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Jllustrirte Den t s ch e Monatsheft e.
selbst, weil er auch den Tod für seine Königin nicht scheute. Und droben auf der Höhe steht mein Thron, und jeden Abend vergoldet ihn die Sonne von Neuem. Wenn es mir aber an diesem Ort nicht mehr gefällt, verpflanze ich mein Reich an einen anderen, wo meine Unterthanen frische Nahrung finden."
„Du bist eine glückliche Fürstin, Vier- netta, und hast Recht, stolz zu sein und dich kostbar zu machen. Wenn du mich aber zu deinem getreuen Vasallen annehmen wolltest, es sollte dein Schade nicht sein, vielmehr dein Glück noch erhöhen; auch würde ich deinen Feldherrn da hinführen, wo er gute Beute machen könnte, also daß er mich nicht für einen Feind ansähe. Dein Thron aber, dünkt mich, hat Platz für Zwei."
„Herr, das sind thörichte Reden. Lasset mich nun meiner Wege gehen. Denn seht, dort kommt meine Mutter, die noch bösere Augen machen würde als Esparviers, wenn sie hörte, wessen sich der Herr von Maensac erdreisten möchte. Geht mit Gott und vergesset das Wiederkommen, denn die Krone, die ich trage, ist für Euch zu hoch, und ich weiß sie bei Tag und Nacht zu hüten."
Sie wandte sich gelassen von ihm ab und stieg die Halde vollends hinauf, dem Schäferkarren zu, bei welchem soeben eine alte Frau, die einen Korb am Arme trug, wie aus dem Erdboden aufgetaucht war, mit vorgeschützter Hand in die Runde spähend und den Namen Vieruetta rufend. Peire war unmuthig zurückgeblieben. Es lüstete ihn nicht danach, mit der Alten zusammenzutreffen und vielleicht noch unsanftere Reden von ihr zu hören als von der Jungen. Nachdenklich schritt er die Halde entlang und wieder an das Flüßchen hinab, dessen Lauf er nur zu verfolgen brauchte, um nach einer kleinen Stunde sein Schloß wieder zu erreichen.
Er war aber kaum in seinem stillen
Gemach augelaugt, so holte er Schreib- geräth hervor und machte sich daran, das Gespräch, das er mit dem spröden Kinde geführt, in zierlichen Reimen aufzuzeichneu. Denn ihre Antworten schienen ihm das Munterste und Anmuthigste, was jemals eine Hirtin in einer Pastorelle zum Besten gegeben, und dies söhnte ihn fast damit aus, daß er kein besseres Glück gehabt und der Muthwilligen nicht die kleinste Gunst abgewonnen hatte. Als das Gedicht fertig war, wurde er nicht müde, es durchzugehen und daran herumzufeilen, doch immer bemüht, ja nichts an ihren eigenen Worten zu ändern. Dann speiste er, zum ersten Mal seit langer Zeit, wieder mit gesundem Appetit und trank mehrere große Becher des feurigen weißen Weines, den er selbst an den mittägigen Abhängen seines Geländes zog, beständig an das morgendliche Abenteuer denkend und in seinen Gedanken alle die Reize musternd, die er an der stolzen Barfüßigen wahrgenommen. Es kam ihm je länger je mehr so vor, als habe er nicht die beste Figur gemacht neben dem selbstgewiffen Kinde, und er beschloß, morgen um dieselbe Stunde abermals sein Heil zu versuchen und sich seines Herreurechtes kecker zu bedienen. Als aber die Nacht gekommen war, fand er es unleidlich, die langen dunklen Stunden, da der Schlaf sich nicht einstellte, unthätig hinzuwarteu. Also stahl er sich, selbst dem Blick des Thorwarts ausweichend, als müsse ein Jeder schon wissen, was er im Sinne habe, aus der Burg und schritt weitausgreifend dem Flüßchen nach, das ihn trotz des sterueulvseu Himmels sicher an die ersehnte Stelle führte.
Als er die Anhöhe hinaufschlich, von deren oberstem Rande das dunkle Gehäuse, das seinen Schatz verbarg, ihm stumm entgegensah, klopfte ihm das Herz stärker als zu der Zeir, da er noch der vornehmen Frau in Dämmerstunden nachzu-