Heft 
(1906) 46
Seite
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Ja, Kind, warum soll er denn wiederkommen."

Weil er bequem is, weil er keinen Muck hat, weil er ein Schlappier is."

Ach, Thilde, sage doch nicht immer so was, du hast so viele Wörter, die du nicht in den Mund nehmen solltest."

Warum denn nicht, Mutter?"

Weil es dir den Ruf verdirbt."

Ach, was Ruf, mein Ruf is ganz gut und muß auch. Ich weiß, wo Bartel den Most holt, und weil ich's weiß, paß ich auf, ich passe ganz schmählich auf, mir soll keiner kommen! Und was die paar Redensarten sind Gott, Mutter, die laß nran ruhig, da halte ich mich dran fest, die tun mir wohl, und wenn ich so höre, daß einer immer so fromm und

faul drum rumgeht, da wird mir ganz schlimm."

Ganz schlimm das is nun auch wieder so. Na, rede wie du willst, ändern kann ich dich doch nicht. Du hast immer deinen Willen gehabt von klein an, und Vater hat immer gesagt: ,Laß man, die wird gut, die frißt sich durch? Ja, so hat er gesagt, aber wenn's man wahr is. Und warum hat er denn keinen Muck ich meine den Herrn, von dem du sagst, er wird schon wiederkommen. Und warum wird er denn wiederkommen?"

Du siehst auch gar nichts, Mutter. Hast du denn nicht seine Augen gesehen und den schwarzen Vollbart und ordent­lich ein bißchen kraus so viel mußt du doch wissen, mit

solchen ist nie was los. Ich will dir was sagen: so ganz hat

es ihm nicht gefallen, es hat ihm auch nicht mißfallen, und weil Wohnungsuchen und Treppensteigen langweilig ist und einem Mühe macht, so denkt er bei sich: eine Wohnung ist wie die andere, und ruhig is es und kein Klavier und die bunte Steppdecke. . . Warum soll ich da nicht mieten? Und ich will dir auch sagen, wie er nun seine Zeit hinbringt. Von Suchen und Sichumtun is gar keine Rede, dazu is er viel zu bequem. Er ist nur hinübergegangen nach dem Bahnhof, da ißt er ein deutsches Beefsteak oder auch bloß eine Jauersche und trinkt ein Kulmbacher dazu und dann geht er nach dem Cafö Bauer, und wenn ihm das schon zu unbequem is, denn er geniert sich nicht gern und sitzt nicht gern gerade, was man da doch muß, dann geht er nach den Zelten und trinkt seinen Kaffee und sieht zu, wie sie Skat spielen oder Schach, und schmunzelt so ganz still vor sich hin, wenn ein reicher Budiker mit seinem Wagen vorfährt und seinem Pferd ein Seidel geben läßt. . . Und wenn er damit fertig is, dann schlendert er so durch den Tiergarten hin bis an den Schiffbauerdamm, und dann kommt er über die Brücke und steigt die drei Treppen Tauf und mietet. . . Ich will keinen Zeisig mehr im Bauer- Haben, wenn es nicht so kommt, wie ich sage!"

Mathilde behielt recht. Ob der junge Mann in den Zelten gewesen war, entzieht sich zwar der Feststellung, aber so viel ist sicher, daß er zwischen Fünf und Sechs wieder oben bei Möhrings die Klingel Zog und mietete.Meine Sachen stehen noch auf dem Bahnhof hier drüben, hier ist mein Schein. Sie können vielleicht jemand 'rüberschicken und sagen lassen, daß ein Kofferträger oder ein Dienstmann sie herüberbringt. Ich will noch einen Freund besuchen, und wenn ich wiederkomme, hoffe ich alles vorzufinden."

Frau Möhring versprach alles. Als er fort war, sagte Mathilde:Siehst du, Mutter, wer hat recht? Du wirst auch noch hören, daß er in den Zelten war."

Die Sachen kamen, ein Koffer und eine große Kiste, und als Mutter und Tochter die Kiste bis dicht ans Fenster ge­schoben, den Koffer aber auf einen Kofferständer gehoben hatten, zogen sie sich in ihr an der linken Seite des Entrees gelegenes Wohnzimmer zurück.

