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Zltu strikte Deutsche Monatshefte.
ten Dichtkunst goß ein wenig Balsam in seine Wunde und Schlafthau auf seine Augenlider. Doch als er am anderen Morgen das Blatt vor seinem Bette liegen sah, zerriß er es in heftiger Beschämung, daß ein geringes Landkind ihn so weit habe bringen können, und schwur sich feierlich zu, ihr nicht zum dritten Male nachznlaufen, sondern die schwarzen spitzbübischen Augen, die braune, mit blühendem Roth durchschossene Haut und den großen lachenden Mund mit all' seinen blanken Zähnen ein für allemal sich aus dem Sinn zu schlagen.
Nun wollte es leider sein Unstern, daß er auf seinem Abendgange, den er trotzig und seines Eides eingedenk nach der entgegengesetzten Richtung unternahm, schon nach einer kurzen Weile auf eine Wiese zwischen wogenden Kornfeldern gerieth, über welche ein schwarzer Klumpen, scharf gegen den röthlichen Himmel ab- gezirkt, ihm schon von Weitem entgegenragte. Wie er das Unwesen näher betrachtete, war es nichts Schlimmeres als ein Schäferkarren, und kein anderer als der, an dem er in der letzten Nacht sich seinen harten Kopf vergebens wund gestoßen. Richtig faß auch die Eignerin dieses wandelnden Hauses in aller Unschuld auf einer der Deichselstangen, hatte ein Hemd auf den Knieen, das sie zu flicken bemüht war, und winkte zuweilen ihrem getreuen Esparviers mit den Augen, wenn eines der Schafe sich zu lüstern dem Weizenacker näherte. Peire blieb augenblicklich stehen und war noch Manns genug, der Gefahr ausweichen zu wollen. Als er aber sah, daß auch das Mägdlein ihn schon bemerkt hatte und in ein Lachen ausbrach, vermuthlich weil es ihr drollig vorkam, daß sie Beide einander dergestalt erst recht entgegengeflohen waren, däuchte es ihn wenig ehrenvoll, ihr das Feld zu lassen, ohne einen Streich zu wagen, näherte sich ihr also möglichst unbefangen
und führte wieder ein Gespräch mit ihr, das ihn freilich um kein Haar weiter brachte. Da er dieses Geplauder nachher wieder anfschrieb, immer in der Meinung, für den reinen Wein, den sie ihm ein- schenkte, sei das Gefäß der Dichtung gerade edel genug, mag diese neue Pastorelle hier mitgetheilt werden, obwohl sie in der Verdeutschung Einiges von ihrem Schmelz und Klang verloren hat.
Heut', da ich ging die Au' entlang,
Traf ich die Hirtin wiederum.
Es pocht' ihr wohl das Herzchen bang,
Da querfeldein ich zu ihr sprang,
Doch sah sie Hellen Blicks sich um,
Es lachte keck ihr frischer Mund,
Sie sah mir bis in Herzensgrund,
Und als ich nahe vor ihr stund,
Nicht allzu lange blieb ich stumm.
Mägdlein, wie schliefst du diese Rächt? —
Dank, Herr! Wie alle Nacht fürwahr. —
Mich dünkt, ein Liebster klopfte sacht;
Was hast du ihm nicht aufgemacht? —
Mir däucht', daß es der Wind nur war:
Ein Wehn und Wispern her und hin,
Ein Flehn und Drohn aus wind'gem Sinn;
Ein armes Ding, wie ich es bin,
Nimmt sich vorm Sausewind in Acht. —
Mägdlein, die Windsbraut wirft dich um! — Herr, ineine Hütte steht wohl fest. —
Sag', lose Wctterhep', warum Du nicht von deinem Trutzen läßt? —
O Herr, ein Vöglcin warnte mich:
Wohl scheint die Hand im Handschuh zahm Und kost und streichelt wonnesam,
Doch wenn sie erst den Dorn dir nahm,
Dann, Haidenrose, bricht sic dich. -
Mägdlein, so treibst du mit mir Spott?
Und soll ich ohne Hoffnung gehn? —
Herr, hofft auf den barmherz'gen Gott,
Der auch den Sünder will erhöhn. —
Wann wird's geschehn? — Am jüngsten Tag. — Der ist noch weit! — Und Ihr noch jung.
Und habt noch Zeit zur Besserung. —
So bin ich dir nicht gut genung? —
Herr, mehr verschweig' ich, als ich sag'.
In diesem Tone ging es noch durch ein halb Dutzend Strophen fort, da der Dichter jedes spitze Wort, das seiner schlagfertigen Liebsten entfahren, sorgfältig in sein Herz gedrückt mit forttrug, wie ein weltlicher Sauet Sebastian, der, mit goldenen Pfeilen gespickt, gleichwohl seines