Heft 
(1881) 296
Seite
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Johannes Althusins.

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Johann Kaspar Blnntschli.

eder Politisch gebildete Franzose nnd wer in Deutschland sich mit der Staatswissenschaft ernstlich beschäftigt hat, kennt den Namen nnd das Werk von Jean Bodin: b>6 In. liöpnkligriö", aus tvelchem die Späteren und insbesondere Montesquieu so viel Belehrung geschöpft haben. Aber wer in Deutschland wußte denn noch von Johannes Althusins, dem deutschen Gcgenbilde von Bodin, bevor Professor Otto Gierte sein Andenken wieder erneuert hat!* Die Erinnerung an den bedeutenden Staatsweisen ist während der Verwirrung und des Elendes, welche der dreißig­jährige Krieg über Deutschland verbreitet hat, erloschen.

Obwohl während des Mittelalters die gesammte Staatenbildung in dem romani­schen und dein germanischen Europa von Germanen bestimmt nnd erfüllt und das römische Reich deutscher Nation als die vornehmste europäische Macht geehrt ward, so stand die Staatswissenschaft der Deut­schen Jahrhunderte lang hinter der an­derer Nationen zurück. Erst spät fingen die Deutschen an, über den Staat und die Rechtsprincipien gründlicher nachzudenken und sich wissenschaftlich zu orieutiren.

Zur Zeit der Kirchenreformation waren das Gemüth und der Geist aller germa­

* Otto Gierte: Johannes Althusins und die Entwickelung der naturrechtlichen Staatstheorien. Breslau 1880. Ich habe diese werthvolle Schrift als höchst willkommene Festgabe zu meinem Doctor- jubiläum im August 1880 erhalten.

nischeu Nationen ganz und gar von den religiösen Interessen nnd den Glaubens­fragen eingenommen. Deshalb blieb es damals den Italienern nnd den Franzosen fast allein überlassen, die Staatswissen­schaft zu bearbeiten, welche nun einen abso­luten und centralistischen Charakter erhielt.

Erst nachdem die Kirchenreform zu einem vorläufigen Abschluß gelangt war, d. h. erst im siebzehnten Jahrhundert, treten die Germanen auch in der Staats­wissenschaft bedeutsamer hervor und über­nehmen zur Zeit der großen englischen Revolution die Führung. Alle germanischen Schriftsteller, welche sich an dieser Arbeit betheiligen: Deutsche, Holländer, Eng­länder, sind Protestanten und als solche von der Autorität der römischen Kirche und der Päpste frei geworden. Den katholisch gebliebenen Deutschen ist es wie den katholischen Fürsten viel schwerer ge­worden, zu wissenschaftlicher Freiheit und staatlicher Selbständigkeit aufzusteigen. Spät erst folgen sie dem Vorbilde und Vor­gänge ihrer protestantischen Brüder nach.

Der erste Deutsche, welcher unter den Begründern und Lehrern der neueren Staatswissenschaft eine bedeutende Stellung einnimmt, ist der Professor Althusins. Auch das ist bezeichnend für den Cha­rakter der deutschen Staatslehre. Wie die Kirchenreform vornehmlich von den Wittenberger Professoren ausgegangen war und die deutschen Universitäten fort­während die wichtigsten und fruchtbarsten Pflanzstätten der deutschen Wissenschaft