16 Fllnstrirte Deutsche Monatshefte.
seinem Bruder zu umgehen und sein Liebesglück und die Schönheit und Tugend seiner Braut in heimlichen Versen zu verherrlichen. Die Stelle in seinem Inneren, wo ein klingender Quell aufsprudelte, sobald er nur von fern Viernetta's Kopftüchlein hatte flattern oder gar nur den Schweif des guten Esparviers im Grase hin und her wedeln sehen, schien urplötzlich für immer eingetrocknet, und es wucherten dort Nesseln und Dornten, und ein Centner- stein war über die Brunnenstube gewälzt, an dem der Eigner schwer zu tragen hatte.
Doch zeigte er, als wenige Tage vorder Hochzeit sein Bruder Austore wieder in der alten Burg sich einfand, dem Heimgekehrten ein fröhliches Gesicht, das auch nur zur Hälfte erheuchelt war, da das Wiedersehen ihm seit langer Zeit den ersten warmen Sonnenschein ins Herz leuchten ließ. Auch Austore, auf dessen Stirn eine trübe Falte sich eingegraben hatte, war sichtlich von Freude bewegt, als er den Bruder umarmte. Er kam in einem stattlichen Aufzuge auf einem Prachtpferde angeritten, da er von jeher auf Glanz der Erscheinung viel gehalten hatte, und erwiderte auf die Frage nach seinen Umstünden, daß er alle Ursach' habe, mit denselben zufrieden zu sein. „Nun denn," versetzte Peire mit erzwungenem Lächeln, „so ist der Handel uns Beiden nach Wunsch gediehen." — Und er erzählte, daß er in dreien Tagen Hochzeit machen wolle und nur auf den Bruder dazu gewartet habe. Dieser wünschte ihm mit aufrichtiger Freude Glück; als er aber nach dem Namen der Braut fragte und vernahm, Germonde von Lomagne werde in Schloß Maensac als Herrin einziehen, erblaßte er plötzlich und mühte sich umsonst, seine Erschütterung zu beherrschen, indem er zugleich verworrene Entschuldigungen stammelte, daß er an der Feier nicht theilnehmen könne, da ihn ein festes Versprechen schon am nächsten Tage wieder zu scheiden zwinge.
Er täuschte aber das Auge des Bruders nicht, der nicht eher ruhte, bis er den wahren Grund dieser plötzlichen Unstäte erfahren hatte. Er könne unmöglich den Zuschauer machen, gestand der peinlich Befragte, wenn ein Anderer, und wäre es auch sein liebster Bruder, ein Weib heimführte, das er selbst vergebens umworben, aber noch immer nicht verschmerzt habe. Und nun erzählte er, daß er etliche Monate lang dem Fräulein von Lomagne aufs inständigste den Hof gemacht, auch ihre Neigung gewonnen habe, vom Vater aber, der sein einziges Kind keinem hab- und hanslosen höfischen Sänger geben wollen, entschieden und ohne jede Hoffnung abgewiesen worden sei.
Dies hörte Peire in tiefen Gedanken mit an, ohne sogleich etwas zu erwidern. Auch als sein Bruder eifrig bethenerte, er gönne ihm von Herzen das Glück, das ihm selbst versagt geblieben, und werde vielleicht übers Jahr so völlig geheilt sein, daß es ihn kein Herzblut mehr kosten würde, seiner Schwägerin die Hand zu reiche» und ihren Erstgeborenen auf den Knieen zu schaukeln, verharrte der Jüngere noch immer in seinem Brüten. Endlich aber, statt hiervon weiter zu reden, that er ganz aus dem Blauen die Frage, wie Austore es mit seiner Sängerschaft ergangen sei und ob er in dieser nicht Trost und Ersatz für die verlorene Hoffnung gefunden habe. „O Bruder," versetzte Austore, „Gesang ist wie ein Putz, in welchem ein wohlbekleideter Mensch sich Wohlgefallen mag, der aber zum Hohne wird, wenn man der nothdürf- tigsten Gewände entbehrt. Ich kam mir in meiner Blöße so armselig vor, daß ich mich am liebsten in die Erde verkrochen hätte, statt mich an Höfen zu zeigen und den Kunstreichen zu spielen, da es mir an der Nothdurft meiner armen Seele gebrach. Wäre ich nicht zum Grafen von Narbonne gerathen, der unseren Vater