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Illustriere Deutsche Monatshefte.
vertragen. Werden wir? Ich denke doch. Du siehst mir danach aus, als ob Jeder mit dir leben könnt' und wärst ein gutes Kind und hättest keinen Eigenwillen. Und das ist immer das Beste, keinen eigenen Willen haben. Ich meine so für gewöhnlich, denn Mancher hat einen und muß eineu haben. .. Und dies hier ist deine Seite, dein Bett und dein Stuhl, und dieser Rechen ist für dich. Und es darf nichts umherliegen. Die Fenster aber müssen offen sein, denn es lebt sich besser in frischer Luft, und ich weiß nicht, wer sie wieder zugemacht hat. Gewiß unser Joost; der denkt immer: je stickiger, je besser, und will Alles warm haben wie seinen Pferdestall."
Und während sie so sprach, hatte sie das Fenster aufgemacht und eingekettet und winkte Hilden, an dem anderen Fenster ein Gleiches zu thun. Und Hilde that es, und ein Ausdruck von Glück überflog ihre Züge, so sehr gefiel ihr, was sie sah. Unmittelbar unter ihrem Fenster lag der Wirthschastshof, auf dem die Tauben von einem Dachfirst zum anderen flogen; abwärts am Bach hin, in Entfernung weniger hundert Schritte, stieg der Ranch aus den Dächern des Dorfes, und immer weiter zu Thale dehnte sich das weite, flache Vorland aus und blinkte sonnenbeschienen in allen Herbstesfarben.
In all' das sah Hilde hinein und sagte, während sie lang und tief aufathmete: „Hier will ich immer stehen... Ah!.. Es ist so weit hier."
„Ei nun," lachte Griffel, „das ist gut, daß es dir gefällt. Aber du kannst hier nicht immer stehen. Ein junges Ding wie du, das ist nicht dazu da, bloß in die Welt zu gucken und zu warten, bis das Glück kommt oder der Bräutigam, was eigentlich ein und dasselbe ist. So wenigstens glauben sie. Nein, mein Hilde- chen, ein junges Ding muß arbeiten; denn bei der Arbeit vergehen einem die dummen
Gedanken, und der Böse kann nicht herein, der immer vor der Thür steht. .. Und nun komm und laß uns in die Küche gehen, daß wir ein Feuer machen und ihm ein Frühstück bringen."
„Muß ich es ihm bringen?"
„Ja. Da wird er sich freuen. Denn er hat dich gern und du gefällst ihm. Oder fürchtest du dich vor ihm?"
Sie schwieg und sah vor sich hin. Griffel aber fuhr fort: „Er lacht nicht viel und sieht aus, als ob er bloß brummen und beißen könnt'. Aber er ist nicht so schlimm und hat es eigentlich gern, wenn Andere lachen. Lache nur und erzähl' ihm viel und sei zuthulich, und du wirst sehen, er läßt sich um den Finger wickeln. Und so sind alle Maunsleut', und die, die so sauertöpfisch aussehen, just am meisten. Aber das verstehst du noch nicht. Oder verstehst du's? Höre, Hilde, du siehst mir aus, als verständest du's."
Und dabei lachte Griffel wieder, nahm sie bei der Hand und führte sie treppab in die Küche.
Hilde fand sich schnell in Allem zurecht, und den dritten Tag, als Griffel eben den Tisch deckte, sagte der Haidereiter, indem er sich auf seinem Stuhle herumdrehte: „Nun, wie geht es? Ich meine mit der Hilde?"
„Wie soll es gehen! Gut geht es. Es ist ein liebes Kind, still und gehorsam."
„Das freut mich," sagte Baltzer, „daß ihr euch vertragt. Aber ich mußt' es. Sie hat so was Feines, und ist Alles anders. Meinst du nicht auch?"
„I freilich, mein' ich. Die Muthe war ja eine feine Person und eigentlich über ihren Stand. Und was ihr Mann war, ich meine den Jörge Rochussen — denn er soll ja doch wirklich ihr Mann gewesen sein, und sie reden ja von zwei Trauringen, die der alte Sörgel oben in einer Schachtel gefunden und mit in die Sacri- stei genommen hat — nu, der Jörge, der