf der Hand, Flinten- und Schwertträger, Pfeifen- und Pantoffelträger, Köche, Diener, Trei­ber. Kommt ein englischer Gesandter oder ein europä­ischer Fürst, dann gibt es Festlichkeiten und Umzüge, wie sie beim rheinischen Karneval nicht bunter zu sehen sind.

Neben diesen Liliput­prinzen gibt es, wie ge­sagt, viele wirkliche Na­bobs mit unermeßlichen Einkünften, mit Juwelen und aufgespeicherten Schät­zen, die unsere europä­ischen Schatzkammern an Wert übertreffen. Ich erwähne nur die Maha­radschas von Gwalior und Alwar, den Naizam von Haidarabad, den Gaikaur von Baroda, die Maha­radschas von Jeypore,

Udaipur und Jodhpur.

Was gibt es dort für prächtige Paläste, glanz­volle Hofstaaten, wertvolle Schätze! In der Schatz­kammer von Baroda zeigte mir der Maharadscha Dutzende von Halsketten aus nußgroßen Diaman­ten, Saphiren, Rubinen,

Smaragden und Perlen,

Pferdedecken, ganz gestickt aus solchen Edelsteinen, und an seinem Hals funkelte als Krone des Ganzen der berühmteStern des Dekkan", einer der größten Diamanten der Erde. Beim Maharadscha von Alwar sah ich eine Tasse aus einem einzigen Smaragd geschliffen und eine zweite, kleinere Tasse aus einem einzigen Rubin! Jeder der großen Fürsten besitzt ein paar derartige Prunkstücke, irgend eine Agraffe für seinen Turban, einen Schwertgriff, Gürtel, oder sogar Fußspangen mit den köstlichsten Edelsteinen.

Warum gerade die indischen Fürsten so außergewöhnlich reiche Schätze besitzen und sich mit ihnen schmücken? In Indien gibt es nicht Zepter, Reichsapfel und Krone, und die Juwelen dienen gewissermaßen als Ersatz dafür. Die Fürsten brauchen ihre großen Einkünfte nicht mit Reisen, Hoftheatern, Pferderennen, kostspieligen Festlichkeiten zu verzetteln; ihr un­geheurer Hofstaat kostet sie wenig, denn die Edelleute ihres Landes betrachten es als besonderen Vorzug, ihren Fürsten zu dienen, ihre Diener sind größtenteils Leibeigene, und die vielen Frauen ihrer Zenanas kleiden sich nach indischer Mode, die niemals wechselt. Die meisten der herrlichen gold- und silberdurchwirkten Stoffe, Seidengaze, Stickereien usw. werden in den Palästen selbst durch Leibeigene verfertigt. Die Gunst

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Riesenfrüchte auf Ceylon.

der Schönen brauchen sich die Fürsten nicht durch kostbare Geschenke zu erkaufen, und so konnten sie ihre Einkünfte mit dem besten Willen nicht loswerden, außer durch den Ankauf von Juwelen. Jeder ihrer Nachfolger erwarb andere, und in dieser Weise sammelten sich die sagenhaft reichen Schütze Indiens an.

Mit dem steigenden Einfluß Englands ist das in so man­chem indischen Königreich anders geworden. Viele Fürsten­söhne werden europäisch erzogen, gehen auf Reisen und führen nach ihrem Regierungsantritt Schulen, Wasserleitungen, Hospi­täler und Eisenbahnen in ihren Staaten ein oder huldigen kostspieligen Passionen nach abendländischem Muster. So unterhält beispielsweise der Gaikaur von Baroda aus seinen

eigenen Privatmitteln eine Armee von ungefähr zwan­zigtausend Mann, obschon er in absehbarer Zeit kaum Gelegenheit haben dürfte, irgendeinen Krieg zu führen. Bei einer Parade, die gerade zur Zeit meines Aufenthalts in Baroda stattfand, war ich überrascht von der Strammheit und unge­wöhnlichen Größe seiner Soldaten, der Schönheit der Pferde, den: Glanz der Uniformen. Die Ge­schütze seiner Artillerie zwei davon haben Ka­nonenrohre aus massivem Gold sind nicht mit Pferden oder Maultieren, sondern mit je sechs schneeweißen, langhörnigen Ochsen bespannt, und sie galoppierten bei den Auf­märschen und beim Defi­lieren ganz bewunderns­wert. Der Gaikaur strahlte vor Freude, als ich ihm gelegentlich eines Diners in seinem feenhaften Zwölf­millionenpalast meinen Glückwunsch zu seiner Armee aussprach.

Zwischen Baroda und dem noch seltsameren Königreich Jndore liegen ein paar kleine Fürstentümer, jedes freilich doppelt so groß wie Schaumburg-Lippe, aber das ist für in­dische Verhältnisse sehr klein. So z. B. Dewas, ein Staat, der von zwei Fürsten auf einmal regiert wird. Beide residieren in verschiedenen Palästen in ein und derselben Hauptstadt, haben ihre eigenen Großwesire und Ministerien und ihre be­sonderen Armeen. Der ältere Fürst, Baba Sahib, unterhält siebzig Reiter, sechshundert Infanteristen und eine Batterie mit vierzehn Geschützen. Der jüngere Fürst, Dada Sahib, hat gerade die Hälfte, und beide Fürsten haben ihre eigenen Staaten, deren Grenze mitten durch die Hauptstadt führt.

So gibt es in Indien noch unzählige andere Absonder­lichkeiten, die das Reisen und vornehmlich den längeren Auf­enthalt in diesem großen Reich so besonders interessant ge­stalten. Dazu kommt noch die Pracht der wunderbaren Natur, im tropischen Süden so grundverschieden von den: eisumstarrten Norden, der von den: mächtigsten Gebirgszug der Erde, dem wilden, unerforschten Himalaja, eingenommen wird. Schon diese neun Kilometer hohen Bergriesen zu bewundern, würde allein die Reise nach Indien lohnen.