136
Jllustrirtc Deuts
Arbeit, an ein frisch aufgegriffenes Stück Wirklichkeit, wie er es in den Künstlerkreisen Münchens oft genug studirt hat, wagen: „Die Maler", die wir für eine wirkliche Erweiterung unseres an Stoffen und Ideen so armen Lustspiels halten. Ist doch der Gegensatz zwischen der Idealität des künstlerischen Schaffens und der irdischen Sorge, die sie oft begleitet, ein an sich hochkomischer, und hier wird der Eindruck erhöht durch die mannigfachen Gestalten, die sich in der Künstler- colonie Wilbrandt's sehen lassen, und die Einführung eines interessanten Mädchencharakters, der Else, die in dem Verlangen, ein erwerbsfähiges Weib zu reprä- sentiren, in einem altmodischen Mantel und nnkleidsamen Hut umherläuft und Malerin werden will. Sie hat ihre Weiblichkeit ganz vergessen und wird an dieselbe auch kaum erinnert, da sie für den Bruder die liebende Schwester und für die Anderen „ein guter Kerl" ist. Das Reizende ist mm darin zu suchen, daß sich aus der grauen, reizlosen Motte allerdings infolge einer nicht sehr glaubwürdigen Verwickelung ein prächtiger Schmetterling entwickelt, ein Weib, das Liebe einflößt und selbst zu lieben weiß. Die Geschicklichkeit Wilbrandt's in der fesselnden Führung der Handlung kommt hinzu, um dieses Lustspiel zu einer der heitersten und gelungensten Erscheinungen zu machen. In einem anderen Lustspiele, „Die Vermählten", ist die Aufgabe, zu zeigen, wie sich zwei bereits verheirathete Lenke in der Ehe kennen und lieben lernen, auf originelle Weise gelöst. Es lag wohl in dem Stoffe selbst, wenn ihm nicht so harmlos heitere Seiten wie in den „Malern" abgewonnen wurden, denn die Vorstellung, daß zwei Menschen, die sich nicht lieben, auf Befehl der Eltern oder des Vormundes vor den Altar treten, hat für uns stets eine ernste Bedeutung, mag der Humor immerhin in episodischem Aufputz zu seinem Rechte kommen. Für die Unterhaltung eines ganzen Abends ist das Sujet wohl nicht ausgiebig genug und der Wirrwarr des letzten Actes mit seinen Maskenscherzen und seinen tollen Mißverständnissen eine künstliche Erweiterung, wenn sie auch den Geist und die Erfindung des Dichters keinen Augenblick verleugnet.
che Monatshefte.
Wilbrandt, der, seitdem die Zeit seines selbständigen Schaffens begonnen, Oesterreich bereist, dann 1864 und 1865 fast ein Jahr in Südfrankreich und Italien, darauf in München gelebt hatte, schlug im Jahre 1871 seinen Wohnsitz in Wien auf, wo das Leben in der Gesellschaft der österreichischen Kaiserstadt, das Studium des Burgtheaters, dieser Hochschule der dramatischen Kunst, ihm die Richtung auf das Bühnenmäßige gab, das von ihm seitdem unablässig ins Auge gefaßt worden ist. Unter dem Schutze des Burgtheaters ist seine dramatische Muse zur Reife gelangt. Im Umgang mit den ersten deutschen Schauspielern, geschult durch das feinfühligste Publikum und die anspruchsvollste Kritik, die es in Deutschland giebt, errang sich Wilbrandt eine erste Stelle unter den dramatischen Schriftstellern unseres Vaterlandes. Namentlich war es der künstlerische Reiz und die weibliche Liebenswürdigkeit von Auguste Bandills, welche den Wienern die Lustspiele des Dichters so schmackhaft erscheinen ließen. Diese Künstlerin ist für das Fach der geistreichen Weltdamen eine ganz unvergleichliche Vertreterin gewesen, die jedes Tüpfelchen der Dialektik an die richtige Stelle zu setzen wußte und das moderne Stück auf die natürlichste und charakteristischste Weise zu beleben verstand. In Wien konnte man sich lange keine Bauern- feld'sche Komödie ohne Auguste Bandius denken, und Wilbrandt schien der berufene Erbe Bauernfeld's in Bezug ans Eleganz und geistreichen Schliss zu werden. Was Wunder, wenn das Interesse, welches der Dichter und die Darstellerin an einander nahmen, bald zur herzlichen Freundschaft wurde, und diese Freundschaft sich zu einer Liebe steigerte, die in der Begründung des häuslichen Glückes und der gegenseitigen künstlerischen Förderung ihren idealen Ausdruck fand. Seit dem Jahre 1873 ist Auguste Bandius die treue Lebensgefährtin Adolf Wilbrandt's und die begeisterte Interpretin seiner Dichtungen, als welche sie den Ruhm ihres Gatten von Stadt zu Stadt getragen und das Bild einer wahrhaften Mnsterehe gegeben hat.
Bevor Wilbrandt nach Wien kam, hatte er schon ein romantisches Ritterschauspiel vollendet, das den Uebergang zu seinen Römertragödien bilden möge. Wir meinen