152 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
nahm sie seine Hand und that Fragen über Fragen, und erst wenn sie mitten im Dors und die meisten Kühe längst im Stalle waren, entsann sie sich und schleuderte die Kreuz und Quer, und von einem Ufer auss andere, bis an ihr Haus und die von wildem Wein überwachsene Vorlaube zurück. Da traf sie sich mit Martin, der ihr in Allem zu Willen war, ohne daß sie selber einen rechten Willen gehabt hätte. Aber er errieth ihre Gedanken und handelte danach.
Und so wußte er denn auch bald, daß sie nichts Lieberes that, als Boot und Flotte spielen, und in seinen freien Stunden saß er seitdem in der Geschirr- und Hobelkammer, schnitt Schiffchen aus Holz- und Rindestücken und gab ihnen einen Mast mit einem weißen Segel daran. Und dann setzten sie die Schiffchen ein und sahen ihnen nach. Die meisten ken- terten gleich und wurden ans Ufer geworfen, aber zwei hielten sich bis weit hinaus, uud sie konnten sie nicht bloß verfolgen, sondern auch deutlich erkennen, wie sie gerade auf den Sonnenball Zufuhren, der zwischen dem niederhängenden Gezweige stand und die schäumenden Wellen vergoldete. „Sieh," sagte Martin, „das sind wir; ich Hab' unsere Namen drangesteckt, und die scheitern nicht. Und wenn du's nicht glaubst, so komm nur, wir wollen sehen, ob ich nicht Recht habe." Und sie liefen abwärts, um die gekenterten Schiffchen wieder aufzusuchen und danach festzustellen, welche zwei noch flott waren; aber schon das zweite, das zwischen den Steinen lag, war der „Martin". Er nahm es und erschrak. „Ach, Hilde, dann ist es ein anderes Schiff, das mit dir fährt." Und eine Thräne stand in seinem Auge.
Hilde gab keine Antwort und sah immer nur den beiden Segeln nach, die noch im Abendlichte glänzten, bis endlich das Licht und die Segel verschwunden waren.
Unter solchem Spielen verging der Herbst, und es war fast, als ob der Wetterumschlag nicht kommen wollte. Aber zuletzt kam er doch. Eines Abends hatten sich Griffel und Hilde niedergelegt und kurz vorm Einschlafen beschlossen, am nächsten Tage die Winteräpfel von den Bäumen schütteln zu wollen, da kam ihnen der Sturm zuvor, und noch ehe Mitternacht heran war, wachte Griffel aus und sah zu Hilde hinüber, ob sie noch schliefe. Aber die saß schon auf, mit gefalteten Händen, und sah in den Vollmond, der hell hereinschien und die ganze Stube mit seinem weißen unheimlichen Lichte füllte. Dabei lief der Sturm, der sein Heulen aufgegeben hatte, pfeifenden Tones und immer rascher um das Haus her und zwängte sich durch alle Ritzen. Und mit einem Male ward es still. „Ist es vorüber?" fragte Hilde von ihrem Bett her. Aber ehe Griffel noch antworten konnte, gab es ein Donnern in den Lüften, und Alles dröhnte und schütterte, und Griffel, die sonst Muth hatte, rief mit ängstlicher Stimme: „Duck di, Hilde. Dat is he." Und Hilde duckte sich und wollte sich unter die Kissen verstecken, aber sie konnte es nicht und sprang auf und setzte sich auf Grissel's Bett und sagte: „Was machen wir?" — „Wir beten." — „Ich kann nicht." — „Dann sprich es nach." Und Griffel betete:
„Steh uns bei, Herr Jesus Christ,
Wider Teufels Macht und List;
Dein ist die Kraft und Herrlichkeit In Ewigkeit. Amen."
Und „Amen" zitterte Hildens Stimme nach.
Als sich am anderen Morgen der Sturm gelegt hatte, kam die Regenzeit. Die dauerte zwei volle Wochen, und es klatschte Tag und Nacht an die Fenster, und die letzten Blätter fielen von den Bäumen und trieben in hundert kleinen Rinnen dem von dem losgewaschenen