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Hilden selbst aber war alle Scheu geschwunden, und sie lief auf Martin zu und gab ihm einen herzhaften Kuß, so herzhaft, daß der alte Haidereiter ins Lachen kam und immer wiederholte: „Das ist recht, Hilde, das ist recht. Ihr sollt euch lieb haben, so recht von Herzen, und wie Bruder und Schwester. Ja, so will ich's, das Hab' ich gern."
Und danach ging es zu Tisch, und Alle ließen sich den Weihnachtskarpfen schmecken und waren guter Dinge, nur Hilde nicht, die noch immer in fieberhafter Erregung nach dem dunkelgewordenen Bethlehem hinübersah und endlich froh war, als sie gute Nacht sagen und in die Giebelstube hinaufsteigeu konnte. Hier stellte sie, was ihr unten beschert worden war, auf das oberste Brett ihres Schrankes und sagte zu Griffel, während sie den Binsenstnhl an das Bett derselben heranrückte: „Nun erzähle."
„Wovon, Kind?"
„Von der Jungfrau Maria."
„Und von dem Jesnskindlein?"
„Ja. Von dem Kindlein auch. Aber am liebsten von der Jungfrau Maria. War es seine Mutter?"
„Ach, du Herr des Himmels!" entsetzte sich Griffel. „Hast du denn nie gelernt: ,Geboren von der Jungfrau Maria'? Kind, Kind! Ach, und deine Mutter, die Muthe, hat sie dir denn nie das zweite Stück vorgesagt? Wie? Sage!"
„Sie hat mir immer nur ein Lied vorgesagt."
„Und wovon?"
„Von einem jungen Grafen."
„Und nichts von Gott und Christus? Und weißt auch nicht, was Weihnachten ist? Und bist am Ende gar nicht getauft? Und da läßt der Pastor dich umherlaufen, sagt nichts und fragt nichts, und der Böse geht um, und ist Keiner, der ihm widerstände, der nicht den Glauben hat an Jesum Christum, unseren Herrn und
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Heiland. Ach, du mein armes Heidenkind! ... Aber nimm dir ein Tuch um und wickele dich ein, denn es ist kalt, und dann höre zu, was ich dir sagen will."
Und Griffel erzählte nun von Joseph und Maria und von Bethlehem, und wie das Christkind allda geboren sei.
„Bon der Jungfrau Maria?"
„Ja, von der. Denn das Kind, das sie gebar, das war nicht des Josephs Kind, das war das Kind des heiligen Geistes."
Es war ersichtlich, daß Hilde nicht verstand und verlegen war. Aber sie wollte nicht weiter fragen und sagte nur: „Und wie kam es dann?"
„Ei, dann kam es so, wie du's heute gesehen hast und wie Martin und Joost es dir aufgebaut haben. Und meinetwegen auch der alte Melcher. Erst kam der Stern und stand über dem Hause still, und dann erschienen die Hirten und zuletzt kamen die drei Könige von Morgenland und brachten Gold und Gaben und köstliche Gewänder, und Alles war Licht und himmlische Musik, und der Himmel war offen und die Engel Gottes stiegen auf und nieder. Und es war Freud' im Himmel und auf Erden, denn unser Heiland war geboren. Und dieser Geburtstag unseres Heilandes ist unser Weihnachtstag."
Hilde's Augen waren immer größer geworden, und sie sagte jetzt: „Ach, das ist schön und wird Einem so weit! Erzähle mir immer mehr. Ich seh' es Alles und höre die himmlische Musik, und dazwischen ist es wie Glockenläuten. Ernst und schwer. Und ist immer derselbe Ton..."
Indem aber hatte sich Griffel aufgerichtet, hielt ihre Hand ans Ohr und sagte: „Hilde, Kind, was ist das?... Immer ein Ton, freilich. Und immer derselbe.. . Das ist die Feuerglocke. .. Horch!"
Und sie war aus dem Bett gesprungen, warf ihren Friesrock über und sah hinaus. Aber im Dorfe war kein Feuer-
Ellcrn klipp.