Heft 
(1881) 296
Seite
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Fontane: Ellernklipp.

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und gegen Hilde richteten, ging es den gan­zen Tag, bis sie sich am Abend auf ihr Bett warf und wieder erbost an der warmen Wand herumtastete, fest entschlossen, ein halbes Jahr lang nicht zu sprechen und demFrölen" das Leben und die Herr­schaft so sauer wie möglich zu machen.

Und es würde auch so gekommen sein

an ihrem guten Willen gebrach es nicht

wenn es Hilden im entferntesten einge­fallen wäre, Befehl und Herrschaft üben zu wollen. Aber ihrer Natur entsprach viel viel mehr eine Gleichgültigkeit da­gegen, und dieser ihr eigenthümliche Zug entwaffnete Grissel's Zorn in so hohem Grade, daß sie bei bestimmter Gelegenheit zu Joost sagte:Hür', Joost, ick kann ehr doch nich gramm sinn. He wull wat nt ehr moaken; awers se will joa nich. Un dat möt woahr sinn, se hett wat Fines."

Und so klang es denn eine gute Weile zwischen den Beiden wieder ein, und es hätte vielleicht Bestand gehabt und wäre ganz wieder eingeklungen, wenn nicht der Melcher Harms oben aus den Sie­ben-Morgen gewesen wäre, zu dem Hilde jetzt öfter noch als früher Hinaufstieg und länger noch als früher verweilte. Das verdroß Griffeln, die's nicht ertragen konnte, sich so bei Seite gedrängt und um den Ruhm ihrer Weisheit und ihrer alten Geschichten gebracht zu sehen, und als eines Tages unsere Hilde zu Martin, der es gleich weiter plauderte, gesagt hatte: Sieh, Martin, die Griffel gackert doch bloß wie die Hühner, aber unser alter Melcher Harms oben, der ist wie der Weih aus Kuverts - Kamp," da war es mit dem Einklingen ein für allemal vor­bei gewesen, und Griffel, als sie davon gehört, hatte nur höhnisch gelacht und ge­sagt:Joa, joa, as de Weih upp Kunerts- Kamp. De nümmt de Lütt-Kinner mit in de Hücht, un groad, wenn se glöwen: nu geiht et inn'n Heben, denn, perdautz! lett he se wedder foall'u. Un doa liggen se."

Seit dem Tage lebten Griffel und Hilde so neben einander hin, in einem halben Zustande, der nicht Krieg und nicht Frieden war, und wenn an Grissel's Seele beständig etwas wie Neid und Eifer­sucht zehrte, so wuchs in Hilde der Hang nach Einsamkeit, und sie beglückwünschte sich täglich mehr als einmal, die Giebel­stube nicht mehr theilen zn müssen. Und wenn dann Abend war, öffnete sie das Fenster und sah hinaus, und eine müde, schmerzlich-süße Sehnsucht überkam sie. Wonach? Wohin? Dort hin, wo das Glück war und die Liebe. Ja, die... Und Gestalten kamen und zogen an ihr vorüber und grüßten sie und fragten sie; aber sie waren es alle nicht. Und zuletzt kam Martin, Martin, der drüben in der Kammer schlief und immer roth wurde, wenn der alte Sörgel in Scherz oder Ernst ein Wort sagte. War er es? Nein; ja ... und dann wieder nein.

Und es war wieder Herbst; die Berg­lehnen standen in roth und gelb, und die Sommerfäden zogen wieder wie damals, wo Hilde vor nun gerade zehn Jahren ins Haus gekommen war. Aber es dachte Niemand mehr daran, auch Hilde nicht, die sich heute, weil es des Haidereiters Geburtstag war, nicht nur in aller Frühe schon herausgemacht, sondern auch in dem noch thaufeuchten Garten eine große Guirlande von Astern mit reichlichen Levkojen und Reseda dazwischen, gefloch­ten hatte. Die war nun fertig, und Hilde horchte vom Flur her, ob drin in der Stube noch Alles ruhig sei. Wirklich, er schlief noch. Und so holte sie leise einen Schemel, öffnete noch leiser die Thür und hing den Guirlandenkranz an dem inneren Rahmen aus.

Nicht lauge, so war auch der Haide­reiter in Staat, und alle Hausinsaffeu er­schienen, um ihm ihre Glückwünsche zu