Issue 
(1881) 295
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Ehrlich: Die musikalisch-ästhetische Literatur ;crt 1850. 127

phone Stimmführung entstanden sind, durch den freien aber künstlerisch entwickelten Gang jeder einzelnen Stimme, nicht durch ein willkürliches, jähes, unmotivirtes Neber- springen von einem Accorde auf einen anderen ganz fremden, wie es in neuer Zeit und mit Hinweis auf jene letzten Compositionen des großen Meisters oft vorkommt. Eines der stärksten Argumente gegen solche falsche Anschauung von der Wetterführung des von Beethoven an­gezeigten Weges" läge in dem Nachweise des logischen Ganges der einzelnen musi­kalischen Ideen Beethoven's in seinen letzten Werken, abgesehen davon, daß große Gedanken ihren eigenen Weg gehen dür­fen, während ein an sich unbedeutender durch ungewöhnliche und unznsammenhän- gende Wendungen doch nie als originell und groß erscheinen wird. Diese Dar­legungen und Nachweise durften von Marx erwartet und gefordert werden, der hierzu alle Eigenschaften in vollem Maße besaß. Wahrscheinlich hat er in dem Streben, immer populär und ver­ständlich zu sein, jede zu weitläufige und eingehende, nur directen Fachkenntnissen verständliche Analyse vermieden; auch mögen ihm von Seiten des Verlegers gewisse Grenzen des Umfanges gestellt worden sein. So läßt denn der letzte wichtigste Theil der Biographie gar Vieles zu wünschen übrig. Und dieKurze Andeutung der Tonformen" kann bei einem Manne wie Marx nur als ein Zuge- ständniß an die Menge betrachtet werden. Viel bedeutender in Forschung und in Behandlung des Stoffes ist die Biogra­phie Glnck's. Wenn auch der Anhang: Der Charakter der Tonarten", manches Bedenkliche enthält, so hat doch das ganze Werk eine wissenschaftliche Grundlage und Haltung. Hier ist auch Schmidt's früher erschienenes Werk über denselben Gegen­stand anerkennend zu erwähnen. Es ist ein treffliches, von wahrem Ernste ge­tragenes, nur etwas steif geschriebenes Buch; auch weniger umfangreich wie das von Marx.

Thayer's Biographie Beethoven's ist nicht ein musik-, sondern mehr ein cnltnr- geschichtliches Werk, in welchem alle An­gaben, die auf das Leben des hohen Meisters, sowie auf die künstlerischen und gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit

Bezug haben, mit einer nicht genug zu lobenden Sorgfalt und Gründlichkeit ge­sammelt, geprüft, gesichtet und zufammen- gefaßt sind. Thayer hält nicht bloß seine Darstellung frei von allen romantischen Beigaben, die in den Lebensbeschreibungen Beethoven's nur zu viel Platz hatten, sondern er prüft mit scharfem Äuge und mit unbarmherziger Zergliederung manche Erzählungen, die bisher als vollkommen wahrheitlich betrachtet waren, und bringt sie auf das -richtige Maß der Glaub­würdigkeit zurück; so das Verhältniß Beethoven's zu seiner Schwägerin, der Mutter des von ihm heißgeliebten Neffen, und die bekannten Briese an die Gräfin Giuletta Gnicciardi, später verehelichte Gräfin Falkenberg. Der Stil des Buches ist allerdings ein solcher, der das große Publikum nicht anzieht, aber das Werk, das nunmehr hoffentlich bald beendet sein wird, ist dennoch ein ganz vortreff­liches und wird für die Lebensgeschichte Beethoven's immer die zuverlässigste Quelle bleiben.

Ich neune ferner die Biographie Beethoven's von Nohl, die viele sehr interessante Daten und Anekdoten über die Zeitverhältnisse bringt, aber durch ihren überschwänglichen Stil und durch das Betonen alles Romanhaften mehr der schöngeistigen Literatur beigezählt werden muß. Schindler's Buch über Beethoven ist heute veraltet. Unter den vielen Musiker-Biographien, welche in den letzten Jahren erschienen sind, zeich­nen sich Jähns'Weber in seinen Werken" und die bereits genannte treffliche, von M. M. v. Weber geschriebene Biographie seines Vaters aus; das zuerst angeführte Werk durch gründlichste Forschung und Anordnung, das andere durch klare, liebe­volle und doch von jeder Prunkrednerei ferngehaltene Darstellung.

In dem Buche über I. S. Bach's Söhne hat Bitter sich das Verdienst er­worben, daß er diesem so interessanten Gegenstände znm ersten Mal ausführ­liches Studium widmete und der Musik­geschichte einen sehr schätzenswerthen Bei­trag bot. Wasielewsky's Biographie Schnmann's ist ein sehr edel gehaltenes und gut geschriebenes Buch. Karasowsky's Chopin" ist bei weitem nicht so interessant und enthält weniger glänzende Schilde­

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