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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
mehr und hat es mein Seel' vergessen, wo sie herkommt und was es eigentlich mit ihr ist... Aber das sag' ich so bloß zwischen uns, Baltzer Bocholt."
Und des Haidereiters Stirn, die sich schon gerunzelt hatte, glättete sich wieder, und er sagte ruhig und in beinahe freundlichem Tone: „Und wenn sie's vergessen hat, desto besser. Wir wollen es auch vergessen... Und das vergiß nicht!"
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Hilde lebte sich ein, und es waren glückliche Helle Tage, so hell wie der Schnee, der draußen lag. Alle Morgen mußte Martin in die Schule, zweimal auch zu Sörgel, aber wenn er dann eine Stunde vor Essen wiederkam und seine Mappe mit der Schiefertafel in das Brotschapp gestellt hatte, so ging es mit der ihn schon erwartenden Hilde rasch in die Wintersreude hinaus, die jeden Tag eine andere wurde. Die größte aber war, als sie sich auf dem Hofe eine Schneehütte gebaut und die Höhle darin mit Stroh und Heu ausgepolstert hatten. Da saßen sie halbe Stunden lang, sprachen kein Wort und hielten sich nur bei den Händen. Und Martin sagte, sie seien verzaubert und säßen in ihrem Schloß, und der Riese draußen ließe Niemand ein. Dieser Riese aber war ein Schneemann, dem Joost eine Perrücke von Hobelspänen aufgesetzt und anfänglich ein Schwert in die Hand gegeben hatte, bis einige Tage später aus dem Schwert ein Besen und mit Hülfe dieses Tausches ans dem Riesen selbst ein Knecht Ruprecht geworden war. Das war um die Mitte December. Als aber bald danach die letzte Woche vor dem Fest anbrach, da fingen auch die Heimlichkeiten an, und Martin war stundenlang fort, ohne daß Hilde gewußt hätte, wo. Und wenn sie dann fragte, so hörte sie nur, er sei bei Sörgel oder bei Melcher Harms oder bei dem alten Drechsler Eickmeier,
der in der Weihnachtszeit außer seinen Pfeifen und seinem Schwamm auch noch Bilderbogen verkaufte. Mehr aber konnte Niemand sagen, und erst am Heiligabende selbst mußte der Geheimnißvollthuende von seinem Geheimniß lassen, um sich ebenso der Zustimmung des Vaters wie der Hülfe Grissel's zu versichern. Und diese Letztere half denn auch wirklich und freute sich, daß es etwas Schönes werden würde, worüber ihr keinen Augenblick ein Zweifel kam. Und als es nun dunkelte und drüben von der Kirche her die kleine Glocke zu läuten anfing, da war Alles fertig, und der Haidereiter selbst führte Hilden in seine Stube, drin unter dem Christbaum neben anderen Geschenken auch die ganze Stadt Bethlehem mit all' ihren Hirten und Engeln aufgebaut worden war. Alles leuchtete hell, weil hinter dem geölten Papier eine ganze Zahl kleiner Lichter brannte; am hellsten aber leuchtete der Stern, der über dein Kripplein und dem Jesuskinde stand. Und Hilde konnte sich nicht satt sehen daran; und als endlich der Lichterglanz in der Stadt Bethlehem erloschen war, trat sie vor den Haidereiter hin, um ihm für Alles, was ihr der heilige Christ beschert hatte, zu danken.
„Und nun sage mir," sagte dieser, „was hat dir am besten gefallen?"
Sie wies auf die Stadt.
„Dacht' ich's doch!" lachte Baltzer Bocholt, „die Stadt! Aber die Stadt ist nicht von mir, Hilde, die hat dir der Martin aufgebaut und hat seine Sparbüchse geplündert. Und der alte Melcher Harms hat ihm geholfen, und Alles, was in Holz geschnitzt ist und auf vier Beinen steht, das ist von ihm. Ja, das versteht er. Aber der Martin hat doch das Beste gethan, und wenn du wem danken willst, so weißt du jetzt, wohin damit."
Und dabei wies er auf Martin, der scheu neben dem Ofen stand.