Issue 
(1881) 295
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Heysc: Der verkaufte Gesang.

gekannt und hoch gehalten und auch von unserem früheren Singen wußte, wer weiß, welch ein Ende es noch genommen. Nun hat man mich dort gefüttert, gekleidet und geehrt, immer in Hoffnung, daß die Zeit der Stummheit ein Ende nehmen werde. Auch habe ich das verrostete Saitenspiel jüngst wieder hervorgesncht, um es zu Pro­kuren, bin aber erschrocken, wie rauh und unhold es klingt, und Gott mag wissen, ob ich ihm noch jemals wieder einen vollen Ton ablocke. Dies aber soll dir dein junges Glück nicht trüben, Bruderherz. Laß mich ziehen und grüße mir die Frau Schwä­gerin und sag' ihr nicht, daß ich dir Einiges vorgewinselt habe. Das Los hat über uns entschieden, nun muß Jeder das Seine hiunehmeu."

Bruder," sagte Peire und hielt ihn am Arme fest,und wenn das Los nun ein blinder dummer Spuk oder ein bos­hafter Teufel gewesen wäre, der in den ehrlichen alten Hund gefahren, um uns Beide zum Narren zu halten? Was unter redlichen Kaufleuten und Geschäfts­freunden geschieht, daß ein Handel, der beide Theile reut, rückgängig gemacht wird, das sollte unter Brüdern nicht möglich werden?" Da sah ihn Austorc betroffen an. Peire aber fuhr fort und setzte ihm ans einander, daß er selbst zum seßhaften Burgherrn so wenig tauge, wie Austorc am fahrenden Poetenthum bisher Geschmack gefunden, und daß er ihm einen ehrlichen Handel anbiete: er wolle ihm seinen Ge­sang wieder abkanfen gegen Schloß und Herrschaft Maensac nebst allen Steuern, Gaben und Vorth eilen, die daran hingen.

O Bruder," seufzte der Aeltere,was ist mir jetzt die Burg unserer Väter? Eine Nuß, aus der man den Kern her­ausgebrochen, da ich als ein lediger Mann hier meine öden Tage zubringen soll. Du aber, wie magst du denken, wenn du die Herrschaft verloren, die Braut zu behalten,

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die man, wie ich dir ja gesagt, keinem Landfahrer gönnen will?"

Hierauf umarmte Peire seinen Bruder lachend und bat ihn, er möge dies seine Sorge sein lassen, überhaupt sich alles weiteren Nachdenkens entschlagen und nur geloben, die nächsten drei Tage noch auf der Burg auszuharren. Als Austore sich dem gefügt, verging den Brüdern der Rest des Tages in großer Herzlichkeit bei einem guten Trunk und traulichen Gesprächen.

Am anderen Morgen aber, da der Aeltere sich spät erhob und nach dem Hausherrn fragte, erfuhr er, daß Peire schon früh hinweggeritten sei. Doch hatte er Niemand gesagt, wohin. Er kam aber diesen ganzen Tag nicht wieder, denn der Weg nach Lomagne war eine halbe Tage­reise weit, und er hatte dort die Braut abzuholen, die sich mit Eltern und Braut­jungfern, Knechten und Mägden und der ganzen Ausstattung nicht so im Handum­drehen aufs Pferd setzen ließ.

Ehe es aber so weit kam, wollte der Bräutigam noch einmal die Herzen prüfen. Er nahm eine verlegene Miene an und erzählte mit niedergeschlagenen Augen seinen Schwiegereltern in Gegenwart ihrer Tochter, daß sein Brnder zur Hochzeit gekommen und ihn daran erinnert habe, wie sie durch einen brüderlichen Vertrag sich verbunden, abwechselnd Jahr um Jahr sich den Besitz der Burg wieder abzutreten. Es sei ihm dies ganz aus dem Gedächtniß geschwunden und er nun genöthigt, seine junge Frau gleich nach der Hochzeit mit auf die Wanderung zu nehmen, was ihr aber hoffentlich nicht unlieb sein werde, da es die lustigste Lebensart von der Welt und für junge Leute ersprießlicher sei, als von Anfang an in dem gleichen alten Familiensitz zu hocken.

Er sah an der Wirkung dieser Rede, sowohl auf die Eltern als auf seine Ver-

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Monatshefte, U. 2S5. - April 1881 . - Vierte F-olqe, Bd. VI. 31.