Illust riete Deutsche Mounts hefte.
schmales Flüßchen durchrieselte, und vom Ufer drüben ging eine sonnige Halde sanft wieder in die Höhe, ans welcher smaragdgrünes Gras und schöne Kräuter wuchsen. Die ganze Wiese war mit weidenden Schafen bedeckt, deren Glöckchen lustig durch einander bimmelten, und auf der Höhe sah man den Pferch, der die Heerde über Nacht einzäunte, und einen Schäferkarren auf zwei Rädern. Unten aber, wo das Wasser an kleinen Haselbüschen vorbeifloß, saß die Hirtin auf einem alten Weidenknorren so dicht am Ufer, daß ihre nackten Füße von den Wellen überspült wurden. Sie hatte ihr langes schwarzes Haar aufgelöst, um es von Neuem zu zöpfen, und neben ihr im Grase lag ihr Hirtenstab und der Schäferhund, der sie während ihres gemächlichen Geschäftes beständig anstarrte, halb wie ein ernster väterlicher Freund, halb wie ein andächtiger Verliebter, und jedes Mal, wenn der Blick seiner Herrin ihn streifte, seinen buschigen Schweif bewegte. Sie schien noch ein wenig verschlafen, denn sie gähnte ein paar Mal recht herzlich, wobei sie einen nicht gar kleinen, aber frischrothen Mund mit den Weißesten Zähnen zeigte. Dann aber schien sie aus die erwachenden Vogelstimmen rings umher zu horchen und fing an, die einzelnen nachzuahmen, dazwischen lachend, wenn es ihr gelang, mit diesem oder jenem Fink oder Rothkehlchen, die sich etwa täuschen ließen, in eine längere Zwiesprach zu gerathen. Als sie nun ihr Haar in zwei langen, schweren Zöpfen aufgesteckt hatte, bückte sie sich zum Wasser hinab und kühlte sich, mit den hohlen Händen schöpfend, das Gesicht und den braunen Hals, der aus dem weißen Hemd voll und kräftig hervorblühte. Dann lockte sie den Hund herbei, zog ihre Füße aus dem Wasser und trocknete sie an dem rauhen Fell des Thieres, das dieser Liebkosung schon gewohnt zu sein schien. Als sie dies Alles vollbracht hatte, zog sie ein
Stück Brot aus ihrer Tasche und machte sich daran, große Stücke davon abzn- beißen, dem treuen Gesellen an ihrer Seite dann und wann einen Bissen zn- wersend.
Diese friedliche Scene beobachtete Peire aus seiner umschatteten Lagerstätte gegenüber mit so gespanntem Blick, als ob sich die größten Wunder der Welt vor ihm ereigneten. Er konnte jeden Zug in dem jungen Gesicht deutlich erkennen und wunderte sich selbst, warum es ihn so fesselte, da es nicht von ungewöhnlicher Schönheit war, sondern hundert anderen Mädchengesichtern jener glücklichen Gegend glich, in welcher freilich Jugend allein schon Anmuth und Lebensfülle bedeutet. Doch schienen ihm die beiden Augen drüben, die wie zwei Tollkirschen am Zweige glänzten, und das trutzige Stumpfnäschen, dazu das volle und doch zarte Kinn das Lieblichste, was er lange gesehen, und das einsame Zwitschern des armen Kindes und ihr Lachen und Schäkern mit dem Hunde bezauberte ihn vollends, daß er viel darum gegeben hätte, an der Stelle des vierfüßigen Freundes zu sein, von ihren Füßen sich den Rücken krauen zu lassen und die Brocken anfzufangen, die sie erst mit ihren weißen Zähnen abgebissen hatte.
Auch verhielt er sich ganz still, um sie nicht etwa zu verscheuchen. Als sie aber ihr Brot verzehrt hatte und nun ausstand, sich wieder nach ihrer Heerde zu wenden, sprang auch er hastig in die Höhe, eilte den Waldabhang vollends hinab und schwang sich in solchem Sturm an seinem langen Jagdspeer über das Wasser, daß es ein großes Rauschen gab und der Hund, der ihn sofort erblickte, in ein lautes Bellen ansbrach.
Auch das Mädchen war in seinem Gang die Halde hinauf stehen geblieben, zeigte aber, als sie den ritterlichen Herrn so im Sturm daherkommen sah, nicht die ge-