Issue 
(1881) 295
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Hey sc: Der ve

aus dem hochzeitlichen Schlosse herüber­klingen höre, werde sie nachträglich doch wohl etwas wie Reue und Sehnsucht an­wandeln.

Um diesen löblichen Vorsatz nicht wieder durch ein zufälliges Begegnen mit ihr zum Wanken zu bringen, ritt er gleich am nächsten Tage nach dem Schloß des Herrn von Lomagne hinüber, wurde dort von Vater und Mutter und dem schönen Fräulein selbst so artig empfangen, daß nicht einmal ein Wort über seine frühere Vernach­lässigung fiel, und nicht so viel Tage, als er bei seiner Hirtin verloren, waren ins Land gegangen, als schon die Ver- löbniß zu Stande kam und ans Peire's Dringen die Hochzeit auf den nächsten Sonntag über drei Wochen festgesetzt wurde.

Zn solcher Eile bewog den Bräutigam nicht sowohl die Ungeduld einer übergroßen Liebe, die er zu seiner Braut gefaßt hatte, als vielmehr einzig und allein die Rück­sicht, daß in der dritten Woche das all­jährliche Wiedersehen mit seinem lieben Bruder bevorstand, den er doch bei seiner Feier nicht entbehren wollte. Er hatte seitdem nichts wieder von ihm selbst ver­nommen, rechnete aber so sicher auf sein Kommen, daß er es nicht für nöthig fand, ihm durch einen Boten, der ihn von Ort zu Ort hätte suchen müssen, die Nachricht von seiner Verlobung und die Einladung zur Hochzeit uachzuschicken.

Die Zeit, die noch dazwischenlag, ver­ging ihm durchaus nicht so schleichend und ungeduldig wie sonst einem Liebenden, der den Tag der Erfüllung all' seiner Wünsche kaum erwarten kann. Vielmehr sah er mit wachsender Angst einen Abend nach dem anderen herandämmern und wie­der einen Markstein auf dem Leidenswege verschwinden, den zu durchwandern er sich selbst verdammt hatte. Nicht daß seine Braut ihm unlieblich erschienen oder ihre Eltern nicht Alles gethan hätten, ihm ihre

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Genugthunng über seine Wahl zu bezeigen. Obwohl aber Alles so beschaffen war, selbst anspruchsvolleren Wünschen zu ge­nügen, nistete und nagte doch ein bren­nender Unmuth in seiner Seele.

Denn das wohlgeborene und wohlerzo­gene schöne Fräulein, das sogar, wie wir heute sagen würden, einige literarische Bil­dung besaß, da sie etliche Namen und Dich­tungen der gefeiertsten Troubadours kanute, vermochte das Bild des wildausgewachse­nen Liebchens nicht aus seinem Herzen zu verdrängen. Während ihm jedes flinke Wort, das von den Lippen der braunen Viernetta erklang, so kostbar schien, als ob sie das arme Kind im Märchen wäre, dem Perlen und Edelsteine aus dem Munde fielen, sobald es ihn zum Sprechen öffnete, schien ihm das Zierlichste, was seine Braut vorbrachte, nicht besser als ge­schliffene Kiesel oder vergoldete Scheide­münze. Das schöne junge Geschöpf merkte bald, daß sein Freier zuweilen an ihrer Seite in eine böse Zerstreutheit versank, und wenn er daraus geweckt wurde, ihr wie einer völlig fremden Person ins Ge­sicht starrte. Sie selbst schien zu Anfang nicht allzu froh über diese glänzende Be­werbung gewesen zu sein, nachher aber den besten Willen gefaßt zu haben, ihren Verlobten liebzugewinnen. Da er es ihr nun so unbillig erschwerte, fiel sie gleich­falls in ihre alte kühle Scheu und Un- sreude zurück, und so konnte das junge Paar oft halbe Stunden lang so steif und stumm wie zwei geschnitzte Heiligenfiguren am Portal der Kirche neben einander sitzen, da es Herrn Peire kaum beim Kommen oder Gehen einfiel, daß er das Recht und sogar die Pflicht erlangt, dieses schöne Mädchenbild zu küssen, ohne daß ein tugendhafter Hirtenstab sich dazwischen­drängen durfte.

Das Härteste däuchte ihn aber, daß er in der Nähe seiner Erwählten nie die leiseste Versuchung spürte, den Pact mit