Zabel: Adolf Wilbrandt. 13o
Seelenzwitter beide Geschlechter in sich zu vereinigen glaubt, ein reizendes Episodenwerk gesponnen ist. Der jüngste Roman des Dichters, „Meister Amor", erinnert dagegen in dem flotten Lustspielton der Darstellung und der launigen Wendung des Sujets an seine gelungensten Werke. Eine doppelte Liebesgeschichte spielt sich hier auf der Folie des modernen Theaterlebens ab, das wieder in der Figur des alten Schauspielers Hillmann seinen Stützpunkt findet. Die Liebe wird als die Macht geschildert, welche nicht nur die zu einander gehörenden Herzen zusammenführt, sondern auch den Dilettantismus beseitigt, indem sie bei dem Einen die künstlerische Anlage vertieft und befruchtet, den Anderen sich mit einer bürgerlichen Existenz begnügen lehrt.
Den tiefsten und nachhaltigsten Einfluß auf unsere Literatur hat Wilbrandt jedoch dadurch gewonnen, daß er sich der Bühnenproduction zuwandte, um in ihrem Dienste als der berufenste und talentvollste unter den jüngeren Schriftstellern unermüdlich thätig zu sein, von der heute erreichten Stufe morgen auf eine höhere überzugehen und einen Mißerfolg durch einen neuen Treffer schnell in Vergessenheit zu bringen. Er hat in anmuthigen Scherzen originelle Fabeln und Charaktere mit einer eigentümlichen Doppelbegabung von französischem Esprit und deutschem Gemüth behandelt, er hat dem modernen Salonstück die Ueberlegenheit seines Geistes und Geschmacks zugeführt, er hat in tragischen Vorwürfen unsere Literatur nicht nur bereichert, sondern auch große und unerwartete Bühnenerfolge erzielt und der darstellenden Kunst Aufgaben gestellt, für die sie ihm dauernd zu Danke verpflichtet ist.
Wilbrandt begann mit zwei Bluetten, die in ihrer Art kleine Cabiuetstücke sind und in den reichsten Farben funkeln: „Unerreichbar" und „Jugendliebe". In beiden ist es gelungen, in eine zierliche Handlung interessante Charaktere zu verflechten und dieselben aus das feinste zu modelliren. Es blüht in ihnen von Frische und jenem Geiste, der doch zugleich ivieder Natur ist. Wer sie in dem Ensemble des Wiener Burgtheaters oder des Berliner Schauspielhauses gesehen hat, wird es gespürt haben, wie von
ihnen ein Hauch der Liebenswürdigkeit und Anmuth auf die Zuschauer herabweht. In „Unerreichbar" liegt die Anekdote darin, daß ein sonst braver, tüchtiger Junggesell die Marotte hat, sich immer in Frauen zu verlieben, die bereits verlobt oder verheirathet find, und sich dadurch um die Möglichkeit bringt, sich mit einer Lebensgefährtin zu versorgen. Im Hause einer befreundeten Familie hält sich ein allerliebstes junges Mädchen auf, das sich für diesen Verehrer alles „Unerreichbaren" interessirt, aber von letzterem gleichgültig behandelt wird, da sie ja noch zu haben ist. Um die Beiden zusammenzubringen, wird erzählt, daß das junge Mädchen sich heimlich verlobt habe, und siehe da, schon regt sich in dem bisher kalten Manne die Liebe, die auch Stand hält, als die Jntrigue entdeckt wird und Alles zum guten Ende führt. In „Jugendliebe" ist es eine Backfischschwärmerei, die sich in eine tiefe Herzensneigung verwandelt, nachdem der „Rechte" gekommen ist. Adelheid hat sich in einen Jugendgespielen halb aus Mitleid, halb weil er ihr wirklich gefiel, verliebt und sieht nach Jahresfrist seiner Ankunft aus der Universitätsstadt entgegen. Aber der wenig elegante, an Biertisch und Fechtboden gewöhnte Student gefällt ihr lange nicht mehr so gut wie früher, und zugleich lernt sie einen „herrlichen hohen, stolzen Mann mit gebieterischen Augen, die aber auch himmlisch lächeln können, wenn sie wollen", kennen, dem ihr Herz ganz allmälig, aber desto sicherer zufällt, als der einstige Genosse ihrer Spiele die Gärtnerstochter hübscher und begehrenswerter als sie findet. Es ist selbstverständlich, daß sich in dem engen Rahmen dieser einactigen Scherze keine tieferen seelischen Beziehungen zum Austrage bringen lassen. Wie glänzend und heiter aber das Bild ist, das hier aufgerollt wird, wie wir den Schaumwein des Esprits in elegant geschliffenen Pocalen zu trinken bekommen, das hat unser Theaterpublikmn in reichem Maße erfahren und wird hoffentlich noch lauge in dankbaren Herzen empfunden werden.
Mit so seltenen Gaben für die Pflege des deutschen Lustspiels ausgestattet, durfte sich Wilbrandt an eine größere