Heft 
(1881) 296
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

Selbst die ungeheure Masse seiner ^ Dichtungen mag mit dazu beigetragen I haben, daß ihm bisher nur schwer beizn- ! kommen war. Wo soll man ihn erfassen, wo beginnen? Was soll man von ihm lesen?

Entsprechend der unvergleichlichen Pro- dnetionslruft des merkwürdigen Mannes war auch seine erstaunliche Vielseitigkeit. Nur die Prosa-Erzählung war von ihm ausgeschlossen, weil diese zu seiner Zeit überhaupt eine noch unbekannte Gattung war Seine wenigen Prosadialoge be­handeln religiöse Fragen, und sie wurden von ihm in die gedruckte Ausgabe seiner Werke nicht ausgenommen. In den fünf Foliobänden derselben ist nicht ein einziges Product in Prosa, sondern Alles in ge­reimten Versen, und zwar ohne Aus­nahme in jenen vierfüßicpjambischen Reim­paaren, welche die Dichtung des ganzen sechzehnten Jahrhunderts, vor Allem die dramatische Dichtung, charakterisiren. Aber auch die enorme Zahl seiner in den mannigfaltigsten Reimverschlingungen und in Strophenform gedichteten Meisterge­sänge schloß er selbst von den gedruckten Werken ans, indem er dieselben einzig für die Singeschulen bestimmte.

Der erste Zeitraum seiner poetischen Thätigkeit wird hauptsächlich durch jene Meistergesänge ausgefüllt. Im Jahre 1536 belief sich schon die Gesammtzahl seiner Gedichte ans 5000, und in dieser Summe, also bis zum Jahre 1536, be­finden sich erst zwanzig dramatische Ar­beiten, deren Zahl dann aber bis zum Jahre 1564 auf über zweihundert an­gewachsen war. Alles, was von seinen Dichtungen nicht zu den Meistergesängen gehörte, bezeichnet^ er selbst, zum Unter­schied von jenen, als Spruchgedichte, weil sie nicht zum Singen, sondern zum Sprechen geschrieben waren. Von den dramatischen Dichtungen abgesehen, die wieder in vier Species getheilt sind, unterschied er in den Spruchgedichten: Fabel, Schwank, Gespräch u. s. w.; aber bei einer großen Anzahl fehlt eine Gat­tungsbezeichnung, und bei diesen begnügte er sich, in der Ueberschrift nur kurz auf den Inhalt hinzuweisen.

In seinem zwanzigsten Lebensjahre (er war 1494 geboren) begann Hans Sachs zu dichten, und das letzte seiner gedruck­

ten Gedichte trägt die Jahreszahl 1569. Aber schon vorher hatte er wiederholt sich mit dem Gedanken getragen, seine Thätig­keit als Dichter abznschließen. In einem als fliegendes Blatt 1567 gedruckten um­fänglichen Poem:Summa all meiner Gedicht" (später auch unter dem Titel ViUMs" erschienen), welches zugleich seine genaueste Selbstbiographie enthält, hatte er seine Gedichtesummirt", nach den verschiedenen Gattungen getheilt und die Gesammtzahl auf 6170 (darunter 4275 Meistergesänge) festgestellt. Mit muster­hafter Genauigkeit hatte Hans Sachs selber die für den Druck bestimmten Ge­dichte für die einzelnen Bände znsammen- gestellt. Seinem Ordnungssinne verdanken wir es, daß in den fünf Foliobänden seiner gesammelten Sprnchgedichte fast ein jedes -- mit nur wenigen vereinzelten Ausnahmen das Datum trägt, Jahr und Tag, wann es geschrieben oder vollendet wurde. Er hatte in seinen vor­gerückten Jahren die Freude, die Ausgabe der ersten drei Bücher zu erleben, welche 1558, 1560 und 1561 erschienen. Für ein viertes Buch hatte er selbst das Material noch ordnen können, doch kam es erst nach seinem Tode, 1578, heraus, und ein fünftes und letztes Buch schloß sich dann im nächstfolgenden Jahre an. Es spricht gewiß für die außerordentliche Popularität des Dichters und für das Ansehen, welches er in allen Kreisen der Bevölkerung genoß, daß dieses so umfang­reiche und dabei vorzüglich gedruckte Werk nicht nur ermöglicht wurde, sondern daß auch jeder dieser Bände in mehrfach wiederholten Auflagen erschien.

Aus denSpruchbüchern" des Hans Sachs sollen uns hier vor Allem seine dramatischen Dichtungen beschäftigen. Bei dem Stande der Kindheit, in welchem das deutsche Drama im sechzehnten Jahrhundert sich befand, ist es natürlich, daß in dieser Gattung gerade nicht die Bedeutung unse­res Dichters gipfelt. Einzig die ganz aus dem Volksleben geschöpften, frischen, oft allerdings auch sehr derben Fastnachtsspiele können als in ihrer Art musterhaft be­zeichnet werden. In den Tragödien und Komödien ist nur die Naivetät zu be­wundern, mit welcher Hans Sachs, ohne vom eigentlichen Wesen des Dramas eine bewußte Vorstellung zu haben, frisch den