Heft 
(1906) 46
Seite
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unterbrochen durch unschöne weitläufige Schuppen, die mit ihren dünnen Lattenwänden aussehen wie Skelette von Häusern, und durch die kleineren und größeren Torfhaufen.

Und mittags, wenn er aus seiner Grube steigt zur kargen Mahlzeit, trifft er mit seinem Weib zusammen, das unterdessen Tausende und aber Tausende von braunen Torfklumpen von den Karren gehoben und aufgeschichtet hat, während ihr Kind da­neben in einem Holzwägelchen lag, um, wenn es nicht schlief, mit großen Augen bald nach den braunen Torfschichten, bald nach den fliegenden Wolken am Frühlingshimmel zu schauen. Der Sitz der Leute bei ihrer Mahlzeit besteht auch aus Torf­stücken; ihre Hände sind braun und an ihrem Arbeitsgewand hängen vermodernde Pflanzenfasern; über der ganzen Land­schaft breitet sich ein eigentümlicher Moorgeruch aus. Nur der Sonnenzauber des Frühlings vergoldet selbst diese Landschaft.

Reichere und schönere Aufgaben stellt das Torfmoor unter­nehmenden Landwirten und Kulturingenieuren, denen es Vor­behalten ist, auch diesen so stiefmütterlich ausgestatteten Boden umzugestalten, daß er nach und nach zur fruchttragenden Acker­scholle wird. Der kunstlosen Brandkultur, die durch Ab­

brennen der Moore diese anbaufähig zu machen sucht und dabei die Luft über ganze Länderstrecken verpestet, sind schon seit geraumer Zeit Versuche besserer Kulturarten gefolgt. So namentlich die obenerwähnte holländische Veenkultur, die, wenn der Torf völlig abgestochen ist, auf dem Boden die vorher abgeräumte dünne Erdschicht, mit mineralischen Bestand­teilen vermengt, ausbreitet und für landwirtschaftlichen Anbau nutzbar macht. Ferner die Rimpausche Moordammkultur (Provinz Sachsen), die, für Grünlandmoore geeignet, bei Ent­wässerung, Besandung und kräftiger Düngung hohe Fruchtbar­keit des Bodens schafft. Erwähnung verdienen endlich die wissenschaftlich praktischen Versuche der neuesten deutschen Hoch­moorkultur, die ohne Austorfung das Moor durch Entwässe­rung, Umhacken, Kalken und künstliche Düngung fruchtbar machen, aber auch nur mit Schiffahrtskanälen oder Feldbahnen erfolgreich sein können. Jedoch wird es noch lange währen, bis auch die letzte Strecke unserer öden Torfmoore zeigt, daß der Energie und Spürkraft des Menschen kein Winkel seiner irdischen Werkstatt zu schlecht ist, daß auch aus dem verlassensten Boden Reichtum zu wachsen vermag.

Der stille Weg.

Roman von Richard Skowronnek.

(9. Fortsetzung.)

ach dem Fortgang der Gäste gab es auf der Öuessendorfer Parkveranda eine lange Pause des Schweigens. Frau Fanny hatte eigentlich ein paar sarkastische Bemerkungen auf dem Herzen der rührende Abschied von Herrn Schmielkes Schwester war in ihren Augen ein schauspielerisches Meisterstück gewesen aber sie beherrschte sich, um bei der Unberechenbaren nichts' zu verderben. Der Hausherr hatte nach der Zeitung gelangt, und Alix saß wie traumverloren da, ihre Blicke hingen an den dunklen Parkbäumen weit im Hintergrund, indessen ihre ringgeschmückten Hände auf den Saiten der Gitarre leise verklingende Mollakkorde griffen . . . Ein Windhauch kam vom Park herüber, der auf der untersten Treppenstufe liegende Gordonsetter stand auf, sträubte die Nackenhaare und ließ ein feindseliges Knurren hören.

Der Herr von Ouessendorpf erhob sich und griff nach den: an der Wand lehnenden derben Krückstock.

Nanu, Tory? Und Tory, faß, faß!"

Der Hund fuhr mit lautem Bellen ins Dunkle, sein Herr aber folgte ihm.Weiß Gott, dieses plachandrige Gesindel, das sich jetzt zur Erntezeit auf der Landstraße rumtreibt . . . na, wir werden die Herrschaften schon auf den Schwung bringen, falls sie es sich beifallen lassen sollten, im Öuessendorfer Park zu nächtigen."

