Heft 
(1881) 296
Seite
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Fontane:

Anderes hatten sie nicht, weil die richtige Musik mit zu Felde war, und es immer so wirbelte durch ganz Emmerode hin, an dem Kirchhof und dein Stachelginster vorbei, bis an die Kirche, die schwarz ausgeschlagen war, und brannten alle Lichter, aber keine Gesangbuchsnnmmer an der Tafel und bloß die Orgel spielte, da war es dem Alten doch zu viel, und er hat's nicht lange mehr gemacht. Aber das sag' ich euch, das war ein Mann, der hätte das nicht geduldet mit dem Kamm-Melcher und mit dem Katholisch­thun, und hatte für Jeden ein Herz und eine Hand, und als mein Ehrentag war mit deiner Mutter, Martin, die nun auch drüben schläft und vor Gott bestehen wird, weil sie Gott im Herzen hatte, da war er noch frisch und gut bei Weg', und ich dachte: der wird achtzig. Und eben den Tag war es, da kam auch ein Flaschenkorb mit Wein herüber und ein Zettel dran, auf dem war zu lesen: ,Für den Hochzeiter und Haidereiter', und da­runter stand: ,Anf gute Nachbarschaft? Ja, ,Auf gute Nachbarschaft' hatte der gute gnädige Herr geschrieben und Alles eigene Handschrift. Und von dem Wein ist dieser. Damals, an demselben Tage noch, Hab' ich den weißen Lack von der ersten Flasche geklopft und heute von dieser zweiten, und ich denke, Kinder, es soll nicht die letzte gewesen sein."

Und Baltzer Bocholt, der, als er so sprach, ohne Wissen und Wollen aufge­standen war, setzte sich jetzt wieder und strich sich einmal über das andere den vollen Bart; denn es gefiel ihm wohl, was er gesagt hatte, und in der Eitelkeit seines Herzens und in dem frohen Blick in die Zukunft, den er sich gönnte, ver­gaß er zum ersten Male, trotzdem er doch von ihr gesprochen und ihrer in Ehren gedacht hatte, nach dem Sopha hinzu­sehen, über dessen hoher Lehne das nur handgroße Pastellbild seiner Seligen hing.

Ellern klipp. 179

Es rührte von einem Halberstädter Zeichenlehrer her, der in den Ferien Alles abmalte, die Gegend und die Men­schen, am liebsten aber die Brautpaare. Und es war damals kurz vor der Hochzeit gewesen.

Ja, zum ersten Male heute hatte der Haidereiter nicht nach dem Bilde hin­übergesehen; aber er sprach noch Vieler­lei von Freud' und Leid und von Gutem und Schlimmem, und sprach zuletzt auch von der großen Kränkung seines Lebens, davon, daß ihm die Gräfin, als es doch Zeit gewesen, denTitul" nicht gegeben habe. Denn ein Haidereiter sei doch eigent­lich nur was Kleines und Geringes und eigentlich bloß dazu da, Bettel- und Weibsvolk, das sich Reisig sammelt, ins Prison oder Spinnhaus zu bringen. Und das sei nichts für einen alten Soldaten und einenRichtigen ans dem Wald", der seine Büchse Hab' und immer ins Blatt träfe, Mensch oder Thier. Aber das sei's eben, das Hab' ihn um die Re­putation gebracht, daß er fester und flin­ker gewesen als der Maus-Bugisch, und das Hab' ihm die Gräfin nicht verziehen.

Und er verbitterte sich wieder darüber und schloß endlich:Aber das weiß ich, Kinder, lebte der noch, der mir diesen Wein ins Haus geschickt hat und mir immer ein gnädiger Herr war, da wär' es Alles anders und gäbe keinen Haide­reiter mehr, und ich hätte den Titel. Und weiß es Gott, ich wollt' ihm Ehre machen, und sollte keines Menschen Schad' oder Schande sein."

Es hatte Hilden einen Stich gegeben, als des Maus-Bugisch und jenes un­heimlichen Tages wieder Erwähnung ge­schehen war; Martin aber fühlte wie der Vater und vergaß für den Augenblick wenigstens aller eigenen Kränkung und nickte und trank ihm zu.

Und so vergingen Stunden, und als endlich der Haidereiter, des Sprechens

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