Issue 
(1881) 295
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

erschütterlich aufrecht zu erhalten, auch alljährlich einmal in diesem Schlosse zu­sammenzukommen und Jeder dem Anderen, was er inzwischen erworben oder genossen, vorzuweisen und mitzutheilen. Auch woll­ten sie das Los nicht aus die gemeine Entscheidung durch den Würfelbecher stel­len, sondern Arm in Arm in den Schloß­hof hinaustreten; welchen von ihnen der alte Haushüter, ein langhaariger navar- resischer Wolfshund, zuerst ansprittgen und zuthulich begrüßen würde, der sollte von nun an alleiniger Besitzer des Schlosses sein, während der Andere den Gesang behielte. Da sie Beide den Hund gleichmäßig gepflegt und ihn stets auf ihren gemeinsamen Jagdzügen mit sich gehabt hatten, schien das ein richtiges und gerechtes Gottesurtheil.

Dasselbe entschied sich nun aber zu Gun­sten des Jüngeren, der im ersten Augenblick davon nicht eben freudig betroffen war, zumal er zu bemerken glaubte, daß auch sein Bruder auf eine andere Entscheidung gehofft hatte. Als aber Austorc versicherte, ihm hätte nichts Lieberes werden können, als nun ganz auf sich selbst gestellt zu sein, und er gedenke jetzt erst recht all' seine Kraft zu entfalten, daß die Welt genau wisse, wie sie mit den Canzonen des Herrn von Maensae daran sei, ergab auch Peire sich in sein Los, das ihm fürs Erste um so weniger hart vorkam, da er immer noch einige Zeit brauchte, jene schöne Frau zu vergessen. Er ließ es sich nicht nehmen, seinen lieben Bruder mit Allem, was er wünschen oder brauchen konnte, zur Reise auszustatten, und blieb, da Austorc geschieden, in ziemlich weich- müthiger und unwirscher Verfassung auf der Heimatherde zurück, wo er freilich alle Hände voll zu thun hatte, um den von ihrem ungetreuen Vogt angerichteten Schaden wieder gut zu machen.

Als aber das Gröbste geschehen, das aus der Zucht gerathene Gesinde wieder

zur Pflicht zurückgesührt, dazu die wich­tigste Feldarbeit bestellt war, überschlich den jungen Schloßherrn eine standes­gemäße Langeweile, die er nicht, wie er ehemals gepflegt, mit Verskünsten bannen durfte und daher auf andere Weise sich vom Halse halten mußte. Er ritt auf den Nachbarschlössern herum, die edlen Vettern oder Gefreundeten seines Hauses zu begrüßen, gab artige Feste in seinem Schlößchen oder veranstaltete große Jagd­lustbarkeiten, und da er ein schöner, schlan­ker Mann, von ritterlichem Anstande, dazu ledig und von untadeligem Rufe war, konnte es nicht fehlen, daß töchterfrohe Elternaugen sich fleißig auf ihn richteten und er vor Einladungen rings umher kaum zu Athem kam.

Hieran ergötzte er sich eine Zeit lang, obwohl unter all' den heirathbareu adeli­gen Fräuleins aus sieben Meilen in der Runde ihm keine sonderlich einleuchtete. Da er aber nicht zu eilen brauchte und die Wahl bei seiner Jugend noch Jahre und Tage offen bleiben durfte, ließ er sich's gefallen, als die Goldforelle, nach wel­cher zwanzig Angeln ausgeworfen wurden, ruhig in seinem kühlen Element hin und her zu gleiten und nur, wenn ihm ein Widerhaken allzu nahe an die Haut kam, unter dem schützenden Steinwall seiner Burg für eine Weile zu verschwinden.

Sein Liebesungemach war ihm nach und nach aus dem Herzen gewichen und hatte keine andere Spur hinterlassen, als einen gewissen wehmüthigen Abscheu gegen ähnliche Wehen und Wonnen, der ihn in der Gesellschaft seiner Nachbarinnen gegen alle verliebten Anwandlungen feite. Da­gegen meldete sich, als es wieder Früh­ling wurde uud die adeligen Vergnügun­gen ihren ersten Reiz verloren hatten, eine andere Sehnsucht, die ihm zumal am grauen Morgen, wenn er einsam, mit seinem Jagdspeer bewaffnet, in den Wald ging und die noch verschlafenen Athem-