Heft 
(1881) 296
Seite
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

Volksrecht nicht ausschließen und nicht widersprechen, vielmehr das Volksrecht zugleich göttliche Lebensordnung sei. Er sagt, die heiligen Schriften nennen die jüdischen Könige und die RichterDiener Gottes". Das aber sind sie nur, wenn sie Gottes Gebote halten und Gerechtig­keit üben. Wenn sie Unrecht thun, so hören sie auf, Gottes Diener zu sein. Sie haben die Gewalt mittelbar von Gott und unmittelbar von dem Volke empfangen. Eine Macht, Unrecht zu thun, aber haben sie weder von Gott noch von dem Volke er­halten. Der deutsche König hat seine Würde zugleich von Gottes Gnaden und durch die Wahl der Kurfürsten. Er muß zugleich Gott gehorchen und das Reich als die ur­sprüngliche und höhere Macht anerkennen.

Sorgfältig untersucht Althus den Be­griff der Tyrannei und Prüft die Heil­mittel gegen dieselbe. Tyrannei ist ihm das Gegentheil der recht- und zweckmäßi­gen Regierung und eine Verletzung des Grundvertrages zwischen König und Volk. Verfassnngs- und Rechtsbruch, Willkür­regiment, lüderliche Wirtschaft, Schutz­losigkeit der Unterthanen, Begünstigung des Factionswesens, Verhinderung der ständischen Wirksamkeit sind Aeußerungen und Kennzeichen der Tyrannei.

Ganz im Sinne Calvin's hebt Althus das Bedürfniß eines Ephorates hervor, welches die Controle über die Verwaltung im Namen des Volkes ausübe. Im deut­schen Reiche schreibt er dieses Amt den Kurfürsten zu. Diese Ephoren sind zu­nächst berufen, der Tyrannei Widerstand zu leisten. Sie werden dazu berechtigt durch den Grundvertrag, die Competenz- bestimmungen, die göttliche Ordnung und den Eid, ihr Wahlrecht. Ein Recht zur Beschwerde besteht überall, wo eure Ge­meinschaft ist, selbst in der Familie. Das Unrecht des Regenten hebt sein Recht zu regieren auf. Reichen Worte aus, um die Tyrannei abzuwehren (Vorstellungen, Beschwerden, Proteste), so ist dieses Mittel vorzuziehen. Im Nothfalle aber ist be­waffneter Widerstand gegen gewaltsames Unrecht unentbehrlich und erlaubt. Die einzelnen Privaten haben dazu freilich weder die Macht noch in anderer Weise das Recht, als indem sie sich einem zum Widerstand berechtigten Fürsten anschließen

und demselben helfen Zuletzt sind die Ephoren berechtigt,' den zum Tyrannen gewordenen König zu entsetzen. Althus wendet sich hier ausdrücklich gegenAlbericus Gentilis und Barclay, welche den Ephoren hier dem englischen Parlamente das Recht zu solchem Widerstande ab­sprechen. Dieser Streit der Theoretiker ist der englischen Revolution von 1648 vorhergegangen, welche die Lehre von Althus zur Anwendung brachte.

Auch darin folgt Althus der Richtung Calvin's, daß der Gegensatz von Kirche und Staat nicht zu voller Geltung gelangt. In dem Volke ist kirchliches und politisches Gemeinleben geeinigt und die Majestät des Volkes umfaßt Beides. Er betrachtet die Sorge für die Religion und den Cul- tus als eine Hauptaufgabe des Staates; aber keineswegs in dem Sinne der mittel­alterlichen Doctrin, welche den weltlichen Arm nach dem Willen der Kirche bewegt, sondern so, daß das Volk selbständig kirch­liche und weltliche Dinge bestimmt und ver­walten läßt. Er empfiehlt aber in religiö­ser Hinsicht zwar noch nicht die Achtung individueller Glaubensfreiheit, aber doch eine billige Schonung Andersgläubiger und giebt zu, daß der Landesherr ohne Schaden ein anderes Bekenntniß haben könne als die Mehrheit der Unterthanen.

Neu und modern ist seine warme Em­pfehlung des Schulwesens. Die Sorge für die wissenschaftlichen Schulen ist ihm wie die Sorge für die Religion eine der wichtigsten Aufgaben der Staatsgewalt, welche gerade deshalb ihrer geistigen Art und Bestimmung wieder bewußt wird.

Auf die verschiedenen Staatsformen legt er weniger Werth, eben weil er seine republikanische Grundansicht von der Volks- souveränetät überall auch in der Monarchie als unzerstörbares Fundament zu finden meint. Sie erscheinen ihm daher nur als verschiedene Regierungsformen, als mannigfaltige Methoden, für die Aus­übung jener Souveränetät zu sorgen, die sich nach den Umständen, Zeiten, Sitten richten müsse. Wenn aber die bevoll­mächtigten Regenten ihr Amt schlecht ver­walten, so ist nach Althus das Volk immer in der Lage, ihnen die Vollmacht wieder zu entziehen und eine andere Regierung zu ermächtigen.

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