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Nehmen wir ein Stück dieser Decke in die Hand, zunächst aus ihrer obersten Schicht. Es ist ein bräunlicher Klumpen, der aus nur wenig vermoderten Pflanzen, aus Moos, Heidekraut und Wurzelfasern sich zusammensetzt. Die einzelnen, locker ineinander verfilzten Bestandteile sind deutlich sichtbar. Das ist Fasertorf. Moostorf nennt man die leichteste Gattung, die sich nur wie welkes dicht zusammengeballtes Moos ansieht und, wenn entzündet, mehr glimmt als flammt. Der Moostorf ist als Brennmaterial nicht zu gebrauchen; ebensowenig wie die sogenannte Bunkerde, eine dünne schlechte Erdschicht, die das Torflager oben bedeckt. Der Fasertorf wird anderwärts auch Rasentorf genannt. Greifen wir tiefer in den braunen Grund nach einer zweiten Probe. Der Klumpen ist schwerer, dunkler; er macht den Eindruck stärkerer Vermoderung. Ihn heißt man Sumpf- oder Moder- torf. Der Sumpftorf wird, wo er sich so mit Wasser vermengt, daß er einen dunkelbraunen Brei bildet, auch Baggertorf genannt. Und eine Probe aus den tiefsten Gründen oder aus den ältesten Mooren zeigt sich schwarzbraun, steinern, fast wie Braunkohle anzusehen. Wo sie der Spaten durchschnitt, hat sie wachsartigen Glanz; die Pflanzenreste, aus denen sie besteht, sind kaum mehr zu erkennen. Dies nennt man Pechtorf oder Specktorf; er sprüht im Feuer am meisten Hitze, wiegt am schwersten. Auch Hagetorf wird er genannt.
Aller Torf entsteht durch Verwesung von Pflanzen. Aber diese Verwesung muß unter bestimmten Verhältnissen vor sich gehen, wenn sich Torf bilden soll.
Zunächst sind es bestimmte Pflanzenarten, die zumeist als torfbildend erscheinen: Moose, Sphagnen, Algen, Eriken; auch Sumpf- und Wasserpflanzen. Wo die Vertorfung eintritt,
können ihrem eigenartigen Prozeß auch solche Pflanzen und Pflanzenteile unterworfen werden, die für gewöhnlich nicht zu ihr neigen. Je nach dem Vorherrschen einzelner Pflanzengattungen bei der Entstehung der Torfmoore scheidet man letztere in Moostorf, Heidetorf, Sumpftorf, Waldtorf oder Meertorf.
Es ist aber noch eine Bedingung erforderlich, wenn verwitternde Pflanzen Torf werden sollen. Die Verwesung darf nur eine langsame Verkohlung sein, kein vollständiger Ver- wesungsprozeß. Die Torfbildung findet nur statt, wenn die torfbildenden Pflanzen unter möglichstem Ausschluß von Luft vermodern können, weil der Sauerstoffgehalt der Luft sie rasch einem völligen Verbrennungsprozeß zuführen würde. Möglicherweise kommt auch die fäulnis verhindern de Wirkung mancher Pflanzensäuren bei der Torfbildung zur Geltung. Ein Abschluß der Luft aber findet vor allem statt durch stehende Gewässer. Wo demnach die Bodengestaltung muldenförmig ist und als Untergrund der Mulden undurchlässige Bodenschichten lagern, so daß kein genügender Wasserabfluß aus den Mulden stattfindet, füllen sich diese zuerst mit Wasser durch Regen, Schnee und durch den Zufluß von Bächen und Flüssen. Auf der Oberfläche der stehenden Gewässer und an ihrem Rand wachsen Algen, Moose, Sumpfpflanzen, Wassergräser und Binsen. Stirbt diese Pflanzenwelt ab, so bedeckt sie nach und nach den Boden der Mulde und bildet eine Schicht von Moder, auf der im Lauf der Jahrhunderte immer neue Schichten sich lagern. Da die obersten Schichten und das Wasser zusammen die unteren Schichten gegen die verwitternde Wirkung der Luft abschließen, können diese Schichten nur langsam verkohlen; sie werden zu jener Masse, die man Torf nennt. Zersetzte Pflanzenstoffe geben ihm seine eigentümliche braune Färbung; eine braune Farbe haben in der Folge auch die Gewässer der Torfmoore. Gegenstände, die in diesen Gewässern versinken, werden von der Torfschicht bedeckt und eingeschlossen und können durch die Einwirkung von Pflanzensäuren viele Jahrhunderte hindurch erhalten werden.
