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Illnstrirto Deutsche Monatshefte.
zwei kleine Flüsse, den Selinus und Kctivs, isolirt, im Norden stürzt er zunächst jäh und felsig ab und wird dann durch einen Sattel mit der Gebirgsmasse verbunden, welche inan wohl als einen Ausläufer des alten Temnosgebirges betrachten kann. Das ist die luftige Burg von Pergamon, ein Asyl landflüchtiger Griechen unter den Persern (Lenophon, Anab. VII, 8,8), die Schatzwacht, das des Lysimachos, der dort dem Pontier Philetairos die Bewachung von 9000 Talenten anvertraut hatte.* Von dem gealterten mißtrauischen König fällt Philetairos ab; durch kluge Benutzung der Umstände und bei der ausgezeichneten Lage seines Sitzes, dem es in der Bucht von Eläa auch nicht an einem trefflichen Hafen fehlte, wird er zum Stifter einer Dynastie, die ihre allmälige Ausbreitung und Blüthe ihrer inneren Einigkeit und eigenen Besonnenheit, vor Allem aber dem treuen Bunde mit den Römern verdankt, welchen alsdann auch das ganze Reich im Jahre 133 v. Chr. zufällt. In den etwa hnndertundfünszig Jahren des Bestehens herrschen zuerst zwei Neffen des Philetairos, Enmenes I. (bis 241) und Attalos l. (bis 197), zugleich der erste „König"; dann zwei Söhne des Letzteren, EnmenesII. (bis 158) und Attalos II. (bis 137), dem zuletzt für vier bis fünf Jahre des zweiten Enmenes Sohn, Attalos III., folgte. Unter ihnen breitet sich die Stadt allmälig südlich unterhalb der Burg über beide Ufer des Selinus aus und reicht wohl im Südosten bis an das alte Heiligthum des Asklepios. („Dorische Ruine"; vergl. den beifolgenden Plan S. 39 nach der Aufnahme Carl Hnmann's in den „Abhandlungen der Berliner Akademie" 1872.) Die Stadt wird ummauert, der Selinus auf längere Strecke überbrückt und an und über ihm, freilich wohl erst in früh- römischer Zeit, ein Bezirk mit einem großen Bau hergestellt, die sogenannte Basilica, welche später in eine christliche Kirche umgewandelt ward.**
* Die begleitende Ansicht S. 37 ist vom Thalc des Amphitheaters ans ausgenommen; vgl. auch den Plan S. 39.
** Diesem Umstande verdankt sie, wie so viele andere Bauten des Alterthums, ihr Bestehen; als die weitaus am besten erhaltene Ruine Pergamons ist sie hier S. 41 abgebildet nach einer von Süden
Nach uralter Landesweise lassen die Pergamenischen Fürsten, die auch ihren angeblichen mythischen Zusammenhang mit Pergamons Vorzeit besonders gern betonten, unter mächtigen Erdhügeln, inmuli, sich begraben, von denen mehrere im Süden der Stadt — zum Theil jetzt mit mythischer Benennung — erhalten sind. Mit Tempeln und anderen Bauten schmückt vor Allem Enmenes II. seine Stadt, und nicht bloß Bücherschätze werden im Wetteifer mit Alexandrien zusammengebracht, Gelehrte aller Art nach Pergamon und an den Hof der Könige gezogen, sondern auch Werke alter und athenischer Künstler in der neuen Hauptstadt ausgestellt und die zeitgenössische Kunst durch hohe Aufgaben gefördert.
Griechisch gebildete Dynastien haben wahrend dieser Zeit auch in anderen Ländern geblüht, besonders in Syrien und Aegypten; aber wenn auch das letztere in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen und Erfolgen Pergamon übertraf, so ist es doch in seiner Kunst ganz den einheimischen ägyptischen Traditionen gefolgt; und so hat überhaupt eine gleichmäßige Pflege von Wissenschaft und Kunst, wie sie in Griechenland selbst stattgefnnden, nirgends mehr in dem Maße geblüht wie in Pergamon. In diesem Sinne kann man die pergamenische Periode so recht eigentlich als die Fortsetzung der hellenischen Cultnr bezeichnen und - neben Griechenland selbst — bei der fortwährenden Berührung mit Rom als eines der hauptsächlichsten Bindeglieder und Vermittler zwischen der hellenischen und römischen Bildung; das ist es, was den Hervorbringungen der pergamenischen Zeit ihren hohen relativen Werth neben ihrem absoluten giebt.. Von dieser Zeit sagt der unselbständige Plinius: „66S8avst <lein<W urs"; wir mögen daraus nur schließen, daß die Tradition die Kunst von Pergamon ebenso stiefmütterlich behandelte wie seine Geschichte. Daß wir darüber jetzt
her genommenen Photographie; links erscheinen die Tonnengewölbe der Selinusüberbrückung, rechts ein westliches Stück der Burg. Die Hütten neben den gewaltigen Backsteinresten zeigen auf einen Schlag die tppische Thatsache, wie hier überall das Moderne fast nur ein Parasitendasein sristet und winzig und unvermittelt neben den großen Ueberbleibseln des elastischen Alterthums liegt.