Alix Prahlstorff hatte ihn zurückhalten wollen, aber es gab einen Kickser, die Stimme versagte ihr. Jetzt wußte sie genau, wer dort unter den hohen Eichen den ganzen Abend über gestanden hatte . . . vorhin, als der seltsame Laut an ihr Ohr gedrungen war wie ein unterdrücktes Aufschluchzen klang es, und niemand außer ihr horchte- hatte sie es auf ihre

überreizten Nerven geschoben. Aber jetzt wußte sie den Laut zu deuten: als sie von dem zerbrochenen Ringlein sang, war er erklungen. Und ein Bangen trat sie an, daß ihr das Herz bis in den Hals hinauf klopfte . .' .

Alix, was hast du?" fragte Frau von Ouessendorpf.Du bist ja auf einmal ganz blaß geworden?" Und als die andere keine Antwort gab, trat sie näher auf sie zu.Ist dir's wirk lich nicht gut, oder hast du auf einmal wieder Katzenjammer gekriegt wegen allzufreundlicher Behandlung der Geschwister Schmielke?"

Fanny, ich bitte dich, nur jetzt nicht sprechen!"

Gewiß, mein Schatz, nur ist auch nicht danach zumute . . . siehst ja, ich habe die ganze Zeit geschwiegen, und es hängt

nur von dir ab, unser Gespräch auf ein paar kurze Worte zu beschränken. Also sag mir, wie du dich entschieden hast, und ich bin zufrieden, treffe danach meine Maßnahmen, und wir -gehen schlafen ..." Als aber Alix darauf nur mit einem Seufzer und einem Achselzucken antwortete, wurde Frau von Ouessendorpf ärgerlich.

Du, Kind, liebes, es geht wirklich nicht anders, du mußt Farbe bekennen, und Zwar heute noch. Die Situation hat sich so zugespitzt, daß es um Kopf und Kragen geht, nämlich für mich und meinen Alten. Du, wenn dir die Weiterentwicklung der Affäre nicht behagt, packst deine Koffer: Adieu Ouessendorf! Wir aber bleiben hier sitzen und müssen uns entschuldigen, vielleicht hart um unsere Reputation fechten! Denn, versteh' mich nur recht, die kleine Leutnantsfrau aus Maldeinen, die du heute nachmittag zweimal abgewiesen hast, trug beim Ab­schied eine Kriegsandrohung in den Augen. Und ich habe keine Lust, mich deinetwegen, so sehr ich dir alles Gute wünsche, hier im Kreis als Heiratsvermittlerin und Komplicin der Ba­ronin Reichner frisiert Zu sehen, Abrücken auf der Kirchenbank und so weiter. Alles hat seine Grenzen, und es wird hier eine höchst reale Komödie gespielt, nicht wie auf dem Lieb­habertheater, wo inan sich hinterher entschuldigen kann: ,Es ist alles nur Spaß gewesen, meine Herrschaften!'"

Alix lehnte sich im Stuhl zurück und deckte die Hand über die Augen.Fanny, wenn du eine Ahnung hättest, wie fürchterlich ihr mich alle quält!"

Na na na, ich kenne schlimmere Oualen, als in Prahl­storff, Langenheide und Bielkau wieder als Herrin einzuziehen! A:r der Hand von Herrn August Schmielke freilich, aber anders ist's eben nicht zu machen!"

Fanny, was soll das heißen?" Alix war aufgesprungen, preßte die Hand auf die Brust.

,Daß Herr Schmielke dein väterliches Besitztum zurückkauft und Heinrichswalde dazu, und zwar in der Stunde, in der er dein Jawort hat. Und ihn kannst du ja noch eine

Weile lang zappeln lassen, meinetwegen, damit es nicht so empressiert aussieht; aber ich, Fanny Ouessendorpf, muß deine geneigte Entscheidung noch heute wissen, denn, wenn du ,Nenü sagst, darf die für morgen angesagte Gesellschaft natürlich nicht stattfinden. Alls den oben angeführten Gründen, denn morgen abend glaubt uns natürlich kein Mensch mehr, wenn wir er­klären, wir hätten nicht gewollt! . . . Also jetzt Ja oder Nein! In: letzteren Fall hätte ich nämlich heut' abend noch ein