Fontane:
freudiger Bewegung iu das Landschafts- bild hinein, das ihm heute, unter dem Einfluß einer besonderen Beleuchtung, als etwas Neues und Niegesehenes erschien. In den Fenstern des Schlosses stand die Vormittagssonne, weiter unten blinkte der Wetterhahn auf der Schindelspitze des Thnrmes, und von rechts her, unter Erlen halb verborgen, flimmerte das Schieferdach von Diegel's Mühle herauf.
„Ich muß nun da hinein," sagte der Haidereiter und zeigte halb rückwärts auf den Wald. „Und dies ist der Weg, der nach der Mühle führt. Ehrwürden sehen den Haselbusch, und wenn Sie den haben, schlängelt sich's allmälig bergab. Aber immer rechts. Nach links hin geht's in den Elsbruch und ist steil und abschüssig, und wer fehl tritt, ist kein Halten mehr. Und du, Hilde, gehst vorauf und suchst Ehrwürden die besten Stellen."
Und sie ging vorauf und wartete nur dann und wann, bis der Alte, den sie führen sollte, wieder heran war. In diesem aber klang es nach, was der Haidereiter in der Muthe Haus oben gesprochen hatte: „Wer den Tvdten Blumen streut, der streut sie, denk' ich, auch wohl den Lebenden." Und er wiederholte sich jedes Wort. „Aber ich fürchte," fuhr er in leisem Selbstgespräch fort, „sie kennt nicht gut und nicht bös, und darum Hab' ich sie zu dem Baltzer Bocholt gegeben. Der hat die Zucht und die Strenge, die das Träumen und das Herumfahren austreibt. Und wenn sie Gutes sieht, so wird sie Gutes thun."
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Hilde blieb in der Pfarre bis zum Be- grübniß ihrer Mutter, am dritten Tag in aller Frühe. Alan läutete nicht, und nur einige Neugierige waren gekommen, darunter auch Dienstleute vom Schloß. Und als nun der alte Sörgel das Gebet gesprochen und der Todten eine Hand
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voll Erde nachgeworfen hatte, nahm Baltzer Bocholt das Kind an der Hand, um es in seine neue Heimstätte hinüberzuführen. Aus dem Flur, in der Nähe der schmalen Treppe, standen alle Zugehörige des Hauses, und Baltzer, als er sie stehen sah, sagte: „Das ist gut, daß ihr da seid. Sieh, Hilde, dies ist unsere Griffel. Mit der wirst du nun Zusammenleben und mußt ihr gehorchen in allen Stücken, als ob ich's selber wär'. Und dies ist Joost, unser Knecht, der meint es gut. Nicht wahr, Joost? Und laß dich nur aufs Pferd von ihm setzen, aber immer nur, wenn er Zeit hat, und darfst ihn nicht stören bei seiner Arbeit. Und dies ist unser Martin; der soll nun dein Bruder sein, und ihr sollt euch lieb haben. Wollt ihr? Willst du, Hilde?"
Diese nickte, während Martin schwieg und verlegen vor sich niedersah. Baltzer aber hatte dessen nicht Acht und fuhr fort: „Und nun gebt euch die Hand. So. Und jetzt einen Kuß. Und nun, Griffel, führ' unser neues Kind in seine Stube hinauf und zeig' ihm, wo es wohnt. Und zu Mittag sehen wir uns wieder. Punkt zwölf, auf die Minute. Hörst du! Denn ich bin ein alter Soldat und liebe Pünktlichkeit. Und nun Gott befohlen!"
Danach wandte er sich und ging aus dem Flur in die Vorlaube, während Martin in den Hof lief und Griffel und Hilde treppauf stiegen. Oben waren zwei Giebelstuben, in deren einer Griffel bis dahin allein gewohnt hatte. Die sollte sie jetzt mit Hilde theilen. Es war ein großer, weißgetünchter Raum, in dem aber so Vielerlei stand, daß er wenigstens i nicht kahl und kalt wirkte. Die Truhen ! und Schränke waren bunt gestrichen, und ! in der Nähe des Fensters hing eine Wand- ^ uhr, auf deren Zifferblatt ein goldgelber Hahn krähte. Der Pendel ging, ein paar große Fliegen summten und Griffel sagte: „Sieh, Hilde, hier müssen wir uns nun
Ellern klipp.