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Fontane:
Erdreich immer trüber werdenden Bache zu. Hilde stand an dem Giebelfenster oben und fror. Und zuletzt warf sie sich aufs Bett, wickelte sich ein und legte die Füße aus den Binsenstuhl. Aber wenn sie dann Griffel auf der Treppe hörte, sprang sie rasch wieder auf, machte Bett und Decke wieder glatt, trat ans Fenster und sah in den Hof hinunter, wo die Hühner unterm Schuppendach saßen und Tiras seinen Kopf immer nur so weit vorstreckte, wie der Dachvorsprung seiner Hütte reichte. Und dann fragte Griffel: „Was machst du, Hilde?"
„Ich friere."
„Dann komm an den Herd."
Und darauf wartete Hilde bloß und ging treppab und kauerte sich unter dem Herdbogen, wo das kleingemachte Holz lag, und wenn sie da warm geworden, kroch sie wieder heraus und setzte sich ans den Hauklotz. Da hockte sie stundenlang und sah in das Feuer, in das von oben her ans dem Rauchfang einzelne Tropfen zischend niederfielen, und hörte, wie die Katze spann und wie die Sperlinge, die sich naß und hungrig auf das Fensterbrett geflüchtet hatten, ängstlich und traurig zirpten und zwitscherten. Dann jammerte sie der Creatnr, und sie stand auf und öffnete das Fenster und streute Krumen. Und wenn einige zudringlich in die Küche hineinhuschten, dann hielt sie die Katze fest, bis alle wieder über den Flur oder durch den Rauchfang hinaus ins Freie waren.
Das ging so wochenlang, bis eines Morgens der Regen fort war und die Sonne hell ins Fenster blinkte. Denn über Nacht war Winter geworden. Und wie das Wetter, so hatte sich auch die Hilde vertauscht und war froh und frisch und aller Müdigkeit los und ledig. Und Martin sagte: „Komm, ich geh' auf die Sieben-Morgen." Nicht lange, so stiegen Beide den Heckenzaun entlang auf
Ellcrnklipp.
ein Tümpelchen zu, das in der Sommerzeit eine Tränke für das Vieh war. Und weil es tief eingebettet und geschützt vor dem Winde lag, war sein Eis glatt, und Martin sagte: „Nun hucke dich und fasse meinen Rock." Und im nächsten Augenblicke fuhr er über die Spiegelfläche hin, und sie glitt ihm nach und konnte es nicht müde werden, bis ihr zuletzt die klammen Finger versagten. Aber noch auf dem Heimwege versuchte sie's immer wieder, und als Griffel ihrer ansichtig wurde, wie sie so frisch und rothbäckig war, rief sie verwundert einmal über das andere: „Kind, Hilde, du bist es ja gar nicht mehr!"
Und wieder eine Woche später, da trübte sich der Himmel, ohne daß der Frost erheblich gewichen wäre; und als Hilde den dritten Tag aufsah und wie gewöhnlich das Fenster öffnete, siehe, da flog schon ein Schneeball über sie weg und gleich darauf ein zweiter, und Martin rief hinauf: „Aber nun rasch; ich will dich Schlitten fahren." Und wirklich, ehe noch die Griffel ein Nein oder Ja sagen konnte, war schon die Schleife mit den vier Speichen heraus, und Hilde saß in dem Korbe, einen Häckselsack unter den Füßen und einen Pferdesries über die Kniee; Martin und Joost aber spannten sich vor, der eine rechts, der andere links, und im selben Augenblicke ging es vom Hof her in den Fahrweg hinunter und am Hause vorbei, so laut und so froh, daß Baltzer von seinem Tisch aufsah und zur Griffel sagte: „Wie die Hilde lustig sein kann. Und du sagst immer, sie sei bloß müd' und matt und recke sich und strecke sich. Da sieh nur, wie das jubelt und lacht!"
„Ja," sagte Griffel, „das ist, seit wir den Winter haben; und hat ordentlich rothe Backen und ist wie vertauscht. Und uns Martin auch, und immer hinterher, und Hildechen hier und Hildechen da. Ja, die Hilde! Sie weiß es nicht anders