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Jllnstrirte Deuts
sind, so gehören die meisten deutschen Vertreter der Staatswissenschaften von jeher dem Stande der Universitätsprofessoren an. Es ist das eine Thatsache, welche beachtet werden muß, wenn man ihre Vorzüge und ihre Mängel, ihre wohlthätigen und nachtheiligen Folgen verstehen will.
Johannes Althusius, wie er sich in seinen lateinisch geschriebenen Schriften nennt (Althus, Althaus), wurde im Jahre 1557 in Diedenshausen in Westfalen geboren. Er scheint seine Universitätsbildung hauptsächlich in der Schweiz, in Basel, wo er den juristischen Doctor- grad empfing, und in Genf, als Schüler des Dionysius Godosredus empfangen zu haben. Jedenfalls war er ein eifriger Resormirter und in die calvinistische Schule eingeweiht. In den Schweizerstädten konnte sich auch der republikanische Grundzug seiner Staatsaufsassnng ungestört ansbilden. Dann folgte er im Jahre 1586 als Rechtslehrer einem Rufe nach der nassauischen Universität Herborn, wo vorher schon eine Facnltät für reformirte Theologie bestand und damals eine rechts- wisfenschaftliche Facnltät neu gegründet ward. Dort hielt er Vorträge über Politik und veröffentlichte sein Lehrbuch über Politik. Das Buch erschien zuerst 1603 und erlebte acht Auflagen. Außerdem verfaßte Althus auch Lehrbücher über römische Jurisprudenz und über das geltende Recht in Vergleichung mit dem jüdischen Recht.
Im Jahre 1604 vertauschte er den Beruf eines Universitätsprofesfors mit dem praktischen Amte eines Rechtsrathes und Vertreters (Syndicus) der friesischen Handelsstadt Emden. Hier nahm er einen bedeutenden Antheil an den Kämpfen der Stadt für ihr reformirtes Bekenntniß und für ihre städtische Freiheit sowohl mit dem Landesherrn als mit der Ritterschaft. Er war der geistige Führer und Fürsprecher der Stadt und starb in hohem Alter am 12. August 1638.
Althus bewährt sich darin als deutscher Gelehrter und Professor, daß er die Staatslehre als ein wohlgeordnetes System darlegt und die Staatswissenschaft sowohl von der Theologie und Philosophie als von der Jurisprudenz abtrennt. Theologie und Philosophie haben die religiösen und sittlichen Grundlagen festzustellen, auf
che Monatshefte.
denen die Staatswissenschaft sich auferbaut, und die Jurisprudenz setzt ihrerseits die Grundlage des Staates voraus. Jene bereiten die Staatswisfenschaft vor, diese empfängt von ihr Autorität und Richtung.
Insofern steht Althus noch unter dem Banne der Theologie, als er nach der Weife der Reformirten der Bibel durchweg göttliche Autorität zuschreibt und fortwährend auch die Anssprüche des alten Testamentes mit ihrem theokratischen Charakter wie heilige, unverbrüchliche Gesetze betrachtet. Allerdings unterscheidet er zwischen den zehn Geboten, welche die großen religiösen, sittlichen und rechtlichen Grundgesetze offenbaren, und den zahlreichen Ceremomalschristen des Dekalogs. Nur jenen legt er eine fortdauernde Autorität bei als ewigen Gottesgeboten diese hält er für veränderlich, weil mit Rücksicht auf ein besonderes Volk und eine bestimmte Zeit erlassen. Aber wie die Puritaner in England und die Reformirten in Frankreich beruft er sich gern auf die Aussprüche des alten Testamentes und entnimmt oft seine Beispiele dem altjüdischen Staatswesen. Daher bekommt seine Staatslehre gegen seine Absicht doch zuweilen eine theologische Färbung. Die Rechtgläubigkeit ist für ihn immer noch höchstes Staatsinteresfe.
Unter Politik versteht er wie Aristoteles die ganze Staatslehre, das Staatsrecht inbegriffen. Aber der mittelalterlichen Doctrin, welche in dem Staate nur ein Reich des Leibes sieht und denselben der Kirche als dem Reiche des Geistes unterordnet, tritt er entgegen, indem er dem Staate auch geistige und sittliche Aufgaben zuweist und in dem Volke alle höchste Gewalt sowohl in kirchlichen als in weltlichen Dingen einigt.
Nicht wie die alten Helleneu geht er, um den Staatsbegriff zu erklären, von dem Ganzen aus, das der Idee nach von den Theilen, seinen Gliedern, existirt, sondern er folgt der Denkweise der Neueren, welche den Staat allmälig aus der Vereinigung seiner Glieder entstehen lassen. Freilich ist auch für ihn der Staat keineswegs ein zufälliges und willkürliches Er- zeugniß des freien Vertragswillens der einzelnen Menschen, sondern ähnlich wie die Familie eine Wirkung der Naturnoth- wendigkeit, indem die Einzelnen um ihrer