So hat man in Lincolnshire und bei Haßleben in Thüringen gut erhaltene Leichen aus Torfmooren gegraben; Kleiderreste und Schmuckstücke an ihnen zeigten, daß diese Leichen seit
den Tagen der römischen Eroberung in ihrem braunen Pflanzengrab lagen. Auf der Cimbrischen Halbinsel und in Skandinavien wurden uralte Wikingerschiffe aus Torfmooren gegraben, auch in Südbapern hob man schon alte Schiffe aus dem Torf. In diesen Fällen und in manchen anderen geben solche Funde deutliche Aufschlüsse über das Alter der Torflager. So wissen wir, daß manche Torflager in geschichtlicher Zeit entstanden, während andere, in denen sich die Kadaver und Skelette vorweltlicher Tiere fanden, weit älter, manche sogar so alt sind, daß sich wieder Gebirgsschichten über sie hingelagert haben.
Eine schauerliche geschichtliche Erinnerung knüpft sich an eine weibliche Mumie, die, mit Haken an einem Pfahl befestigt, aus einem jütischen Torfmoor gehoben ward. Man vermutet in ihr die Reste der unglücklichen norwegischen Königin Gunhilde, die im Jahre 966 von König Harald Blaatand nach Dänemark gelockt und dann im Torfmoor versenkt worden ist.
Unter Umständen kann die Torfbildung sehr rasch vonstatten gehen. Gräben, die man in Torfmooren gezogen hatte, füllten sich manchmal schon nach Jahrzehnten mit jungem Torf, und zwar in Schichten bis zu anderthalb Metern Mächtigkeit. Der Nachwuchs an Torf ist je nach Lage und Beschaffenheit des Lagers sehr verschieden. Bei manchen Mooren wächst alljährlich eine Schicht von 12 bis 15 Zentimetern zu; bei anderen weniger oder gar nichts. So kann man auf das Alter eines Torflagers nur einigermaßen schließen, wenn man seine Mächtigkeit und den jährlichen Zuwachs kennt. Die mächtigsten Moore haben eine Tiefe von 16 Metern. Abbauwürdig sind Torflager bei günstiger Abfuhrgelegenheit schon, wenn sie 40 bis 60 Zentimeter mächtig sind, sonst erst bei 1 bis 1V2 Metern.
Äußerlich bieten die Torfmoore insofern gewisse Verschiedenheiten des landschaftlichen Eindruckes, als manche von ihnen mit Ackerkrume, Sand oder Lehm überlagert sind und selbst hochstämmige Bäume tragen; andere bilden nasse Sümpfe und tragen eine bunte Decke wildwachsender Pflanzen; wieder andere sind völlig von Wasser bedeckt.
Unter ganz besonderen Verhältnissen kann sich Torf auch bilden an Stellen und aus einer Pflanzenwelt, die sonst nicht zur Torfbildung neigen. So findet man ausnahmsweise in Südbapern Torflager aus vermodertem Urwald bestehend; anderwärts zeigen sich auch im Hochgebirge selbst an solchen Stellen, die nach mehreren Seiten hin den Wasserablauf gestatten, eigentümliche Moorbildungen. An den Gottesackerwänden in den Algäuer Alpen finden sich Torfmoore, die mehr als anderthalbtausend Meter über der Meeresfläche erhaben sind.
Die Verschiedenheiten der chemischen Bestandteile des Untergrundes wirken auf das Wesen der Torfmoore
insofern ein, als Moore auf tonigen Mulden ein anderes Landschaftsbild zeigen als die Moore auf kalkreichen
Kieslagern. Erstere nennt die Wissenschaft Hochmoore, letztere Wiesenmoore, auch Grünlandsmoore oder Niederungsmoore.
Den Hochmooren verleiht eine Moosgattung (LpllaZuum) ihre rötliche Oberfläche, auf der sich häufig zwerghafte Wäldchen von knorrigen Legföhren finden. Die Hochmoore werden bis zu 15 Metern mächtig. Sie entstehen, indem der Torf in einem an mineralischen Nährstoffen armen, stehenden Gewässer sich bildet. Ist die Torfbildung bis über Wasser vorgeschritten, so siedeln sich auch andere genügsame Pflanzen auf dem Torf an. Die Oberfläche der Hochmoore ist gewöhnlich sanft gewölbt. Diese Wölbung erreicht beim Düvelsmoor lTeufelsmoor) bei Bremen in der Mitte elfeinhalb Meter Höhe. In Süddeutschland heißen die Hochmoore Filze. Die Wiesenmoore haben eine grüne Färbung der mit sauren Gräsern bekleideten Oberfläche; sie zeigen als Baumwuchs meist hochstämmige Kiefern und Birkengruppen. Ihre Mächtigkeit beträgt nur ein bis vier Meter. Die Wiesenmoore, in Süddeutschland Möser genannt, bilden sich gern an den Ufern oder im Überschwemmungsgebiet fließender Wasser oder in geschloffenen Becken mit mineralhaltigem Wasser. Wertvoller ist der Torf der Hochmoore.