Es sah sehr ordentlich darin aus und auch nicht ärmlich. Vor dem hochlehnigen Kissensofa lag ein Teppich mit Rosen­muster, und neben dem Stehspiegel mit dem Riß in der Mitte standen zwei Ständer, in die eine rote und eine weiße Geranie gesetzt waren. Auf einem Mahagonischrank prangte ein Makart­bukett, neben dem Schrank an der Wand eine Hängeetagere

mit Perlenstickerei. Der weiße Ofen war blank, die Messingtür noch blanker, und zwischen Ofen und Tür an einer Längswand, dem Sofa gegenüber, stand eine Chaiselongue, die vor kurzen: erst auf der Auktion eines kleinen Gesandten erstanden worden war und nun das Schmuckstück der Wohnung bildete. Daneben ein ganz kleiner Tisch mit einer Pendeluhr darauf, die einen merkwürdig lauten Schlag hatte.

Mathilde stellte sich vor den Spiegel, um sich den Scheitel etwas glatt zu streichen, denn ihr Haar war sehr dünn und hatte eine Neigung, sich in Streifen zu teilen. Mutter Möhring aber setzte sich auf das Sofa gerade aufrecht und sah nach der Wand gegenüber, wo ein Pifferaro auf einen: Felsen saß und seinen Dudelsack blasend, einfältig und glück­lich in die Welt guckte. Mathilde sah im Spiegel, wie

die Mutter so still und aufrecht dasaß, und sagte, ohne sich umzudrehen:

Warum sitzt du nun wieder auf den: harten Sofa und kannst dich nicht anlehnen. Wozu haben wir denn die Chaiselongue?"

Na, doch dazu nicht."

Freilich dazu, und es war noch dazu gar kein Geld, und nun denkst du gleich, du ruinierst sie und sitzt ein Loch hinein. Ich Hab' es nur gespart und habe mich gefreut, als ich dir's aufbauen konnte."

Ja, ja, Thilde, du meinst es gut."

Und Rückenschmerzen hast du immer und klagst in einen: fort. Und doch willst du nie darauf liegen. Und wenn du noch recht hättest, aber es ruiniert nicht, und wovor: sollte es auch, du wiegst ja keine hundert Pfund."

Doch Thilde, schaden kann's ihr doch."

Und wenn auch, je eher das Ding eine kleine Sitzkute hat, desto besser. So steht es bloß da wie geliehen und als graulten wir uns, uns darauf zu setzen. Und so schlimm ist es doch nicht, wir haben ja doch unser Auskommen und be­zahlen unsere Miete mit den: Glockenschlag. Und dann haben wir ja doch noch mein Sparbuch. Also warum machst du dir's nicht bequemer? Es sieht auch viel besser aus, wenn man so merkt, es ist in Dienst. Der Spiegel ist alt und das Sofa ist alt. Da darf die Chaiselongue nicht so neu sein, das paßt nicht, das stört, das ist gegen's Ensemble."

Gott, Thilde, sage nur nicht so was Französisches, ich weiß dann immer nicht recht, was es heißt. Zu meiner Zeit, da war das alles noch nicht so, und mein Vater wollte von Schule noch nichts wissen . . . Na, du weißt ja, wohin man guckt, immer hapert es. Sieh doch mal hier seine Karte: -Hugo Großmannß das verstehe ich, aber nun

kommt sein Titel, oder was er is', und da weiß ich nicht. Was soll das heißen?"

Oanä. jur. das heißt, daß er Kandidat ist."

So, so, na, das is gut, dann is es ein Prediger oder wird einer."

Nein, Prediger nicht, dieser is' bloß ein Rechtskandidat, das heißt soviel als wie, er hat ausstudiert und muß nun sein Examen machen und wenn er das gemacht hat, dann ist er ein Referendums. Er ticktakt jetzt so hin und her zwischen Student und Referendums."

Na, wenn er nur bleibt. Glaubst du, daß er bleibt?"

Natürlich bleibt er."

Ja, du bist immer so sicher, Thilde. Woher willst du wissen, daß er bleibt?"

Ach, Mutter, ich sage dir ja, du siehst nichts. Wo der­mal sitzt, da sitzt er, der is bequem, und eh' der wieder aus­zieht, da muß es schon schlimm kommen, und schlimm kommt es bei uns nicht. Wir sind artig und manierlich und immer gefällig und laufen alle Gänge und sehen bloß, was wir sehen wollen."

Glaubst du, daß er. . .?"

I Gott bewahre, der is wie Gold. Mit dem kann man drei Tage und drei Nächte fahren, einen so Anständigen haben wir noch gar nicht gehabt, und dann mußt du bedenken, er is vorm Examen, und wir haben kein Klavierspiel. Auf den: Hof

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